General

Es wird wegen pro-palästinensischer Kommentare gegen eine kanadische Lehrerin ermittelt


Von Jillian D‘Amours, Middle East Eye, 14. Juli 2016, deutsche Übersetzung von Milena Rampoldi, ProMosaik.
 Den Unterstellungen der
pro-israelischen Gruppe zufolge hätte Shoufani zur „Gewalt  gegen Israel“ aufgerufen, als sie sagte, die
Palästinenser hätten das Recht auf Widerstand gegen die Besatzung.

Die Lehrerin Nadia Shoufani spricht bei
der Demo in Toronto anlässlich des al-Quds-Tages (YouTube/MEE screengrab)
 Ein Schulamt von Toronto und die Polizei der Stadt Toronto ermitteln gegen eine Grundschullehrerin, nachdem pro-israelische
Lobbygruppen sich über die Kommentare beschwert haben, die sie während einer
Solidaritätsdemo mit den Palästinensern gemacht hatte.
Die Lehrerin Nadia Shoufani hielt
eine Ansprache bei einer Demo im Zentrum von Toronto am 2. Juli anlässlich des
al-Quds-Tages, einer jährlichen Veranstaltung, die weltweit gehalten wird, um
die Rechte der Palästinenser zu unterstützen und gegen die israelische
Besatzung der palästinensischen Gebiete zu protestieren.
„Schweigen in Situationen der
Unterdrückung und der Ungerechtigkeiten ist ein Verbrechen gegen die
Menschlichkeit“, meinte Shoufani in ihrer Rede bei der Demo, in der sie die
israelische Besatzung und die israelische Politik der Häuserdemolierung, des
Landraubs und der Verhaftungen der Palästinenser verurteilte.
Shoufani zitierte den
palästinensischen Schriftsteller Ghassan Kanafani, eine wichtige Persönlichkeit
in der linken Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP), der 1972 in
Beirut von israelischen Mossadagenten durch eine Autobombe ermordet wurde.
„Wir sagen nein, nein, nein gegen
die Besatzung. Wir sind hier, um der Welt zu sagen, dass die Palästinenser
nicht alleine sind“, meinte Shoufani.

