General

Atomwaffen – Die Menschheit in Geiselhaft


Von Jakob Reimann, Justice Now!, Oktober 2016. Angesichts der
permanenten nuklearen Bedrohung durch etablierte staatliche Akteure, sowie der
zunehmenden Gefahr der atomaren Bewaffnung dschihadistischer Extremisten, muss
diese apokalyptische Waffe endlich ein für alle Mal beseitigt werden. Das ist
keine ideologische Frage, sondern eine juristische, denn der bloße Bestand
eines Atomarsenals stellt einen Bruch des Völkerrechts dar. 

Schneeweißes, samtweiches Fell, eine prächtige Mähne so blütenrein wie die
Jungfrau, die allein das fabelhafte Wesen nur zähmen konnte. Die namensgebende,
schneckenartig gezwirbelte Spitze heilt Pest und Cholera und kann selbst die
Toten wieder zum Leben erwecken – das Einhorn.
Für den Harvard-Professor Stephen Walt ist das tatsächliche Erspähen dieser
goldigen Regenbogengestalt wahrscheinlicher als nukleare Abrüstung, eine atomwaffenfreie
Welt bezeichnet er daher als
außenpolitisches Einhorn. Wir würden eher
die DNA von Zebras und Nilpferden kreuzen, bevor die Menschheit sich dazu
entschließt, Atombomben „ein für alle Mal abzurüsten.“
Ein Paradigmenwechsel
Pessimisten wie Walt stehen unzählige Organisationen, Abkommen und Gesetze
gegenüber, die das Einhorn in naher Zukunft im Reich des Terrestrischen verortet
sehen wollen. Die wohl einflussreichste Initiative ist das
Global Zero-Movement, in dem
sich weltweit mehr als eine halbe Million Bürgerinnen und Bürger, ein Rat aus
300 Experten und eine Vielzahl ehemaliger Staatsoberhäupter und Personen des
öffentlichen Lebens vereint haben, um mit ihrem vierstufigen
Global Zero Action Plan das Ziel einer atomwaffenfreien
Welt bis zum Jahre 2030 einzufordern.
In der pazifistischen, antimilitaristischen globalen Linken ist die
vollständige nukleare Abrüstung seit Jahrzehnten eine der Kernforderungen – und
wurde als realitätsfremdes ideologisches Gewäsch belächelt und diffamiert. Diese
Arroganz hat sich gewandelt. Zwar durchaus aus fundamental anderen Beweggründen
heraus, doch ist die Forderung nach nuklearer Abrüstung von der pazifistischen
Peripherie kommend mittlerweile bis weit in erzkonservative Kreise vorgestoßen
und gar bis in den Mainstream westlicher Militärs. So hat selbst der Falke und
Kriegsverbrecher Henry Kissinger 2007 – zusammen mit drei weiteren Hochkarätern
aus dem US-Militärestablishment –
im Wall Street Journal Atomwaffen als
„fürchterliche Bedrohung“ bezeichnet und deren totale Abschaffung gefordert. (Warum
mächtige, brandgefährliche Männer wie Kissinger meistens erst kurz vor ihrem
Tod zur Einsicht kommen, steht auf einem anderen Blatt.) Auch unter den
Supportern des Global ZeroMovements finden sich
zahlreiche (ehemalige) Militärs, Neocons und Rechtsaußen-Falken wie etwa
US-Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski wider. Selbst die zwei Gründer von Global Zero sind ein ehemaliger
Staatssekretär und ein ehemaliger US-Offizier.
Trotz dieses Paradigmenwechsels in der Forderung nach nuklearer Abrüstung
ist die eliminatorische Gefahr des globalen Atomwaffenarsenals ungebrochen und
von ernsthafter Abrüstung kann keine Rede sein. Vielmehr werden die Bestände
sämtlicher Atommächte modernisiert und zum Teil erweitert. US-Präsident Obama
beispielsweise hat jüngst erst ein „Modernisierungsprogramm“ in Höhe von
unaussprechlichen eine Billion Dollar
unterzeichnet. Angesichts multipler
Kriege und zerfallender Staaten im Nahen und Mittleren Osten sollte
insbesondere auch diese Region durch die atomare Brille betrachtet werden.
Atombomben in „Schurkenhand“
Eines der
unanfechtbarsten Argumente gegen Atombomben ist das mögliche Schreckensszenario
des
nuklearen Terrorismus. (Ich möchte hier explizit
nicht die Floskel „in falschen Händen“ gebrauchen, denn zu behaupten,
Atombomben könnten auch „in guten Händen“ sein, verlangt einen Zynismus und
eine Misanthropie sondergleichen.)
