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DEUTSCHE ISLAM KONFERENZ: Ein Dialog auf Augenhöhe?

Von Islamiq, 25.
September 2016. Vor 10 Jahren wurde die Deutsche Islam Konferenz (DIK)
einberufen. IslamiQ beleuchtet in einer Beitragsreihe die Hintergründe und
Entwicklungen. Heute ein Beitrag von Luis Manuel Hernandez Aguilar über den
rassistischen Diskurs der DIK im Dialog mit den Muslimen.

Symbolbild: Dialog ist wichtig © by News Oresund auf Flickr (CC BY 2.0), bearbeitet
islamiQ
Die Definition von
Rassismus ist, wie bei fast jeder Art der Definition, eine sehr umstrittene
Sache. Die Diskussion begann mit jenen, die behaupteten, dass dieses Phänomen
nur auf ideologischen Unterschieden in Bezug auf die Hautfarbe basiert. Sie
setzte sich fort mit jenen, die meinten, dass der Gebrauch dieser Kategorie,
die Kultur als Mittel zur Spaltung und Unterordnung von Menschen einsetzt. Wie
ich später darlegen werde, haben genauere Untersuchungen aber ergeben, dass die
Komplexität dieses Phänomens, einen historischen Zusammenhang mit laufenden
Neugestaltungen und Kategorien hinsichtlich Klasse, Geschlecht, sexueller
Neigung, Religion besitzt.
11/9 als Basis für neue Gewaltwellen
Muslime werden im
Westen in zunehmendem Maße Ziel von Diskriminierung, Ausgrenzung und Rassismus.
Angefangen von verbalen Beleidigungen, Bigotterie, Stereotypisierung bis hin zu
gewaltsamen Angriffen und Tötungen, ist das Mainstream-Narrativ weiterhin in
der rassistischen Vorstellung verhaftet, dass das Muslimsein dem Dasein als
Problem entspricht. Obwohl die Geschichte der Feindseligkeit und Anfeindung
gegen den Islam und die Muslime sehr lang und komplex ist, wurde diese durch
die Angriffe vom 11. September und dem anschließenden „Krieg gegen den Terror“
verschärft.
Der 11. September
bildete die Basis für neue Wellen der Gewalt, rassistische Diskriminierung und
Prozesse der Ausgrenzung und der staatlichen Eingriffe mit dem Fokus
unmittelbar auf jene, die als Muslime wahrgenommen werden. Und um es noch
einmal klarzustellen, damit ist nicht gemeint, dass der Rassismus gegen Muslime
erst nach dem 11. September auftrat, sondern dadurch intensiviert wurde. Dem
11. September folgt die weitreichende Verbreitung von Diskursen, die den Muslim
als Feind außerhalb und innerhalb der Nation darstellen, wodurch die
Möglichkeiten für staatliche Eingriffe geschaffen wurden. In Deutschland werden
nur Muslime als „Fremde“ und „Migranten“ bezeichnet, anstatt als deutsche
Staatsangehörige.
Die Einrichtung der Deutschen Islam Konferenz
Als Reaktion und
Antwort auf das ideologische Konstrukt, das die muslimische Existenz
problematisiert, haben verschiedene europäische Regierungen versucht, den Islam
durch die Einrichtung von nationalen Räten zu integrieren, die idealerweise
unter anderem als Mediatoren zwischen Staaten und der muslimischen Bevölkerung
dienen. Diese hatten die Aufgabe, eine moderate Version des Islams zu fördern,
mit nationalen Sicherheitsbehörden zu kooperieren und insgesamt das verringern
sollten, was als nicht übereinstimmendes oder gegensätzliches soziales
Zusammenleben zwischen Muslimen und „Europäern“ erachtet wurde. In Deutschland
fand eine solche Entwicklung 2006 mit der Einrichtung der Deutschen Islam
Konferenz (DIK) statt.
Eines der
Hauptaspekte der DIK bezieht sich auf seine Selbstdarstellung als Ort des
Dialoges, Austausches zwischen Repräsentanten der muslimischen Gemeinden und
jenen des deutschen Staates. Was jedoch oftmals bei solchen
Selbstbeschreibungen ausgeblendet wird, ist, dass die DIK vom deutschen Staat
konzipiert und geleitet wurde und als deshalb auch die Ziele, Agenda und
Parameter vom Staat diktiert wurden. Dies bleibt oftmals unbemerkt und ist
einer der Effekte der DIK: dies unterminiert ihre eigene Autorität.
