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Bremer Appell zum 1. September 2016: Nein zu Säbelrasseln und forcierter Aufrüstung! Für eine neue Entspannungspolitik in Europa

von Bremer Friedensforum, 31. August 2016. Europa steht an der Schwelle zu einem neuen
Rüstungswettlauf und dem Wiederaufleben riskanter militärischer
Machtdemonstrationen. 
 
Die NATO interpretiert den Ukraine-Konflikt und die
völkerrechtswidrige Annexion der Krim als Ausdruck eines wiedererwachten
russischen Vormachtstrebens. Sie hat den Aufbau einer Schnellen Eingreiftruppe
und die Stationierung Tausender Soldaten in Polen, Estland, Lettland und
Litauen beschlossen, um den besonderen Ängsten dieser Länder vor Russland
militärisch Rechnung zu tragen. Parallel dazu werden die Mitgliedstaaten des
Bündnisses gedrängt, ihre Verteidigungsetats drastisch zu steigern: bis
spätestens 2024 soll der Anteil der Militär- und Rüstungsausgaben mindestens 2
Prozent des Bruttoinlandsproduktes betragen.


 Russland interpretiert das Näherrücken von NATO-Truppen
und die geplante Steigerung der westlichen Militärausgaben seinerseits als neue
Qualität der Bedrohung durch die USA und ihre Verbündeten. Wie es um das
russische Befinden bestellt ist, zeigen nicht zuletzt die Äußerungen von
Michail Gorbatschow, der wie kaum ein anderer zur Überwindung des alten
Ost-West-Konfliktes beigetragen hat und der nicht im Verdacht steht, ein
Parteigänger der jetzigen Regierung Russlands zu sein: Von einem Kalten Krieg –
so seine harsche Kritik – gehe die Nato über zu den Vorbereitungen für einen
heißen Krieg.
Es bedarf daher wenig Phantasie, um die weitere Dynamik
des Konfliktes vorauszusagen. Russland wird seinerseits seine grenznahen
Truppen zu den baltischen Staaten, Polen und der Ukraine vergrößern und
angesichts des weitaus größeren westlichen Militärbündnisses vor allem sein
nukleares Arsenal verstärken. Im Gegenzug wird dann innerhalb der NATO der Ruf
laut werden, noch mehr Soldaten und Waffen nach Polen, Litauen, Lettland und Estland
zu verlegen, noch mehr Geld in die Anschaffung neuer Waffensysteme zu
investieren und obendrein auch das eigene atomare Abschreckungspotential noch
umfangreicher zu modernisieren.
Für Europa wäre diese neuerliche Aufrüstungsspirale in
doppelter Weise selbstgefährdend:
Mit der weiteren Aufstockung grenznaher Truppen würde das
Risiko lokaler Muskelspiele und nervöser Fehldeutungen der gegnerischen Manöver
steigen. Der vermeintliche „Stolperdraht“ gegen den jeweils anderen birgt daher
die fatale Gefahr, zum Auslöser militärischer Kettenreaktionen zu werden, die –
wie so oft – „niemand wollte“. Angesichts der nach wie vor riesigen
Atomwaffenarsenale und der nicht schützbaren zivilen Atomkraftwerke wäre das
eine tödliche Bedrohung für das Leben auf dem gesamten Kontinent.
Die forcierte Aufrüstung würde zudem immense Geldsummen
verschlingen. Allein bei den europäischen NATO-Staaten müssten die
Militärausgaben um rund 50 Prozent steigen, um in 2024 eine Rüstungsquote von
zwei Prozent des BIP zu erreichen. In Deutschland, aber auch in Italien,
Spanien oder Portugal müssten sich die Militäretats sogar nahezu verdoppeln, um
die geforderten Steigerungen zu erreichen. Eine derart riesige Umschichtung von
Haushaltsmitteln würde – gerade im Umfeld der ansonsten betriebenen Spar- und
Austeritätspolitik – zwangsläufig zu Lasten der Sozialetats und der ohnehin
schon unzureichenden Investitionen in Bildung, Infrastruktur und Klimaschutz
gehen. In einem Europa, das seine tiefgreifenden wirtschaftlichen und
ökologischen Probleme nicht gelöst hat, das durch wachsende soziale Spaltungen
geprägt wird und in dem die sozial Abgehängten zunehmend einem gefährlichen
Populismus auf den Leim gehen – in einem solchen Umfeld wären die
hundertmilliardenschweren Zusatzbelastungen durch das Militär daher absehbar
ein Brandbeschleuniger für alle schwelenden gesellschaftspolitischen Probleme.
Wir fordern deshalb die Bundesregierung, aber auch alle
gegenwärtigen und künftigen Mitglieder des Bundestages auf, diesen gefährlichen
Weg nicht zu gehen.
– Sagen Sie NEIN zu einer weiteren Aufstockung von
NATO-Truppen an den Grenzen zu Russland
– Sagen Sie NEIN zu einer überproportionalen Steigerung
des Militär- und Rüstungsetats
– Setzen Sie sich stattdessen mit Nachdruck ein für den
politischen Dialog und eine neue Entspannungspolitik im Verhältnis zu Russland.
Denn Europa braucht Frieden und Abrüstung für die Lösung
seiner Probleme. Und von Europa muss Frieden ausgehen!
Sascha Karolin Aulepp
Landesvorsitzende der SPD Bremen
Annette Düring
Vorsitzende des DGB Bremen
Libuse Cerna
Vorsitzende des Bremer Rats für Integration
Rudolf Hickel
Doris Hülsmeier
Ekkehard Lentz
Sprecher des Bremer Friedensforums