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Yair Lapids destruktive Konspiration für das Schweigen über Israel

von Gideon Levy, Der Semit, 12. Juli 2016.
Alle Israelis, die das Schweigen über die Besatzung brechen und über andere Verbrechen, tun ihre patriotische, menschliche und moralische Pflicht. Deshalb hat der Vorsitzende der Partei Yesh Atid so große Angst vor ihnen. Die Diskussion über die Besatzung kann nur im Ausland geführt werden. Eine solche Debatte erfordert die Existenz einer freien demokratischen Gesellschaft, deren Bevölkerung weiß, was vor sich geht. Die Debatte kann demnach nicht in Israel geführt werden, so wie eine Diskussion über die Yeziden im Irak oder eine Diskussion über Gay People oder Journalisten in Russland nicht möglich ist. Unter dem israelischen Regime leben zwei Gesellschaften, die nicht in der Lage sind eine Diskussion über die Besatzung zu führen. Es gibt die jüdische Gesellschaft, die in Verleugnung und Repression lebt, die nichts weiß und nichts wissen will; und die palästinensische Gesellschaft, die alles weiß, aber keine Rechte hat. 
 In einer Situation, in der die eine Gesellschaft die Macht zur Beeinflussung hat, aber die Realität nicht anerkennt, während die andere Bescheid weiß, aber nicht nach ihrer Meinung gefragt wird, ist es unerläßlich die Diskussion hinaus zu bringen und so dafür zu sorgen, dass die Welt weiß, wie die israelische Besatzung aussieht und ihre Verbrechen bekannt werden. Das ist der Weg sie zu beenden. Das Argument, dass das eine undemokratische Maßnahme ist, ist eines der unverschämtesten und scheinheiligsten Statements, die jemals in Israel gemacht wurden. Es besagt, die Besatzung sei demokratisch und die Welt über ihre Verbrechen zu informieren sei anti-demokratisch. Da gibt es keine Grenze für die Scheinheiligkeit und Unverschämtheit.
Yair Lapid, der Führer der Partei Yesh Atid, möchte auch, dass die Angelegenheiten zu Hause geregelt werden, so wie sie es am Gerichtshof für die chassidische Konversion machen oder früher mit den Kibbuzim gemacht haben oder den Familien, die in Verbrechen (verwickelt sind). Wenn wir nicht darüber sprechen, wer soll etwas darüber wissen? Und wenn niemand etwas weiß, wie soll es jemals ein Ende finden? Breaking the Silence sei nicht daran interessiert, die israelische Gesellschaft von innen her zu beeinflussen, sondern ziehe es vor uns im Ausland zu verleumden, hat Lapid auf Facebook geschrieben, später hat er einen unbedeutenden Teil davon zurückgezogen. Für ihn ist die englische Ausgabe von Ha‘aretz ein Partner für das Verbrechen der Verleumdung. Yair McCarthy führt einen ganz offenen Krieg gegen die englische Ausgabe; er bringt sogar den Ehepartner des nächsten Herausgebers der englischen Ausgabe ins Spiel. Die Aktivisten von Breaking the Silence hielten bei einer Rally gegen Aufhetzung im Dezember 2015 in Tel Aviv Schilder, die besagten, „so sieht die Besatzung aus“. (Quelle: Moti Milrod).
 Breaking the Silence hat die Pflicht allen zu erzählen, und Ha‘aretz hat die Pflicht allen zu berichten. Die Soldaten und Veteranen von Breaking the Silencehaben die Pflicht es allen zu erzählen, und Ha‘aretz hat die Pflicht es allen zu berichten, in Israel und vor allem der ganzen Welt. Von den Verbrechen der Besatzung muss überall berichtet werden. Die Dinge können nicht zu Hause geregelt werden, denn zu Hause gibt es eine Gehirnwäsche, ein System der Reinigung der Verbrechen, das einen neuen Hochstand erreicht hat – es gibt nicht nur keinerlei Verbrechen, es gibt auch keine Besatzung. Du kannst mit Leuten, die von der Realität abgeschnitten sind, keine Diskussion führen, und die Realität ist, dass die Verbrechen der Besatzung schrecklich sind und immer schlimmer werden. Der Welt muss von jeder Exekution berichtet werden, von der Apartheid bei der Wasserverteilung, die zum Himmel schreit. Es muss über die Massenverhaftungen berichtet werden – 4.800 Menschen sind in der derzeitigen Welle der Gewalt verhaftet worden, 1.400 von ihnen waren Kinder. In der 2. Intifada waren 80.000 Palästinenser inhaftiert, und 24.000 Order wurden ausgestellt, um zehntausende Menschen ohne Gerichtsverfahren einzusperren. Der Welt nichts davon berichten? Wem können wir berichten? Den Israelis, die jeden Palästinenser als Terroristen sehen und jeden Terroristen als jemanden, der sterben muss? Der Welt nicht berichten, dass seit Beginn der Besatzung fast eine Million Palästinenser von Israel inhaftiert worden ist? Nicht berichten, dass 60 palästinensische Parlamentarier (Gesetzgeber) inhaftiert worden sind, in einem Land, das angeblich nicht aus politischen Gründen inhaftiert? Und es ist ein Land, in dem jede Nacht Menschen aus ihrem Bett geholt und entführt werden, ohne Gerichtsanordnung und manchmal ohne jeden Grund. Wenn wir also über all das nicht sprechen, wer soll es wissen? Und wenn es niemand weiß, wie soll es ein Ende finden?
 Die Invasion Russlands in der Ukraine war keine innere russische Angelegenheit, auch nicht die Apartheid in Südafrika, deren Gegner durch die Welt reisten, um über ihre Verbrechen zu berichten. Information zu verbreiten ist der einzige Weg die internationale Gemeinschaft zu einzubeziehen, was manchmal die einzige Rettung ist. Alle, die in Israel das Schweigen brechen, tun ihre patriotische, menschliche und moralische Pflicht. Lapid weiss, dass Breaking the Silence und Ha‘aretz nur existieren, um die Wahrheit zu berichten. Die Lapids wissen, dass diese Berichte wahr sind; deswegen fürchten sie sie so sehr und bekämpfen sie so heftig. Aber wenigstens ist etwas Bescheidenes erreicht worden. Das bloße Wissen, dass den Lapids etwas unter den Füßen brennt, oder sollen wir sagen, über ihren Köpfen brennt, gibt Anlass zu ein wenig Hoffnung.
Original erschienen hier.
Übersetzung ins Deutsche: K. Neubauer.