„Aufgeklärte Muslime im aufgeklärten Land“
In diesem Sinne
machten Repräsentanten der DIK, auch wenn dieser als Dialog auf Augenhöhe
dargestellt wurde, eine Reihe von rassistischen Annahmen gegenüber Muslimen und
dem Islam deutlich. Am Vorabend der Einrichtung der DIK erklärte ihr Gründer,
der ehemalige Innenminister Wolfgang Schäuble, in einem Interview mit der Süddeutschen
Zeitung
, „Wir wollen aufgeklärte Muslime in unserem aufgeklärten Land.“
Durch das Narrativ der Aufklärung zeichnet Schäuble eine zeitliche
Unterscheidung und Grenze zwischen Muslimen und Deutschen, wodurch er
unterschiedliche historische Werdegänge suggeriert: Der eine ist
fortschrittlicher als der andere.
Der Reiz der
Aufklärung besteht in einem Wir-Sie-Narrativ und hat den Effekt, diskursiv eine
Repräsentation von zwei in sich geschlossenen Gruppen anzubringen. Auf der
einen Seite die, aufgeklärten Deutschen, auf der anderen Seite die umnachteten
Muslimen. Hierbei wird vergessen, dass laut DIK die Hälfte der muslimischen
Bevölkerung die deutsche Staatsangehörige besitzt. Somit gibt Schäubles Rede
einen der internen Widersprüche der Aufklärung wieder, und zwar die
intellektuelle „Überlegenheit“ der Europäer über diejenigen, die als
Nicht-Europäer erachtet werden und somit einen „unterlegenen“ Status aufweisen.
Rassistischer Historismus
In diesem Sinne ist
der strategische Einsatz der Aufklärung durch Schäuble ein Mittel, um einen
historischen und zeitlichen Unterschied zwischen Deutschen und Muslimen zu
zeichnen – ein typisches Beispiel für rassistischen Historismus. Laut David T.
Goldberg ist Rassistischer Historismus eine Vorgehensweise, bei der Geschichte
und historische Entwicklungen ausgespielt werden, um Unterschiede zwischen
Menschen und Hierarchien zu konstruieren. Rassistischer Historismus bringt
deshalb ethnisierte Subjekte hervor, indem auf historische Argumente zu
Entwicklung und Fortschritt zurückgegriffen wird.
An anderer Stelle
habe ich bereits untersucht und detailliert dokumentiert, wie die Architektur
der DIK arbeitet. Sie folgt im Allgemeinen der Begründung Schäubles, dem Bedarf
Muslime mittels pädagogischer und integrativer Mittel in die deutsche Moderne
zu bringen.
Kulturen bilden geschlossene Einheiten
Ein weiterer
entscheidender und mit dem „historischen Mangel der Muslime“ verbundener Aspekt
der DIK bezieht sich auf ihre Selbstdarstellung. Demnach sei sie eine Reaktion
auf die Probleme, die Muslime in Deutschland darstellen. An dieser Stelle ist
es wichtig zu betonen, dass die DIK in einem Rahmen in Erscheinung trat, in dem
die Präsenz der Muslime in Deutschland auf verschiedenen diskursiven Arenen
stark problematisiert wurde. Vom Tragen des Kopftuches von Lehrkräften in
Schulen und als Symbol der Unterdrückung, den Bau von Moscheen auf deutschem
Boden, die Existenz von islamischen Hasspredigern als Faktoren der sozialen
Polarisierung, die hohe Geburtenrate der muslimischen Gemeinde, den Anstieg von
Extremismus und Radikalisierung, die Entwicklung von „Parallelgesellschaften“,
mangelnde Sprachkenntnisse der deutschen Sprache, das Problem der politischen
Mitgliedschaft und Loyalität – die Liste ist lang. Muslime werden aufgrund
ihrer Ethnie und ihres Daseins als Problem aufgefasst, dessen letztendliche
Begründung in der Verwehrung ihrer Einbürgerung liegt.
Zum Beispiel ruft der
Zwischenbericht der DIK von 2008 zur Stärkung der Integration von Muslimen auf,
da in den vergangenen Jahren Deutschland „Schwierigkeiten in Bezug auf das
Zusammenleben von Menschen aus unterschiedlichen Kulturen“ erlebte. Diese Art
von Aussagen deuten jedoch drauf hin, dass Kulturen in sich geschlossene
Einheiten bilden, deren Kontakt oder Fehlen soziale Konflikte hervorbringt, die
wiederum durch staatliche Eingriffe auf muslimische Subjekte gemildert werden
müssen. Aber wie auch schon Edward W. Said in seinem Werk Covering
Islam
 prägnant formulierte: „Mit ein klein wenig Empathie ist es nicht
schwer nachzuvollziehen, dass sich ein Muslim eventuell unwohl von dem
unnachgiebigen beharren darauf – auch wenn dies im Rahmen einer Debatte
geschieht – dass sein oder ihr Glaube, die Kultur und das Volk als
Gefahrenquelle betrachtet werden und dass sie oder er  entschlossen mit
Terrorismus, Gewalt und „Fundamentalismus“ in Verbindung gebracht wird.“