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Projekt ‘LA VIDA QUE ES VIU‘ – Leben, das sich selber lebt

Von
Milena Rampoldi, ProMosaik. Das Projekt ‘LA VIDA QUE ES VIU‘ – Leben, das sich
selber lebt – hat seinen Ausgangspunkt in einer Grundschule in Katalonien,
Spanien. Die Kindern im Alter von 3 bis 12/13 Jahren stammen
aus acht Ländern und etwa 80 Prozent von ihnen sprechen zu Hause eine
andere Sprache als Katalanisch.


‚LA
VIDA QUE ES VIU‘ wird an weiteren Schulen und anderen Institutionen fortgeführt.
In Katalonien wie auch in Kenia. Wir haben mit der Projektleiterin, der
Künstlerin LaBGC gesprochen, mit der ProMosaik in diesem Jahr auch das
Gedichtbuch
„CARA“
an der Schnittstelle zwischen Poesie und Musik durchgeführt hat.
Möchte mich herzlichst bei LaBGC für Ihre ausführlichen Antworten auf unsere
Fragen und die großartigen Fotos bedanken.
Milena Rampoldi:  Kunst
ist wie Musik und Literatur eine universale Sprache der Seele und schweißt
Menschen aller Kulturen und Religionen zusammen. Welche Erfahrungen hast du in
deinem Schulprojekt in dieser Beziehung gemacht?
LaBGC:
In uns, in unserem Innersten, ist etwas, das uns alle als Menschen verbindet.
Etwas Universales. Unabhängig von Kultur, Religion, Alter, Geschlecht. Deshalb
können wir uns auch ohne Sprache elementar verständigen. Und auch Kunst oder
Musik ‚lesen‘.
Diese
Erfahrung hat sich mit den Kindern in der Escola Carme Auguet in Girona auf
s Neue
bestä
tigt. 
CARA steht, sei es auf einer künstlerischen Ebene als auch in
poetischer Hinsicht, für Empathie und Austausch. Wie lässt sich ein solches
Modell in einer multikulturellen Klasse verwirklichen?
Wie
in der Übertragung der Poesie von CARA in andere Sprachen oder in Bilder sind
Empathie und Austausch essentiell im gemeinsamen Tun von Menschen
unterschiedlicher Herkunft – kleinen oder großen. Zugang zum eigenen
Inneren ist dabei ein wunderbarer intuitiver Ariadne-Faden.
Welche sind die besten Strategien, um Kinder in Kontakt mit
Kunst zu bringen?
Die
Kinder Kunst anschauen, fühlen und lesen lassen. Sie selbst malen und zeichnen
lassen. Ohne Vorgaben. Ohne Bewertungen. Ihnen zuhören und anschauen, was sie
aus sich heraus entwickeln.
Welche waren die Hindernisse zu Beginn in diesem Projekt?
Wirkliche
Hindernisse gab es nicht. Die Schulleitung – Pilar de Bolos i Canal und Laura
Serrats Giromela – und das Kollegium wollten das Projekt. Die Stadtverwaltung
Girona sah die Plattform, mit der ich arbeite, und deren Räder sich feststellen
lassen, schließlich als sicher für die Arbeit der Kinder an. Und so konnten die
Wände, die Säulen und die Decke der Eingangshalle bemalt, mit Menschen bevölkert
und die großen Migrationen unserer Geschichte entlang der Gewässer
nachempfunden werden, die Lebensbedingungen, die Entdeckungen, das Neubeginnen
und Heimischwerden.
In Joan
Miró Ametller, einem emeritierten Chemieprofessor, der mit Archäologen zusammen
z. B. Knochenfunde paläolitischer und neolitischer Ausgrabungen analysiert
hatte, fand ich einen großartigen Geschichte-Vermittler. Dankenswerterweise
wird er auch den Kindern der nächsten Jahrgänge Evolutionsgeschichte nahe
bringen. 
Wie haben sich die Kinder im Laufe des Projektes entwickelt?
Anfangs
waren es wenige Kinder, die Menschen anders zeichneten als mit einem vertikalen
Strich für den Körper, einem horizontalen für die Arme, einem umgekehrten V für
die Beine und einem Kreis für den Kopf. 
Am
Ende des Projektes haben sie darauf geschaut, wie sich Figuren durch Berücksichtigung
der Gelenke plötzlich bewegen. Wie sie durch veränderte Haltung Gefühle zeigen.
Zunächst auf dem Papier, später auf der Wand. So entstanden Szenen aus dem
Alltag, von der Jagd, vom Unterwegssein und im Spiel. Es kamen Tiere hinzu und
Gefährte. Manche Kinder wurden zu richtigen Spezialisten!
Was lernen die Künstler von den Kinder?
Die
Unbefangenheit, mit der Kinder sich ausdrücken, ist jedes Mal von neuem ein wunderbarer
Impuls. Kleine Kinder wissen genau, was sie ausdrücken und wie sie es ausdrücken
wollen. Es ist phantastisch, das zu beobachten! Wenn ältere 
Kinder ihre
aus Vergleich mit anderen bezogene Befangenheit allmählich ablegen können und
wieder mit dem Selbstvertrauen der Kleinen zeichnen und malen, dann lernen der
Künstler und die Kinder gemeinsam für einen Moment sehr glücklich zu sein. 
Es
ist mir eine große Freude zu wissen, dass das Projekt ‘LA VIDA QUE ES VIU‘
an der Escola Carme Auguet fortgeführt wird und so eine Nachhaltigkeit in der
Vermittlung von Geschichte im Bezug zum Jetzt und Heute gegeben ist.
Gleichzeitig
wird ‘LA VIDA QUE ES VIU’ an weiteren Schulen in Girona – und später in
Barcelona – implementiert. An der
Escola Ágora – mehr als 200
Kinder aus 19 Ländern, die zu etwa 90 Prozent zu Hause eine andere Sprache
sprechen als Katalanisch – und an der
Escola Josep Dalmau
Carles