Auch in der
internationalen Politik ist dies das Totschlagargument.
So meinte George Bush in Vorbereitung des
illegalen Angriffskriegs gegen den Irak 2003: „Wir können nicht auf den finalen
Beweis warten, den rauchenden Colt, denn der könnte die Form eines Atompilzes
haben.“ Aus der Bush-Administration wurde wieder und wieder der Vorwurf gebracht,
Saddam hätte in Afrika Uran zum Bau einer Bombe erworben, obwohl dies den
Geheimdiensten in vor-Ort-Berichten des US-Diplomaten Joe Wilson zweifelsfrei widerlegt
wurde und durch dessen legendären New York Times-Artikel
What
I Didn’t Find in Africa
ans Tageslicht kam. (Der politische Skandal um Wilsons
Artikel wird im Film
Fair Game nachgezeichnet, mit
den grandiosen Naomi Watts und Sean Penn in den Hauptrollen.) Trotz
gegenteiliger Faktenlage reichte die bloße Panikmache vor der irakischen
Atombombe dann aber aus, um die Welt in diesen unsäglichen Krieg
hineinzulügen.
Im Falle des Iran
diente die Paranoia vor einer Atombombe nicht als Rechtfertigung eines
militärischen, sondern eines Wirtschaftskriegs: jahrzehntelange US-, UN- und
EU-
Sanktionen trieben das Land in
den Ruin. Auch die militärischen Falken des vermeintlichen Erzfeinds Israel
nutzten die nicht vorhandene iranische Bombe immer wieder, um auf die
Kriegstrommeln einzuschlagen. Legendär ist Ministerpräsident Netanyahus Rede vor
der UN-Generalversammlung 2012, als er mit seiner
lächerlichen Zeichnung einer
„Bombe“ der Welt weismachen wollte, der Iran stehe kurz vor der nuklearen
Bewaffnung. 2015
geleakte Dokumente des israelischen
Geheimdienstes belegen jedoch: der Mossad wusste bereits 2012, dass es kein iranisches
Atomwaffenprogram gab, Netanyahu ist ein Lügner. Während Israel die einzige
Atommacht in Middle East ist und sich zusammen mit nur drei anderen Staaten
dieser Welt (Indien, Pakistan und Südsudan) weigert, den Atomwaffensperrvertrag
zu unterzeichnen, öffnet der Iran sämtliche Atomanlagen für die Kontrolleure
der Internationalen Atomenergiebehörde, die nie einen Beweis für die Existenz
eines militärischen Atomprogramms Teherans fanden.
Während im Falle des
Iraks und des Irans die wohl inszenierte Panikmache vor nuklearer Bewaffnung
beziehungsweise der Weitergabe der Bombe an Terrorgruppen als klassisches
Mittel der Kriegspropaganda entlarvt wurden, gibt es ein Land – eine
tatsächliche Atommacht –,  bei dem diese Gefahr
in der Tat mehr als real ist:
Pakistan. Wenn Atombomben je in die Hände von
Terrorgruppen wie Al-Qaida oder dem IS gelangen sollten, werden diese mit hoher
Wahrscheinlichkeit den pakistanischen Beständen entstammen. 
Bereits im März 2012
hat einer der führenden Köpfe des pakistanischen Zweigs der Taliban, der auch
enge Verbindungen zu Al-Qaida pflegt,
erklärt, das Ziel seiner
Bewegung sei „der Sturz der pakistanischen Regierung“ und die Beschlagnahmung
der pakistanischen Atomwaffen. Aus eben diesem Grund unterhält das pakistanische
Militär eine
10.000-Mann starke Einheit zur Sicherung der
Atomarsenale. Der Diebstahl der pakistanischen Atombomben als Folge direkter
militärischer Auseinandersetzung mit den Taliban ist daher unwahrscheinlich.
Die tatsächliche Bedrohung liegt ganz woanders.
Erstens ist die
Gefahr vor terroristischen Anschlägen auf nukleare Einrichtungen in Pakistan so
hoch wie bei keiner anderen Atommacht.
Die nukleare Infrastruktur Pakistans befindet sich in
unmittelbarer Nähe zu den von pakistanischen Taliban gehaltenen Gebieten und
trotz heftiger Kampfhandlungen werden die Nuklearreaktoren in eben dieser
Region kontinuierlich ausgebaut. In der Vergangenheit kam es dann auch
immer wieder zu Anschlägen auf pakistanische
Atomarsenale. Bis einer dieser Anschläge eine solche Professionalität und
Schlagkraft erlangt, um tatsächlich in einem katastrophalen Maße radioaktive
Strahlung freizusetzen, scheint nur eine Frage der Zeit zu sein.
Zweitens geht die
weitaus größere Gefahr vielmehr von der pakistanischen Administration selbst aus.
Pakistan ist ein zerfallender Staat, der immer tiefer in Gewalt versinkt und dessen
Rechtsstaatlichkeit immer weiter erodiert. In dieser Aura des Chaos verschärft
sich eine schleichende „Islamisierung“
und
„Antiamerikanisierung“ des Militärs, sowie dessen
Infiltration mit Extremisten von
außen. Die
Unterstützung der afghanischen
Taliban durch das pakistanische Militär seit den 1980ern ist ohnehin lange bekannt
(„Pate der Taliban“), ebenso eng sind die
Verbindungen der Geheimdienste zu Dschihadisten
jeglicher Couleur. Die Gefahr, dass aus diesen Kreisen des
„Sicherheitsapparates“ eines Tages pakistanische Atomwaffen an die Taliban
übergeben werden, schwebt wie ein nukleares Damoklesschwert über der Region. (BLOCK)
Auch der IS hat im
letzten Jahr
verkündet, über Mittelsmänner
pakistanische Atomwaffen kaufen zu wollen. Nicht weniger beunruhigend ist das
Verhältnis zum saudischen Königshaus. Westliche Geheimdienste schätzen, dass
bis zu 60 Prozent des pakistanischen
Atomprogramms mit saudischen Petrodollars finanziert wurden, was Riad weniger
als nuklearen Altruismus denn als direkte Investition ansieht und sich daher das
Recht einbehält, in Zukunft nach eigenem Gutdünken auf das pakistanische
Atomarsenal
zugreifen zu können.
Angesichts des katastrophalen, völkerrechtswidrigen
Kriegs der Saudis im Jemen, der finanziellen
und militärischen Unterstützung unzähliger Terrorgruppen, darunter Al-Qaida und
der Islamische Staat, sowie der aggressiven
Verbreitung radikal-islamistischer
Ideologie
in der gesamten muslimischen Welt, wäre die jederzeit
mögliche nukleare Bewaffnung Saudi-Arabiens eine Katastrophe für den Nahen
Osten und würde ein nukleares Wettrüsten in der Region in Gang setzen.
Da Pakistan jedoch eine
prowestliche Regierung hat und offiziell ein enger Verbündeter Washingtons im
„Kampf gegen den Terror“ ist, werden die brandgefährlichen nuklearen Risiken
der Pakistan-Taliban-Al-Qaida-Connection
unter den Teppich gekehrt und lieber das
haltlose Schreckgespenst eines nuklear bewaffneten Irans obsessiert. „Pakistans
tief gespaltene Regierung in Verbindung mit verbrecherischen Geheimdiensten ist
eine viel größere Bedrohung für die Nichtverbreitung nuklearen Materials als es
der Iran je sein könnte“,
meint auch der renommierte
politische Analyst
Akhilesh
Pillalamarri.
Neben der
kontinuierlich wachsenden Gefahr der nuklearen Bewaffnung dschihadistischer
Extremisten, ist natürlich auch die Gefahr, die von den etablierten staatlichen
Atommächte ausgeht, alles andere als gebannt. Auf die Frage, ob sie „persönlich
bereit ist, einen Atomangriff zu autorisieren, der Einhunderttausend
unschuldige Männer, Frauen und Kinder töten kann“,
erwiderte die neue britische
Premierministerin Theresa May: „Yes.“
Angesichts der Gefahren des nuklearen Terrorismus und Massenmordsfantasien
westlicher Staatenlenker: warum liegt diese apokalyptische Waffe nicht schon
seit Jahrzehnten auf der Müllhalde der Geschichte?
Die Lebenslüge nuklearer
Abschreckung
Befürworter der Atombombe berufen sich auf das Konzept nuklearer
Abschreckung. Der Massenmord der USA an den Japanern in Hiroshima und Nagasaki
zum Ende des Zweiten Weltkriegs sei demnach eine Art Geburtsfehler der
eigentlich friedensstiftenden nuklearen Massenvernichtungswaffe. Denn zu diesem
Zeitpunkt verfügte noch keine andere Nation über die Bombe und die USA konnten
daher ohne die Gefahr eines Gegenschlags den Massenmord begehen. Durch die nachfolgende
Aufrüstung der anderen Großmächte und einiger regionaler Player wurde dann das
System der nuklearen Apokalypse als Abschreckungsszenario konstruiert: wer als
Erster den Knopf drückt, stirbt als Zweiter. 71 Jahre einer
atombombenabwurffreien Welt geben den Anhängern des Konzepts der nuklearen
Abschreckung vermeintlich Recht. Doch die Annahme, Atombomben bringen Frieden
und müssten daher in alle Ewigkeit Bestand haben, fußt auf drei fundamentalen
Fehleinschätzungen.