Die Involvierung der pro-israelischen Lobby
Auf ihrer Webseite warf die
pro-israelischen Gruppe Bnai Brith Canada Shoufani vor, in ihrer Ansprache die
„Terroristen zu verherrlichen“.
„Wir machen uns große Sorgen,
dass eine Person, die den Terrorismus offen unterstützt und die terroristischen
Gruppen lobt, die kanadische Jugend erzieht“, meinte der Geschäftsführer der
Gruppe, Michael Mostyn, in einer Erklärung.
Die Gruppe warf ihr auch vor,
„zur Gewalt gegen die Israelis aufzurufen“, indem sie sagte, die Palästinenser
hätten das Recht, gegen die israelische Besatzung und ihre Politik Widerstand
zu leisten.
Das katholische Schulamt des
Bezirks von Dufferin-Peel teilte Middle East Eye mit, dass es gegen Shoufani
ermittelte, nachdem es von verschiedenen Quellen, worunter der Gruppe Bnai
Brith Canada und einer anderen pro-israelischen Gruppe, die der Friends of
Simon Wiesenthal Centre, auf ihre Ansprache aufmerksam gemacht worden war.
Shoufani unterrichtet in einer
Grundschule in Mississauga, einem großen Vorort von Toronto, teilte der
Sprecher des Schulamtes, Bruce Campbell, in einer E-Mail mit. „Wir ermitteln
aktiv in der Sache, auf die wir aufmerksam gemacht wurden“, so Campbell.
„Da wir eine umfassende
Ermittlung führen möchten, sind wir im Moment nicht in der Lage, uns auf eine
Frist festzulegen, innerhalb derer wir zu den Ergebnissen der Ermittlung
gelangen werden. Da es sich aber um eine ernste Angelegenheit handelt, werden
wir alles in unserer Macht stehende tun, um die Sache so schnell wie möglich
aufzuklären“, fügte er hinzu.
Die Polizei leitet die Ermittlungen ein
Tyler Levitan, Koordinator der
Kampagnen bei Independent Jewish Voices-Canada, einer Gruppe, die die Rechte
der Palästinenser unterstützt, meinte, dass Organisationen wie Bnai Brith
Canada und Canadian Friends of Simon Wiesenthal „Lockvögel für Israel“ sind.
„Frau Shoufani sprach
leidenschaftlich zu Gunsten des Rechts der Palästinenser, sich gegen eine
Besatzermacht zu verteidigen“, teilte Levitan MEE in einer E-Mail mit.
„Dem Völkerrecht zufolge steht
den Menschen, die unter militärischer Besatzung und einem kolonialistischen
System leben, das absolute Widerstandsrecht zu. Frau Shoufani sprach zu Gunsten
der Rechte eines besetzten und belagerten Volkes, sich einer unverschämt
gewalttätigen und kriminellen militärischen Besatzung seines Landes zu
widersetzen“.
In der Zwischenzeit teilte
Caroline de Kloet, eine Sprecherin der Polizei von Toronto MEE am Donnerstag
mit, dass am 6. Juli eine Anzeige bei der Polizei mit dem Betreff „Kommentare
bei einer Demo“ erstattet worden war.  
De Kloet meinte, sie dürfe nicht
mitteilen, auf welche spezifischen Kommentare sich die Anzeige bezog oder gegen
welche Person oder wie viele Personen ermittelt würde. Sie könne auch nicht
offenlegen, wer die Anzeige erstattet hatte.
„Ich darf Ihnen nicht sagen, wer
die Anzeige erstattet hat oder worauf sie sich bezog.  Ich darf Ihnen auch keine Details geben“,
meinte sie. „Es liegt aber ein Anzeigebericht vor, der untersucht wird.“
Shoufani konnte nicht direkt
erreicht werden, um sich dazu zu äußern.
Die Organisation abkühlen
Vor kurzem begannen die
pro-israelischen Lobbygruppen in Kanada verschiedene Kampagnen ins Leben zu
rufen, die auf Gruppen und Individuen abzielten, die die Rechte der
Palästinenser unterstützen.
Bnai Brith Canada reichte eine
parlamentarische Motion ein, die zu Beginn
dieses Jahres verabschiedet wurde, um de BDS-Bewegung zu verurteilen, die das
Ziel verfolgt, Israel gemäß dem Völkerrecht zur Verantwortung zu ziehen.
Im März warf das Centre for
Israel and Jewish Affairs dem kanadischen Juraprofessor Michael Lynk vor, eine
pro-palästinensische Haltung an den Tag zu legen und in eine
„anti-Befürwortung“ verwickelt zu sein. Die Anklagen folgten nach Lynks
Ernennung zum neuen Sonderberichterstatter für Menschenrechte in den besetzten palästinensischen
Gebieten.
Die pro-israelischen Gruppen
haben auch Kanada aufgefordert, die Mittelkürzungen der Agentur der Vereinten
Nationen UNRWA beizubehalten, die sich für die palästinensischen Flüchtlinge
einsetzt.
Sie üben auch Druck auf die
Grünen in Kanada aus, damit diese zwei Motionen ablehnen, die im Rahmen einer
Parteifonferenz im August auf der Tagesordnung stehen und die dem Jewish
National Fund seinen Status als gemeinnützige Organisation nehmen und die
BDS-Bewegung unterstützen möchten.
„Ich weiß aus Erfahrung, dass die
Bnai Brith Gruppe alles in ihrer Macht stehende tun wird, um die al-Quds Demo
zu verbieten“, meinte Ken Stone, der Schatzmeister der Hamilton Coalition to
Stop the War, auch Sprecher bei der al-Quds Demo in Toronto in diesem Jahr.
Stone teilte MEE mit, dass die
Bnai Brith Canada Gruppe die Kommentare während der Demo aus dem Kontext
gerissen und so verzerrt hatte, um diese jährliche Veranstaltung zu verbieten
und die kanadischen Unterstützer der palästinensischen Rechte zum Schweigen zu
bringen.
„Was sie versuchen ist… Menschen
wie Nadia Shoufani abzukühlen“, fügte er hinzu.
„[Und]  Menschen abzukühlen,
die die Versuchung haben, bei einer al-Quds Demo aufzustehen und ihre
Unterstützung für die palästinensische Frage zum Ausdruck bringen.“