General

Shirley Graham, die standhafte Ehefrau von W.E.B. Du Bois


Von Libby Coleman, OZY, 24. August 2016. Deutsche Übersetzung von Milena
Rampoldi, ProMosaik. 

Rev. David Graham befürchtete, dass ein Pöbel kommen
würde, um seine Kirche niederzubrennen. Das Gemeindetreffen, das er organisiert
hatte, um gegen die Tötung eines jungen Schwarzen durch einen Polizisten zu protestieren,
hatte für Aufruhr gesorgt. So stand Graham mit einer geladenen Pistole und
einer Bibel vor seiner Gemeinde, forderte Frauen und Kindern auf, aus der
Schusslinie zu treten und bereitete sich, gemeinsam mit 21 bewaffneten Männern,
auf den Kampf vor. 

Am Ende brachte das
Ganze nichts, aber die kleine Tochter des Reverends, die damals um die sechs
Jahre alt war, wurde von dieser Szene für immer geprägt. Und dies war auch für
viele andere im Süden der USA um die letzte Jahrhundertwende der Fall. Sie
opferte als Autorin und Aktivistin ihr Leben dem Kampf gegen den Rassismus und
die Unterdrückung. Im Gegensatz zu den Beiträgen ihres zweiten Ehemanns, des
berühmten Bürgerrechtsaktivisten W.E.B. Du Bois, gerieten die von Graham Du
Bois größtenteils in Vergessenheit. Aber der Historiker des Sarah Lawrence
College, Komozi Woodard, besteht darauf, dass sie ein „wahres Hammerpaar“ waren
und Graham Du Bois in vielfacher Hinsicht Du Bois ähnlich sah.
Die 1896 in Indiana
geborene Graham erreichte für eine Frau ihrer Zeit ein seltenes Niveau. Das war
schon lange vor ihrer Eheschließung mit Du Bois, dem Verfasser von The Souls
of Black Folk 
und dem Gründer des Panafrikanismus, der Fall. 1932
komponierte sie Tom-Tom, die erste vollkommen schwarze Oper,
die professionell in den USA vor ungefähr 25.000 Zuschauern aufgeführt wurde.
Sie verfasste auch biographische Texte über schwarze historische Persönlichkeiten, wie über den Erfinder George
Washington Carver und die Dichterin Phillis Wheatley. All dies gelang ihr als
geschiedene Frau und alleinerziehende Mutter von zwei Söhnen. In den 1940er Jahren,
als sich die NAACP-Mitgliedschaft verzehnfachte, arbeitete die Powerfrau
unermüdlich als Assistentin des Gebietsleiters in New York City.
Du Bois war Anfang
80, als er und Graham 1951 heirateten. Sie übte einen wesentlichen Einfluss auf
seine späte Karriere aus. „Du Bois hätte diese wichtige Phase seines Lebens
ohne die Partnerschaft mit Shirley nie durchlebt“, so Woodard. Vor ihrer
Eheschließung befand sich Du Bois in einem Wortgefecht mit den Kommunisten,
meint Gerald Horne, ein Historiker der Universität Houston, aber er veränderte
sich sehr schnell, als er mit der Logik seiner Frau in Kontakt trat. Während
ältere Aktivisten nur gegen die Rassendiskriminierung kämpften, widersprachen
„junge Löwen wie Shirley diesen Ideen und schlossen auch wirtschaftliche
Begründungen in ihren Diskurs ein“ und unterstützten die Kommunistische Partei,
fügt Woodard hinzu.
Als Du Bois während
der Red Scare als verdächtiger Kommunist angeklagt wurde, durchquerte Graham Du Bois die
Nation, um Konferenzen zur Verteidigung ihres Ehemannes zu halten. Sie
schwenkte keine Pistole und auch keine Bibel, sondern beeinflusste die Zuhörer.
