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Die wahren, unsichtbaren Helden von Gaza: die Frauen

Foto Samar Abu Elouf
von Gerd von der Lippe, Tlaxcala, 08. Juli 2016, deutsche Übersetzung von Milena Rampoldi, ProMosaik.
Frauen und Kinder sind in Zeiten des Krieges und der Blockade besonders verletzlich.
Seit 2007 haben Israel und Ägypten eine Land-, Luft- und Seeblockade gegen den Gazastreifen verhängt.
Sie kontrollieren alle Grenzen und den Verkehr der Menschen und Güter, die in den Gazastreifen kommen und diesen verlassen dürfen. Wie gelingt es den Frauen auf diesem kleinen Flecken Erde, unter diesen fürchterlichen Bedingungen zu leben?
2015 waren mehr als 8% der Haushalte in Gaza von Frauen gefûhrt. Gemäß dem Büro für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) verloren allein infolge des israelischen Terrors von 2014 800 Frauen ihre Ehemänner. Fast 24.000 Mädchen und 23.000 Frauen sind wegen der Zerstörung oder Beschädigung ihrer Häuser während der kriegerischen Angriffe immer noch ausgesiedelt. Sie wurden gezwungen, kurzfristig irgendwo in Gastfamilien, Mietwohnungen, Zelten und Notunterkünften Unterschlupf zu finden. Einige leben in den Trümmern ihrer alten Häuser. Diese provisorischen Behausungen führen zu einer Reihe von Sicherheitsproblemen.
Den letzten Statistiken zufolge erhalten mehr als 70% der Haushalte nur 6-8 Stunden je paar Tage laufendes Wasser, während die gesamte Bevölkerung unter geplanten Stromausfällen von 12-14 Stunden pro Tag leidet, da die israelischen Bomben die Kraftwerke zerstört haben. