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Flüchtlinge als “Sicherheitsrisiko” (III)


von German Foreign
Policy, 28. September 2016. Die Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS)
will Fluchtbewegungen mit militärischen Interventionen begegnen. Bei einer
heute beginnenden hochrangig besetzten Konferenz des militärpolitischen
Think-Tanks der deutschen Regierung soll diskutiert werden, wie der
vermeintlich weltweite “Exodus” aus den Ländern des globalen Südens
durch das Zusammenwirken von Kriegsoperationen und staatlicher
“Entwicklungshilfe” gestoppt werden kann. Bereits in der
Vergangenheit hat die BAKS Flucht und Migration wiederholt als
“Bedrohung” für westliche Gesellschaften betrachtet. 
So befasste sich ein Mitte dieses Jahres von der
Denkfabrik organisierter “Bürgerdialog” mit “aktiven und
präventiven Maßnahmen” zur “Sicherung der EU-Außengrenzen”. Auch
bei den von der BAKS und dem Reservistenverband der Bundeswehr im April
veranstalteten “Königsbronner Gesprächen” war die Abwehr
illegalisierter Migranten das beherrschende Thema. Passend dazu verknüpfte ein
kurz zuvor von der Bundesakademie speziell für ausgewählte Journalisten
anberaumter “Medientag” Fragen der “Grenzsicherung im
Mittelmeer” mit “Maßnahmen zur inneren Sicherheit in
Deutschland”.
Vernetzter Ansatz
Wie die Bundesakademie für Sicherheitspolitik
(BAKS) mitteilt, wird sie heute und morgen in Berlin gemeinsam mit dem
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) eine
hochrangig besetzte Konferenz über die “Bewältigung der
Flüchtlingskrise” veranstalten. Das “Deutsche Forum
Sicherheitspolitik” wendet sich explizit an “ausgewählte
Entscheiderinnen und Entscheider aus Politik, Wirtschaft, Behörden und
Wissenschaft” und trägt den Titel “Exodus weltweit – was kann
Deutschland zur Bekämpfung von Fluchtursachen beitragen?” Als
Auftaktredner sind Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und
der Ressortchef des BMZ, Gerd Müller (CSU), angekündigt. Im Zentrum ihrer
Ausführungen soll laut Tagungsprogramm der “vernetzte Ansatz” der
deutschen “Sicherheitspolitik” stehen.[1] Dieser beinhaltet das
Zusammenwirken von militärischen, geheimdienstlichen, polizeilichen,
diplomatischen sowie entwicklungspolitischen Instrumenten im Rahmen von
Interventionskriegen – und soll jetzt offenbar nicht mehr nur gegen
Aufstandsbewegungen in den Ländern des globalen Südens in Anschlag gebracht werden,
sondern auch gegen dort entstehende Migrationsbewegungen.
Perspektiven für
Abgeschobene
Bereits anlässlich des im letzten Jahr von der BAKS
veranstalteten “Deutschen Forums Sicherheitspolitik” hatte der
Präsident der Akademie, Karl-Heinz Kamp, “Flüchtlingsströme” als
“langfristige Gefahren” für westliche Gesellschaften definiert.[2]
Unterstützt wurde er dabei von Bundesinnenminister Thomas des Maizière (CDU),
der in seinem Referat die Einrichtung einer “europäischen Küstenwache”
zur Migrationsabwehr forderte und gleichzeitig auf die enge Kooperation
Deutschlands mit “Nachrichtendiensten aus der ganzen Welt” verwies,
die das Ziel habe, den “Import des Terrorismus” aus den
Herkunftsstaaten der Flüchtlinge zu verhindern.[3] Der Leiter der
“Grundsatzabteilung” des Bundesinnenministeriums, Jörg Bentmann,
verknüpfte seinerseits die “konsequente Abschiebung” von Migranten
mit der “Eröffnung von Perspektiven für die Abgeschobenen in ihren
Herkunftsländern” – also just mit dem Thema, das beim jetzigen
“Deutschen Forum Sicherheitspolitik” unter der Bezeichnung
“Bekämpfung von Fluchtursachen” aus militär- und
entwicklungspolitischer Sicht behandelt wird.[4]
Sicherheitsbelange
Analog äußerten sich schon 2014 hochrangige
Teilnehmer des seinerzeitigen “Deutschen Forums Sicherheitspolitik”;
dort wurde einerseits ein Zusammenhang zwischen Migration, politischem
“Extremismus” und “organisierter Kriminalität” konstruiert,
andererseits sprach man sich für die Nutzung entwicklungspolitischer Instrumente
zur Flüchtlingsabwehr aus. So forderte der parlamentarische Staatssekretär im
Bundesinnenministerium, Günter Krings (CDU), die staatliche
“Entwicklungshilfe” an das “Entgegenkommen” der
Empfängerländer bei “Sicherheitsbelangen” zu binden – insbesondere
“in puncto Verhinderung von Migration oder Radikalisierung”. Auch der
Vertreter des Hohen Flüchtlingskommissars der UN in Deutschland, Hans ten Feld,
betonte in seinem Statement die “sicherheitspolitischen Zusammenhänge von
Migration”. Besonderen Wert legte er dabei auf die “effektive
Bekämpfung von Schleuserbanden”, da seiner Ansicht nach der begründete
Verdacht besteht, “derartige Akteure könnten verdeckt Terrorismus
finanzieren” (german-foreign-policy.com berichtete [5]).
