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USA: von Dallas bis Baton Rouge, eröffnen junge Schwarze eine Heimatfront und versetzen dabei Gutmenschen in Panik

von Fausto Giudice, Tlaxcala, 18.07.2016.

Fausto Giudice Фаусто Джудиче فاوستو جيوديشي 
Übersetzt von  Milena Rampoldi ميلينا رامبولدي میلنا رامپلدی Милена Рампольди

Drei yankee-englische Worte fallen einem so ein, wenn man die kürzlichen „Zwischenfâlle“, das Abknallen von Polizisten durch junge Schwarze, zuerst in Dallas und dann in Baton Rouge, die die USA von oben erschüttert haben und tugendhafte „einstimmige Verurteilungen“ seitens der meisten schwarzen  Stars verursachten: BacklashBack-fire bzw. Blowback. Gegenreaktion, Fehlzündung, Rückstoß.  Muss man sich denn wundern, wenn Jungs, denen man die Kunst beigebracht hat, Feinde in der Ferne zu töten, dann die Waffen gegen die “Blauen” richten, die vollkommen straffrei Schwarze abknallen?
In beiden Fällen waren die Täter dieser Repressalien gegen die negriziden Bullen, die nie vor Gericht kommen werden, weil man sie direkt hingerichtet hat, Veteranen. Der Schütze von Dallas war ein Veteran aus Afghanistan, der von Baton-Rouge ein Veteran aus dem Irak. Kriegsveteranen, d.h. Menschen, die gelernt hatten, schnell, viel und gut zu töten. Und genau das haben sie getan, als gute Schützen. Versuchen wir uns doch mal in ihre Lage zu versetzen.
Du bist ein junger Schwarzer zwischen 18 und 19. Du bist in einem vertikalen oder horizontalen Ghetto aufgewachsen, mit Deinen Geschwistern vom selben oder auch von verschiedenen Vätern, die aber im Allgemeinen abwesend waren, um Deine alleinerziehende Mutter, die versucht hat, Euch mit Gelegenheitsjobs und immer weniger Sozialgeld durchzubringen. Du bist Studienabbrecher. Als Du zwischen 15 und 16 warst, hast Du ein bisschen Gras verkauft, aber Du wolltest nicht ins Heroin- oder Crackgeschäft einsteigen. Somit blieb Dir nur noch ein Weg offen: Dich bei der Armee engagieren! Die Landtruppen oder die Navy öffnen dir die Arme! Der Traum besteht natürlich darin, bei den Marines oder den Panzerdivisionen zu dienen. Auf die Luftwaffe musst Du leider verzichten, denn dafür fehlt Dir wohl das Niveau. Aber Du begnügst sich damit, Infanterist zu werden. Im schlimmsten Falle kannst Du immer noch zur Nationalgarde, eine Art innere  Armee zweiter Klasse. Nach einer Dienstzeit von 5 Jahren verspricht Dir die Armee noch, Deine Hochschulgebühren zu übernehmen. Wenn das nicht verlockend ist…
Nach dem Dienstantritt wirst Du dann mit einer Realität konfrontiert, die alles andere als idyllisch ist. In Jahr im Irak oder in Afghanistan reichen schon, um Dich lebenslang aus der Bahn zu bringen.
Nach 5 Jahren oder auch viel früher, wenn die Armee Dich aus dem Dienst entlassen hat, kehrst Du ins zivile Leben zurück, mit Deinen körperlichen bzw. psychischen Leiden und Deinem posttraumatischen Belastungssyndrom. Du kehrst ins Ghetto zurück. Du hast gelernt, den Schützen zu spielen, Granaten zu werfen und alle Arten von Kriegswaffen zu bedienen. Kurzum: Du bist bereit, aus der Entfernung zu töten. Und die Armee hat ihr Versprechen nicht gehalten. Keine subventionierte Hochschule für Dich, unter schwer verständlichen und fadenscheinigen Vorwänden.
