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US-Wahlen: Grossmaul schlägt Musterschülerin

Von Jürgmeier, Infosperber,
9. November 2016. Macho & Mauer = US-Präsident. Haben die Amerikaner*innen
nach einem Wahlkampf
entschieden,
in dem es auch um Bilder & Images ging.

Diese
Wahl war & ist, vermutlich, vor allem auch eine Geschlechterwahl. Wenn
Donald Trump – so wie er sich inszenierte & womöglich auch ist – eine Frau
wäre, sie hätte keine Chance gehabt. Einer Frau wäre all das Getrumpe nicht
verziehen worden. Aber als Mann ist Trump, vermutlich, nicht nur gewählt
worden, obwohl, sondern weil er ein Macho & Rüpel ist. Das Video, in dem er
sich mit sexueller Gewalt brüstet – «Ich fange einfach an, sie zu küssen. Ich
warte nicht einmal. Und wenn du ein Star bist, dann lassen sie es zu … Berühre
ihre Vagina. Du kannst alles machen …» (Blick online,
8.10.2016) – hat ihm nicht nachhaltig geschadet, womöglich hat es sogar sein
Image als zupackender Mann gestärkt.
In
seinem Artikel «Karikaturen einer Schlammschlacht» schreibt Christian Weisflog
am Tag der Wahl in der Neuen Zürcher Zeitung, der Karikaturist Doug
Goudsward habe «das Wesentliche der Debatten in einer einzigen Zeichnung»
festgehalten.
Der
gegenseitige Vorwurf der «Misshandlung» – der Langenscheidt übersetzt
«mishandle» mit «falsch behandeln, handhaben, anpacken» – von E-Mails
beziehungsweise Frauen, notiert Weisflog, reime sich in Englisch «schön: da
E-Mails, dort Females». Die Gleichsetzung von Mails und Frauen hat nicht nur
etwas Beklemmendes, sie macht, nachdem das Wahlresultat bekannt ist, auch klar:
Einem Mann, Trump, werden sexistische Sprüche, ja, sogar selbst deklarierte
sexuelle Übergriffe vergeben, womöglich sogar verdankt, weil er solches
Verhalten auch für den «gewöhnlichen Mann» rehabilitiert. Der Frau aber wird
die nachlässige Handhabung von Mails zum Verhängnis. Der Cowboy – «Ich könnte
in der Mitte der 5th avenue stehen und jemanden erschiessen, und ich würde
keine Wähler verlieren, okay?» (Kronenzeitung,
25.1.2016) – hat die Hexe geschlagen.
Eigentlich
hat Hillary Clinton (fast) alles richtig gemacht, und als Mann wäre sie
wahrscheinlich zum «Champion» (der künftige Vizepräsident Mike Pence über
Trump) erklärt worden. Aber die Musterschülerin – die sich auch «männliche»
Machtstrategien aneignete – hat offensichtlich die für Frauen in den
Vereinigten Staaten nach wie vor bestehende rote Linie überschritten. Was
Hillary Clinton auf dem Weg zurück ins Weisse Haus vermutlich gestoppt hat, das
ist ihr Wunsch, es als Präsidentin zu tun, und das schon lange. Das männliche
Grossmaul, das wie ein Gorilla mit beiden Fäusten auf seiner Brust
herumtrommelt & brüllt «Ich bin der Grösste» wird gewählt und von seinem Stellvertreter
in der Wahlnacht mit dem Satz gefeiert: «Seine Führerkraft und seine Grösse
wird Amerika wieder erstarken lassen.» Weil Macht Männer macht. Die Frau aber
wird (erneut) abgestraft, weil der Boss im Oval Office immer der Mann ist.
Wer
jetzt behauptet, mit Michelle Obama hätten die Demokrat*innen gegen diesen
Trump locker gewonnen, täuscht sich mit grösster Wahrscheinlichkeit. Die
schwarze Frau im Weissen Haus war & ist ja gerade deshalb so populär, weil
sie, im Gegensatz zu Hillary Clinton, nie eigene Ambitionen erkennen liess, den
Gemüsegarten in der präsidialen Residenz pflegte, sich nicht in die
traditionellen Männerzonen drängte und sich auch in diesen Wahlkampf nur als
eine über den politischen Niederungen stehende moralische Instanz einmischte.
Hätte sie sich um die Macht im so genannt mächtigsten Staat der Welt beworben,
sie hätte vermutlich ein ähnliches Schicksal erlitten wie Hillary Clinton, auch
wenn es von ihr keine «missbrauchten» Mails gibt.
Diese
Wahlen haben eines deutlich gemacht: Das Land, das Constantin Seibt in seinem
vom Tagesanzeiger am
26. Oktober in Englisch publizierten Aufruf «Amerikaner, wählt! Und zwar Frau
Clinton!» als «das Land der Pioniere» charakterisiert, ist das in der
Geschlechterfrage gerade nicht. Wenn Seibt aber mit seiner These, der Blick
nach Amerika sei ein Blick in die Zukunft – «Denn was in Amerika passiert,
passiert ein paar Jahre später in Europa.» –, recht bekommen sollte, dann gute
Nacht. Dann stünde uns die Rückkehr der Cowboys und des starken Mannes bevor.