Präventive Maßnahmen
Während sich Konferenzen wie das “Deutsche
Forum Sicherheitspolitik” gezielt an die gesellschaftlichen Eliten
richten, bemüht sich die BAKS gleichzeitig, ihre migrationspolitischen
Auffassungen zu popularisieren. Diesem Zweck dient neuerdings der sogenannte
Bürgerdialog, bei dem laut einer Selbstdarstellung der Akademie Interessierte
aus allen Teilen der Bevölkerung mit “Experten und
Entscheidungsträgern” zusammengeführt werden. Die erste Veranstaltung
dieser Art fand vor knapp drei Monaten statt und widmete sich der BAKS zufolge
einem “Thema, das den Menschen in Deutschland und Europa wohl unter den
Nägeln brennt”; diskutiert wurden “aktive und präventive
Maßnahmen” zur “Sicherung der EU-Außengrenzen”.[6] Als
einschlägige Expertin fungierte dabei Tanja Gönner, Vorstandssprecherin der für
die staatliche “Entwicklungshilfe” zuständigen Deutschen Gesellschaft
für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Die GIZ wiederum führt bereits seit
geraumer Zeit “präventive Maßnahmen” in den Herkunftsländern
afrikanischer Migranten durch, um zu verhindern, dass diese nach Europa
gelangen. So hat die Entwicklungsagentur etwa in Niger und Mauretanien
“Polizeiprogramme” implementiert, die den “Bau von
Grenzstationen” und deren “Ausstattung mit moderner Ausrüstung”
ebenso vorsehen wie die “Durchführung von Trainings für die
Grenzbeamten” (german-foreign-policy.com berichtete [7]).
Zivil-militärisches
Eingreifen
Präventive Migrationsabwehr war auch das
beherrschende Thema bei den diesjährigen von BAKS und Reservistenverband der
Bundeswehr organisierten “Königsbronner Gesprächen”.[8] Gefordert
wurde dort einmal mehr, gemäß dem “vernetzten Ansatz” der deutschen
Militärpolitik “Stabilität in die Krisenregionen zu bringen”, um die
dort lebenden Menschen von einer Flucht nach Europa abzuhalten.[9] Der
Journalist Mirco Keilberth, der unter anderem für den staatsfinanzierten
Rundfunksender “Deutsche Welle” arbeitet, sprach sich in diesem
Zusammenhang offen für eine Militärintervention in Syrien aus: “Wenn wir
nicht eingreifen, endet es wie in Libyen. Und das können wir uns an der
Mittelmeerküste nicht leisten.” Dementsprechend stand laut
Reservistenverband die Notwendigkeit eines engen “Zusammenwirken(s)”
von “zivilen Helfern und Militär” bei den Teilnehmern der
Veranstaltung außer Frage. Mit den Worten “Nichtregierungsorganisationen
können nur gute Arbeit machen, wenn sie sich sicher fühlen”, brachte der
vormalige Bundeswehrgeneral und NATO-Befehlshaber Hans-Lothar Domröse diesen
Konsens auf den Punkt.[10]
Hilfreiche
Informationen
Ausschließlich um “fachkundige Journalisten”
mit “hilfreichen Informationen” über die “Zusammenhänge von
Flucht, Migration und Sicherheitspolitik” zu versorgen, führte die BAKS
nach eigenem Bekunden Anfang April erstmals einen “Medientag” in
ihren Berliner Räumlichkeiten durch. Mehr als zwanzig Pressevertreter wurden
dabei der Akademie zufolge von “praxiserfahrenen Experten” über die
“Grenzsicherung im Mittelmeer”, die staatlichen “Maßnahmen zur
inneren Sicherheit in Deutschland” und die “Fluchtursachen in Afrika
und dem Nahen Osten” aufgeklärt.[11] Geht es nach der BAKS, sollen
letztere jetzt offenbar auch von der Bundeswehr “bekämpft” werden;
die propagandistischen Vorarbeiten dafür sind jedenfalls in vollem Gang.
[1] Deutsches Forum Sicherheitspolitik 2016: Exodus
weltweit – was kann Deutschland zur Bekämpfung von Fluchtursachen beitragen?
www.dfs.bund.de.
[2] Karl-Heinz Kamp: Aufforderung zum Disput. In: Bundesakademie für
Sicherheitspolitik (Hg.): Wie sicher ist Deutschland – in einer Welt aus den
Fugen? Deutsches Forum Sicherheitspolitik. Konferenzband 2015. Berlin 2016.
[3] Thomas de Maizière: Sicherheitspolitik am Küchentisch. In: Bundesakademie
für Sicherheitspolitik (Hg.): Wie sicher ist Deutschland – in einer Welt aus
den Fugen? Deutsches Forum Sicherheitspolitik. Konferenzband 2015. Berlin 2016.
[4] Hannah Neumann: Wir schaffen das – aber wie? Flucht und Migration –
Auswirkungen auf Sicherheit und gesellschaftliche Stabilität. In:
Bundesakademie für Sicherheitspolitik (Hg.): Wie sicher ist Deutschland – in
einer Welt aus den Fugen? Deutsches Forum Sicherheitspolitik. Konferenzband
2015. Berlin 2016.
[5] Siehe dazu Flüchtlinge als “Sicherheitsrisiko”.
[6] Bürgerdialog: Europa – handlungsfähig nur unter Druck? www.baks.bund.de
12.07.2016.
[7] Siehe dazu Polizeiprogramm Afrika.
[8] Zu den “Königsbronner Gesprächen” siehe auch Antifaschistischer Deckmantel.
[9] Flüchtlingskrise ist eine moralische und humanitäre Verantwortung.
www.reservistenverband.de 08.04.2016.
[10] “Das Thema ist längst nicht erledigt, wenn Rakka fällt”.
www.reservistenverband.de 09.04.2016.
[11] Medientag der BAKS: Brüssel, Ankara und die Flüchtlinge. www.baks.bund.de
06.04.2016.