mehr als 400 Kindern, die aus Süd-, Mittel- und Nordamerika, Afrika, besonders
dem Maghreb, sowie aus Ländern innerhalb und außerhalb der Europäische Union,
aus Asien und Ozeanien, wobei über 80 Prozent der Kinder zu Hause nicht
Katalanisch sprechen.
An
der Schule Ágora werden wir das Thema mit aus Ton geformten Figuren umsetzen, Ton,
der schwarz gebrannt und damit absolut witterungsfest wird, ein Verfahren, auf
das der Ort Quart nahe bei Girona seit Generationen spezialisiert ist, und an
der Schule Josep Dalmau Carles mit rotem Ton, gleichfalls in Kooperation mit Quart.
In
Nairobi, Kenia, wird ‘LA VIDA QUE ES VIU‘ nicht in einer Schule, sondern in
einem Day-Care-Center implantiert, für Kinder, deren Familien Opfer z. B. von
Gewalt oder AIDS wurden, die auf der Straße leben oder in extrem prekären Verhältnissen.
Im Day-Care-Center erhalten sie täglich Essen und werden medizinisch versorgt.
Mit
traumatisierten Kindern zu malen heißt, ihre
Ängsten, ihre Wut, ihre
Traurigkeit zu sehen, ihnen zuzuhören. Sie tauchen in ihre intra- und
interindividuelle Dunkelheiten. Das birgt die Chance, dass sie Licht
hineinbringen und den Weg zurück an die Oberfläche ihrer Gegenwart finden – die
Voraussetzung für Reintegration in die Gesellschaft und Schulbesuch. 
Das
Haus wird in der Trägerschaft von AMREF Deutschland geführt. AMREF Deutschland
ist seit mehr als 50 Jahren Partner von AMREF HEALTH AFRICA,
die African Medical and Research Foundation, der größten
afrikanischen Gesundheitsstiftung. 95 Prozent der rund 1.000 Mitarbeiter von
AMREF HEALTH AFRICA sind Afrikaner.

Bei
AMREF Deutschland hat Amadou Diallo den Vorsitz im Aufsichtsrat – Amadou Diallo
ist CEO von DHL Freight, dem weltweit einzigen Logistikunternehmen, das seit 36
Jahren in Afrika agiert und in allen 54 afrikanischen Ländern inklusive Südsudan
arbeitet. Geschäftsführender Direktor von AMREF Deutschland ist Dr. med. Marcus
Leonhardt.