Zurück ins zivile Leben hältst Du Dich mit kleinen Jobs über Wasser, gehst zu einer Therapie, die gar nichts bringt, guckst wie alle anderen Fernsehen, besuchst die sozialen Netzwerken, unterhältst Dich mit Deinen Bekannten im Viertel, falls sie noch am Leben bzw. in Freiheit sind. Und das ganze Jahr hört man nur noch dieselbe Nachricht: ein junger Schwarzer wurde von den Bullen abgeknallt, ein schwarzes Kind wurde von den Bullen kaltgemacht, ein schwarzer Mann im mittleren Alter wurde von den Bullen erschossen, eine schwarze Frau wurde von den Bullen getötet. Es ist eine fortlaufende Litanei, und anscheinend ist auch kein Ende in Sicht. Du nimmst an einer oder zwei Demos teil. Aber Du bist enttäuscht von diesen Jugendlichen, die nur mit ihren iPhones rumspielen, Selfies machen und nicht wirklich den Eindruck machen, als könnten sie dieses Massaker aufhalten.
Nachdem Du eines Nachts vom x-ten Abschuss eines Schwarzen gehört und den Fall live verfolgt hast, triffst Du Deine Entscheidung. Du wirst zur Tat schreiten. Du machst  zwei guten Kumpels aus der Nachbarschaft, die mit Dir im Irak oder Afghanistan gedient haben, den Vorschlag, sich mit dir zusammenzutun. Und falls sie auch nicht bereit sind, mitzumachen, werden sie auf jeden Fall ihre Klappe halten und Dich nicht verraten. Du brauchst Dich nur richtig ausstatten und Deine Operation planen. Die Waffen sind kein Problem. Denn Du kennst alle Waffenhändler des Viertels. Du brauchst nur zu bestellen und einen Freundschaftspreis zu verhandeln. Auch die Planung ist kein Problem, denn diese hast Du bei der Armee gelernt: die Auswahl der Ziele, den Angriffswinkel, die Stellung, die Fluchtwege, die Abzugspunkte und einen Plan B. Du musst Dich die Orte ansehen, an denen Du zuschlagen möchtest und die Zeitrahmen gut berechnen. Kurzum: Du musst alles professionell durchziehen. Somit nutzt das Gelernte für etwas Nützliches: Du wirst den Bullen, die Schwarze abknallen, eine klare und unverblümte Botschaft übermitteln: aus mit der Straffreiheit!
Alle diese Vorbereitungen nehmen ungefähr 10 Tage in Anspruch. Am Ende kommt der große Abend. Du schreitest zur Tat. Das Ganze läuft aber nicht so ganz nach Plan. Und am Ende belagern Dich die Bullen, wenige Stunden nach Beginn der Operation, und schicken Dir einen Roboter, der die Bombe hochgehen lässt, die Dich umbringt. Vor Deinem Tod sagst Du Dir, dass es mit Sicherheit was gebracht hat und dass es Deine Nachfolger besser machen werden. Denn durchs Schmieden wird man zum Schmied, und durchs Kämpfen zum Kämpfer. Und Du verlässt das Leben in der Hoffnung, dass man sich bis in alle Ewigkeit an Dich erinnern wird.
Lasst uns die Namen dieser Märtyrer in den Stein unseres Gedächtnisses meißeln. Denn Sie haben ihr Leben gegeben, um das Recht auf Leben einzufordern.
Micah 1

Micah Xavier Johnson, 25, aus Mesquite (Texas), ehemaliger Soldat in Afghanistan, am 7. Juli 2016 in Dallas im Kampf gefallen
Gavin Long

Gavin Eugene Long, 29, aus Kansas City (Missouri), nun Cosmo Ausar Setepenra, von der souveränen Nationen der Washitaw von Dugdahmoundyah, ehemaliger Marinesoldat im Irak, am 17. Juli 2016 in Baton Rouge, Louisiana, im Kampf gefallen
PS: Die Details, die nach der Niederschrift dieses Artikels, in den USA über die Lebensgeschichte von Gavin Long erschienen, zeigen, dass er nicht aus einem besonders benachteiligten sondern eher Middle  Class Milieu stammte, und zwei Jahre durch Afrika, von Äthiopien bis nach Burkina Faso, gereist war, um nach seinen Roots zu suchen. Dies ändert aber nicht die Grundlage des typischen Werdegangs, den ich versucht habe zu ergründen. Die Tatsache ist, dass die Subculture des Ghettos in den USA einen hegemonischen Einfluss auf den Großteil der Jugend, nicht nur die Schwarze, ausübt. Man könnte sie somit in der Yankee-Sprache Superculture oder Supraculture nennen.