Am Ende wurde Du Bois rehabilitiert. Im Jahre 1961 verließ das Ehepaar aufgrund
der antikommunistischen Welle und des Extremismus gegen die Schwarzen die USA
und zog nach Ghana. Dieser Schachzug stammte auch von Graham Du Bois, die auch
dazu gezwungen wurde, ihren Job als Gründungsredakteurin der schwarzen
Zeitschrift Freedomways aufzugeben.
W.E.B. Du Bois verstarb
im Jahre 1963. Die viel jüngere Graham Du Bois setzte sich auch nach seinem
Tode für die radikalen Kämpfe ein. Sie gründete Ghana Television, traf sich mit
chinesischen Regierungsbeamten und stellte Malcolm X dem ghanesischen
Präsidenten Kwame Nkrumah vor. Sie umarmte Malcolm X wie einen „Sohn“ und war
„förderlich“ für seinen Erfolg, so Woodard, indem sie ihm Unterstützung und
Kontakte anbot. In ihrer Zeit mag sie auch eine kontroverse Persönlichkeit
gewesen sein, aber es ist verwunderlich, dass Graham Du Bois nie besser in die
Geschichtsbücher einging. Vielleicht weil sie für den einen oder anderen zu
„traditionalistisch“ war, meint Horne, der von ihr als „Mutter“ der schwarzen
Aktivisten wie Malcolm X spricht. Vielleicht verwendete sie auch eine zu sehr von
geschlechterspezifischen Stereotypen unterwanderte Sprache. Außerdem
überschattete W.E.B. seine Frau an Berühmtheit und Bekanntschaftsgrad. „Die
wirtschaftliche Sicherheit, die sie durch die Eheschließung mit Du Bois
erlangte, verlieh ihrem Leben zwar eine gewisse Stabilität“, bemerkt Woodard, verminderte
aber vielleicht auch ihr Erbe.
Als Malcolm X 1965 ermordet
wurde, hielt Graham Du Bois eine Rede im ghanesischen Radio mit dem Titel „Das
ist der Anfang, nicht das Ende“, um sein Erbe zu formen. Sie sprach von Malcolm
X als vom „berühmtesten und wirkungsvollsten Führer der Afroamerikaner dieses
Jahrhunderts“, ein Standpunkt, der zu jener Zeit nicht allgemein geteilt wurde.
Graham Du Bois verstarb
1977 in China. Dieses Ereignis schien nicht einmal eine Totenanzeige in der New
York Time
zu verdienen. Und dies wiederum im Gegensatz zu ihrem späteren
Ehemann. Und es gab anlässlich ihres Todes auch keine Rede im Radio, um ihre
Erfolge zu preisen. Denn letzten Endes sind die meisten historischen
Persönlichkeiten, die als die bahnbrechendsten schwarzen Aktivisten und
Künstler verehrt werden, Männer. Aber wir wissen alle genau, dass diese nur die
halbe Geschichte ist. 
 Shirley mit Malcolm X. in Accra im Jahre 1964
 Mao Zedong begrüßt W. E. B. Du Bois und Shirley Graham
Du Bois, 1959. W. E. B. Du Bois Papers (MS 312). Sonderkollektionen und
Universitätsarchive, Universität Massachusetts Bibliothek Amherst 
 
Jubiläum der Volksrepublik in Peking, am 1. Oktober
1962. Von links nach rechts: Chen Yi, Shirley Graham, W. E. B., Deng Xiaoping,
Chou Enlai, Mao Zedong.
Kwame Nkrumah begleitet Shirley Graham Du Bois zum
Staatsbegräbnis von WEB Du Bois in Ghana, August 1963

Von links nach rechts: Stokely Carmichael/Kwame Ture, Kwame Nkrumah und
Shirley in Conakry, Guinea, im Jahre 1967.
 Nkrumah lebte im Exil 
in
Guinea
nach dem
CIA-angeführten Militär- und Polizeiputsch in Ghana am 24. Februar 1966.