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Solinetz Zürich: ProMosaik im Gespräch mit Hanna Gerig



von Milena Rampoldi, ProMosaik. Hier im Folgenden mein Interview mit Hanna Gerig, Geschäftsleitung von Solinetz Zürich. Solinetz Zürich setzt sich für geflüchtete Menschen und ihre Aufnahme in der Gesellschaft ein. Die Begegnung ist das Zauberwort, wenn es um den Aufbau einer toleranten und empathischen Gesellschaft geht. Möchte mich herzlichst bei Frau Gerig für Ihre Impulse bedanken.
 
Milena Rampoldi: Welche sind die Hauptziele von Solinetz Zürich?
Hanna Gerig: Das
Solinetz trägt mit verschiedenen Projekten zur Verbesserung der Situation von
geflüchteten Menschen im Kanton Zürich bei. Wir kämpfen gegen die Ausgrenzung
von geflüchteten Menschen und für ihre Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.
Milena Rampoldi: Welche sind Ihre wichtigsten Projekte, die Sie durchführen?
Unsere
wichtigsten Projekte sind sicherlich die mehr als 30 kostenlosen Deutschkurse,
die zweifelsohne ein Grundbedürfnis von Flüchtlingen decken. Ein weiteres
wichtiges Projekt ist das 1:1-Projekt, welches Flüchtlinge und Einheimische in
individuellen Tandems zusammenbringt. Auch die Sport- und Ausflugsgruppen sind
wichtig, um sich bei gemeinsamen Aktivitäten kennenzulernen. Ganz nebenbei
können die Flüchtlinge so auch ihr Deutsch üben. Ebenfalls sehr am Herzen liegt
mir das Engagement der Freiwilligen für die abgewiesenen Asylsuchenden, die in
extrem schwierigen Situationen hier unter uns leben müssen. Besuchsgruppen
besuchen diese Menschen in den Notunterkünften oder im Ausschaffungsgefängnis.
Alle
unsere Projekte sind darauf angelegt, Begegnungen zwischen Einheimischen und
Flüchtlingen zu schaffen, denn wir sind überzeugt, dass Begegnungen den
bestehenden Vorurteilen entgegenwirken und zum gegenseitigen Respekt beitragen.

Milena Rampoldi: Wie wichtig ist die Akzeptanz der Diversität für die Umsetzung der
Gerechtigkeit in der Gesellschaft?
Die
Akzeptanz der Diversität ist Grundvoraussetzung für eine friedliche, gerechte
Gesellschaft. Ich möchte nicht in einem Land leben, in dem Menschen aufgrund
irgendeines Merkmals, das sie von anderen unterscheidet, ausgegrenzt werden. Jede
Einzelne von uns ist anders als der jeweils Andere. Wo kämen wir da hin?
Gesellschaften
sind immer vielfältig, sonst sind sie tot. Wer eine Nation von Gleichen
anstrebt, der hat nicht verstanden, dass die Schönheit der Welt in ihrer
Vielfältigkeit liegt.
Und:
Wie kann ich glückliche Feste feiern, wenn es meiner Nachbarin schlecht geht?

Welche sind die größten Herausforderungen in der Arbeit mit Flüchtlingen?
Auf
Augenhöhe sein! Es ist eins unserer zentralen Anliegen, auf Augenhöhe mit den
Flüchtlingen zu sein und zu handeln. Gleichzeitig sind wir täglich damit
konfrontiert, dass ihnen grundlegende Rechte verwehrt werden, die wir so
selbstverständlich besitzen. Dieses strukturelle, rechtliche Gefälle zwischen
engagierten Einheimischen und den Flüchtlingen muss man sich bewusst sein –
stets dafür kämpfen, dass rechtliche Gleichbehandlung erreicht wird – und immer
gleichzeitig darauf achten, dass das reale Gefälle nicht dazu führt, dass man
seine Privilegien in Überlegenheit(sgefühle) münden lässt.

Wie wichtig ist es, spezifische Projekte für Flüchtlingsfrauen
auszuarbeiten?
Mit
dem Angebot der Kinderbetreuung in vielen unserer Deutschkurse versuchen wir
dazu beizutragen, dass Flüchtlingsfrauen genauso gut an unseren Angeboten
teilnehmen können wie ihre Männer. Wir haben ausserdem einen Deutschkurs und
einen Yogakurs, die nur für Frauen sind. Es wäre sicherlich wertvoll, wenn das
Solinetz noch mehr spezifisch für die Frauen tun würde. Den Kampf für die
Gleichstellung der Frau sehe ich aber nicht spezifisch in der Flüchtlingsarbeit
als dringender an als in anderen Bereichen unserer Gesellschaft.

Was hat Solinetz in seiner Geschichte erreicht und was wünschen Sie sich für
die Zukunft?
Das
Solinetz hat erreicht, dass hunderte von Flüchtlingen durch unsere Projekte
Anschluss finden an die hiesige Gesellschaft, dass sie Leute kennenlernen
können, Deutsch lernen, etc. Das Solinetz hat ein enormes Netz an Freiwilligen
aufgebaut, das sich mit grossem Einsatz für die Teilhabe der Flüchtlinge an
unserer Gesellschaft einsetzt. Für viele Flüchtlinge sind die Deutschkurse des
Solinetzes von Montag bis Sonntag die einzige Tagesstruktur, die sie haben.
Für
die Zukunft wünsche ich mir, dass sich an der rechtlichen Situation etwas
ändert.
Die
Migrationspolitik – die Asylpolitik – zielt auf die Abschreckung und den
Ausschluss der Flüchtlinge. Dagegen kämpfen wir täglich. Es wäre so viel
Energie für Schöneres einsetzbar, wenn wir nicht gegen diese diskriminierenden
und unnötig erschwerenden Gesetze anrennen müssten.
Ich
wünsche mir eine solidarische Gesellschaft, die sich für das Wohl der
Schwächsten einsetzt.