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ICH KENNE DAS SCHON! Was nach dem Berlin-Anschlag für mich als schwarzen Deutschen zu tun ist

Von Sami Omar, MiGAZIN,
20. Dezember 2016. Was macht ein schwarzer Deutscher aus Baden-Bürttemberg und
evangelischem Glauben nach einem mutmaßlichen Terroranschlag wie in Berlin?
Sami Omar weiß, wie er sich zu verhalten und wie nicht. Er kennt das schon.
Sami Omar © privat, bearb. MiG
Sami
Omar wurde 1978 als Sohn eritreischer Eltern im Sudan geboren und wuchs als
Kind deutscher Eltern im schwäbischen Ulm auf. Er arbeitet und schreibt zu den
Themen Migration und Integration für print und online-Medien. 2016 erschien
sein zweites literarisches Werk “Geht schon, danke”. Sami Omar
arbeitet als Sprecher und tritt mit seinen abendfüllenden Bühnenprogrammen
deutschlandweit auf. Mehr über ihn auf sami-omar.de

Es ist wieder so weit. Ich kenne das schon. Ich ziehe mir etwas Anständiges
an. Vielleicht sogar eine Krawatte. Das macht schon mal einen Unterschied. Auch
wenn mein Deutsch tadellos ist, spreche ich sehr klar und etwas elaboriert zu
den Leuten. Jetzt bloß keine fremden Sprachen oder Klänge. Nur keine Klischees bedienen.
Gut, dass ich kein Arabisch kann. Sonst bestünde die Gefahr, mich zu
verplappern.
Ich kenne das schon: Die Armlänge Abstand, zu der die Kölner
Oberbürgermeisterin Rekers vor einem Jahr riet – sie wurde zu mir eingehalten.
Ich kenne das schon: Die Aufforderung, mich von den Taten anderer Muslime zu
distanzieren. Ich bin evangelisch, aber das will jetzt keiner hören. Aus
welchem Land ich komme, wird jetzt wieder häufiger gefragt werden. Ich komme
aus Baden-Württemberg, aber das wird als Scherz meinerseits eingestuft. „Ha,
sehr gut. Aber ich meinte gebürtig!“
Nach dem Terroranschlag vom Berliner Breitscheidplatz, geschieht, was nach
der Sylvesternacht in Köln geschah. Es geschieht, was immer geschieht, wenn
Menschen sinnlos sterben oder angegriffen werden. Es wird nach Antworten
gesucht. Nach Schuldigen. Wonach könnten die Leute bei ihrer Beurteilung noch
gehen, als nach Äußerlichkeiten – nach Hautfarbe und Kleidungsstil? Es wird
jetzt Witze geben über LKW-Führerscheine und Ausländer. Es wird absurde
Verbotsforderungen und fremdenfeindliche Parolen hageln.
Ich mache es ihnen und mir einfach. Ich kleide mich und spreche so, dass
die Überschneidungsmenge unserer kulturellen Identitäten möglichst groß ist.
Ich poche nicht darauf, dass das in meinem Fall tatsächlich so ist. Das würde
manchen verwirren. Ich zeige schlicht: Ich habe viel mit Euch gemein. Das
reicht schon. Menschen erkennen das vermeintlich Fremde an der Menge
distinktiver Merkmale zwischen sich und dem Anderen. Die Summe an Vertrautem
macht im Auge meines Betrachters meine Hautfarbe und meinen muslimischen
Nachnahmen wett.
Manchmal denke ich darüber nach, ob ich mir selbst dabei noch treu bin.
Dann fällt mir ein, dass ich schon vor dem Anschlag so sprach und hin und
wieder gerne Krawatte trage. Für eine Weile sicherlich auch als Schutzschild
gegen die Blicke und Gehässigkeiten rechter und besorgter Bürger. Wenn der
Sturm sich gelegt hat, gehe ich auch wieder ins Fitness-Studio. Im Moment ist
das undenkbar. Ohne meinen Kaschmir-Mantel und meine Brille, hielten mich die
Leute dort für einen Ausländer – das kann ich derzeit nicht riskieren.