Erstens ist die schiere Drohgebärde der Vernichtung von Abermillionen
Zivilisten schlicht die totale ethisch-moralische Bankrotterklärung einer  vermeintlich zivilisierten Menschheit. (BLOCK)
Wer zu Thomas Hobbes‘ homo homini lupus
ernsthaft die eliminatorische nukleare Komponente als stabilisierendes Element hinzufügt,
hängt einem Menschenbild an, das düsterer und misanthropischer kaum sein könnte,
denn es beruht auf der Annahme, dass einzig die Drohung der Auslöschung ganzer
Nationen uns davon abhielte, uns gegenseitig den Schädel einzuschlagen.
Zweitens zeigt ein kurzer Blick in die Geschichte, auf welch wackeligen
Beinen das gesamte  Konstrukt der
nuklearen Abschreckung steht und dass es technische Fehler oder
Fehleinschätzungen von Individuen sind, die in Sekunden das Konstrukt zum
Einsturz bringen können. Allein auf Seiten der USA gibt es
20 dokumentierte Fälle, in denen das
Militär unmittelbar vor dem Abschuss von Atomraketen stand. Werden die
Dunkelziffer und Vorfälle auf Sowjet-Seite hinzugerechnet, kommen wir schnell
auf ein Vielfaches dieser Zahl. Das promineste Beispiel ist zweifelsohne die
Kubakrise 1962, bei der die
Menschheit erstmals am Rande des Dritten Weltkriegs stand. Der gefährlichste
Zwischenfall war jedoch die Operation Able
Archer,
eine nukleare NATO-Übung in Europa 1983 – so täuschend echt, dass
Moskau Augenblicke davor war, den „Zweitschlag“ gegen vermeintlich zuvor abgefeuerte
US-Atomraketen anzuweisen. Nur das besonnene Einschreiten des DDR-Doppelagenten
Rainer Rupp (Deckname Topas)
verhinderte die Katastrophe. Wie absurd wacklig
das Kartenhaus der nuklearen Abschreckung aus technischer Sicht ist, machen
drei Beispiele deutlich: einmal
war es ein Schwarm Schwäne, einmal der aufgehende Mond und einmal ein Bär, die
dafür „verantwortlich“ waren, dass Washington kurz davor war, Atomraketen auf
Moskau abzufeuern. (BLOCK)
Drittens ist es angesichts des mentalen Zustands bestimmter Politiker höchstgradig
unverantwortlich, ihnen die Befehlsgewalt über Atombomben anzuvertrauen. Es ist
erwiesen, dass
Führungspositionen eine starke
Anziehungskraft auf Geisteskranke ausüben und auch
politische Ämter daher
überdurchschnittlich oft von Psychopathen bekleidet werden.
Ausgemachte Psychopathen beziehungsweise Menschen mit starker Tendenz
dorthin fanden und finden wir unzählige Male an den nuklearen Schaltstellen
dieser Welt wieder: der selbsternannte Semigott Stalin, die Vietnam ausräuchernden
US-Präsidenten Eisenhower, JFK, Johnson und Nixon, der Alkoholiker Jelzin, der
von Dummheit und Unfähigkeit gezeichnete Kriegsverbrecher George W. Bush und sein
ebenso schießwütiger Londoner Kompagnon, Tony Blair, in Kürze entweder der
größenwahnsinnige
Narzisst Trump oder die nicht
weniger narzisstische,
pathologisch empathielose Hillary Clinton im
White House, ein zerfallender Staat in Pakistan mit engsten Verbindungen seiner
„Sicherheitskräfte“ zu Dschihadisten und den Terrorpaten im saudischen
Königshaus, eine
rechtsradikale,
ultranationalistische
Apartheidsregierung in Israel, ein Faschist in Nordkorea, eine nach eigenen Aussagen potentielle
Massenmörderin an der Spitze Großbritanniens – wer könnte ernsthaft das
Argument vertreten, Atombomben in den Händen dieser Menschen wären eine
friedensstiftende Maßnahme?
