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Die USA helfen in ganzer Ruhe Saudi-Arabien, verheerende Luftangriffe auf den Jemen durchzuführen

von Sarah Leah Whitson, LA Times, 30.03.2016, deutsche Übersetzung von Milena Rampoldi, ProMosaik, Editing von Fausto Giudice, Tlaxcala. Eine Woche vor den Terrorangriffen von Brüssel bombte die von
Saudi-Arabien angeführte Koalition einen Marktplatz in Mastaba im Jemen. Obwohl
in Mastaba mehr Menschen den Tod fanden als in Brüssel — 106 gegen 34 —
ignorierten die Medien und die internationale Gemeinschaft im Allgemeinen jene
frühere Gräueltat, wie sie auch den Großteil der 150 willkürlichen Luftangriffe
außer Acht ließen, von denen die Vereinten Nationen und Human Rights Watch im
letzten Jahr berichteten.



Eine Einheit der saudischen Artillerie feuert am 13. April 2015
Raketen gegen Positionen der Houthirebellen an der Grenze zwischen
Saudi-Arabien und dem Jemen.  © 2015 Reuters
Das Problem übersteigt aber die reine Unaufmerksamkeit; denn der
Westen unterstützt durch Waffenlieferungen und militärische Hilfe einen Krieg,
der nahezu unsichtbar ist.
Saudi-Arabien behauptet, es verfolge im Jemen das Ziel, dem
Präsidenten Abdu Rabu Mansour Hadi erneut zur Macht zu verhelfen. Dieser war
infolge eines Putsches der Houthi-Milizen aus der Hauptstadt Sanaa geflohen.
Des Weiteren gehe es Saudi-Arabien darum, die iranischen Pläne zu vereiteln,
das Land zu kontrollieren. Unabhängig davon, wie man zu diesen Ambitionen
steht: es ist unstrittig, dass die Saudis gegen das Völkerrecht verstoßen, wenn
sie Angriffe gegen offensichtlich nicht militärische Ziele starten und
verbotene Waffen wie Streubomben einsetzen. Die Luftangriffe haben Schulen,
Krankenhäuser, Märkte und Wohnhäuser getroffen. Den Vereinten Nationen zufolge
sind die Saudis für 60% der 3.200 im Konflikt getöteten Zivilisten
verantwortlich.
Es ist relativ bekannt, dass die USA und Großbritannien als die
führenden Lieferanten des Arsenals der saudischen Koalition zu deren
Kriegsbemühungen beitragen. Saudi-Arabien war weltweit auf Einkaufsbummel und
gilt nun als der größte Waffenkäufer der Welt. Im Jahre 2015 erwarb
Saudi-Arabien mindestens 20 Milliarden $ Waffen von den USA und ungefähr 4,3
Milliarden $ von Großbritannien. Die Vereinigten Arabischen Emirate, der
wichtigste Partner von Saudi-Arabien im Jemenkrieg, liegen nicht sehr weit
hinter Saudi-Arabien und gelten als der viertgrößte Waffenkäufer der Welt. Im
letzten Jahr erwarben sie 1,07 Milliarden $ Waffen von den USA und 65,5
Millionen $ Waffen von Großbritannien.

Die brutale Realität: diese Bomben haben unschuldige jemenitische Männer, Frauen
und Kinder getroffen. Daher haben nicht nur Menschenrechts- und humanitäre
Organisationen, sondern auch das Europäische Parlament zu einem Embargo der
Waffenverkäufe an Saudi Arabien aufgerufen.

Was unbekannt bleibt, ist die genaue Beschaffenheit der
militärischen Rolle der USA und Großbritannien in der saudischen Kampagne. Das
US-Verteidigungsministerium hat vage erklärt, dass es „Zielsetzungshilfe“
leistet, was gesetzlich eine Haftung für die illegalen Angriffe, an denen es
teilnimmt, mit sich bringt. Aber wie gestaltet sich diese Zielsetzungshilfe
genau? Unterstützte das US-Verteidigungsministerium den Angriff gegen den
Markt? Unterstützte es die Koalition auch dabei, die Klinik von Ärzten ohne
Grenzen zu treffen, die im Oktober des vorherigen Jahres mehrmals angegriffen
wurde? Was ist mit dem Streubombenangriff gegen die Universität Sanaa im
Januar?
Großbritannien hat seinerseits mitgeteilt, es biete von der
Kommandozentrale in Riyad „militärisches Training an durch schätzungsweise
6-150 Trainer in Übereinstimmung mit den Kriegsgesetzen“ an. Aber was machen
diese Leute genau? Wenn sie das Targeting unterstützen, so könnten sie dadurch
eine Partei des Konflikts werden. Wenn sie nur beraten, ist es aber
offensichtlich klar, dass die Saudis ihre Ratschläge nicht befolgen.
Eine passende Art und Weise für die Saudis — und die USA und
Großbritannien — um sich mit den Nachweisströmen über die illegalen
Luftangriffe im Jemen zu befassen, wäre die Unterstützung einer unabhängigen,
internationalen Untersuchung über das Verhalten sowohl der Koalition als auch
der Houthi-Miliz Ansar Allah, die im Moment im Großteil des Landes an der Macht
ist.
Die Mitgliedstaaten des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen
haben bereits versucht, eine solche Ermittlung durchzuführen, aber die   Triade
Saudi-Arabien-USA-Großbritannien hinderte sie daran. Anstatt dessen
unterstützten sie eine „örtliche Ermittlung“ im Jemen unter der Führung des von
Saudi-Arabien unterstützten Präsidenten Hadi. Es überrascht somit nicht, dass
das Gremium, das er im September 2015 angekündigt hatte, keine Fortschritte
gemacht hat. Die Koalition kündigte auch übereilt die Bildung eines Komitees
an, um die „Einhaltung des Gesetzes zu fördern“, machte aber auch klar, dass
sie keine mutmaßlichen Verstöße untersuchen werde.

Obwohl die USA eine führende Position in der Kampagne eingenommen
haben, um die  Assad-Regierung
vor die internationale Justiz zu bringen, übersehen oder verhindern sie
internationale Ermittlungen saudischer Verstöße.


Präsident Obama hat
mehrfach die Verbindung zwischen der Verbreitung des gewalttätigen Extremismus
und der Missbräuche durch die autoritären, unverantwortlichen Regierungen der
arabischen Welt hervorgehoben. Er sagte wenig über die Risiken für die
US-Bürger durch die US-Bündnisse mit diesen Regierungen und ihre militärische
Unterstützung.

Aber in der heutigen Zeit,
in der es nicht viel Ausbildung oder Ausstattung braucht, um eine verheerende
terroristische Verwüstung in den westlichen Hauptstädten anzurichten, sollte
sich Obama wohl eher um den Boomerangeffekt solcher Bündnisse sorgen. Illegale
Angriffe und umfassende Tötungen von Zivilisten führen mit Sicherheit zu
Instabilität und Extremismus, deren Auswirkungen nicht nur in der Region,
sondern auch in der Nähe der eigenen Heimat spürbar werden. Das Zeitalter der
geheimen Kriege ist noch nicht ganz zu Ende, aber der Schutzschild der
nationalen  Grenzen ist mit
Sicherheit aufgehoben.