David gegen Goliath – die
Marshallinseln und die Supermächte
Diese Frage stellte sich auch die Regierung der Marshallinseln und reichte
– unterstützt von einer Koalition aus Dutzenden Rechtsexperten und 55
internationalen Aktivistengruppen – 2014 daher beim Internationalen
Strafgerichtshof (IGH) in Den Haag eine sensationelle, historische
Klageschrift ein: der kleine
Inselstaat verklagt die neun Atommächte (USA, Russland, Frankreich, UK, Israel,
Indien Pakistan, Nordkorea), da diese ihren in
Artikel VI des Atomwaffensperrvertrags verbrieften
Verpflichtungen zur nuklearen Abrüstung nicht nachkämen und daher durch den IGH
zur Abrüstung gezwungen werden sollten.
Die gerade einmal 72.000 Einwohner zählenden Marshallinseln im Südpazifik
waren lange Zeit das Versuchslabor für US-amerikanische Atomwaffentests. Die
Folgen der insgesamt 67 Atombomben, die zwischen 1946 und 1958 von den USA auf
die Marshall Inseln abgefeuert wurden, sind verheerend. Die Umwelt wurde großflächig
radioaktiv verseucht, ganze Inseln des Atolls wurden im Pazifik versenkt, die
Bewohner leiden bis in die Gegenwart an strahlungsbedingten Krankheiten.
Am vergangenen Mittwoch wurde die Klage wegen mangelnder Zuständigkeit
(keine Entscheidung in der Sache) mit 9 zu 7 Stimmen
abgewiesen, was gewiss einen
Rückschlag für die Kampagne darstellt. Doch das Ziel der Marshallinseln  war es vor allem auch, die Atommächte
ins Rampenlicht zu stellen und so medial und
moralisch zur Einhaltung der internationalen Verträge und Gesetze zu drängen.
Der Internationale Gerichtshof in Den Haag hat bereits 1996 in einem
Meilenstein-Rechtsgutachten zweifelsfrei festgestellt, dass sowohl der Einsatz
als auch die bloße Androhung des Einsatzes von Atomwaffen
völkerrechtswidrig ist. Im selben Urteil
hat der IGH die Atommächte auch aufgefordert, die totale nukleare Abrüstung
nicht nur zu verhandeln, sondern auch „zum Abschluss zu bringen“ (was eine
äußerst wichtige Ergänzung zur Formulierung im Atomwaffensperrvertrag
darstellt). Der auf Generationen angelegte Erhalt und die Modernisierung des
Atomarsenals stellen demnach einen Bruch des Völkerrechts dar. (BLOCK)
Die Frage nuklearer Abrüstung ist also keine ideologische Angelegenheit,
keine von progressiv vs. konservativ, keine von Pazifismus oder Militarismus,
sondern schlicht eine juristische. Es ist die Frage, ob wir internationales
Recht respektieren oder es permanent brechen wollen. Das Völkerrecht verpflichtet
die neun Atommächte unzweideutig darauf, das Einhorn einer atomwaffenfreien
Welt nicht nur zu suchen, sondern gefälligst auch zu finden, und die Menschheit
endlich aus der Geiselhaft nuklearer Bedrohung zu befreien. Sämtliche
Handlungen der neun Staaten und ihrer Komplizen, die diesem Ziel zuwiderlaufen,
sind folglich illegal.



Image Rights
Israels Ministerpräsident Netanyahu erklärt der Welt bei seiner Rede vor
der UN-Generalversammlung 2012 anhand der Zeichnung einer „Bombe“ die Gefahren
des iranischen Atomprogramms. Beachte die bedrohlich brennende Zündschnur. By
mpeake, flickr, licensed under CC BY-ND 2.0.
Die britische Premierministerin Theresa May im Juli 2016 im britischen
Parlament. By Jakob Reimann,
licensed under CC BY-ND 2.0.
Kinderspielzeug Giant
Atomic Bomb
. By
Daniel Schwen, wkimedia commons, licensed
under
CC BY-SA 4.0 (edited).
Zwischen 1946 und 1958 zündeten die USA 67 Atombomben auf den
Marshallinseln. Hier zu sehen ist die Unterwasser-Explosion vor dem
Bikini-Atoll am 25. Juli 1946, Operation Crossroads. Der längliche schwarze
Fleck am rechten Rand der Wassersäule ist ein Kriegsschiff, das in den Sog
gezogen wurde. By
ROBERT HUFFSTUTTER, flickr, licensed
under
CC BY 2.0.
Nuclear Free Zone, by Jasleen Kaur, flickr, licensed
under
CC BY-SA 2.0 (edited).
Cover picture by Jakob Reimann, JusticeNow!, licensed
under
CC BY-SA 2.0.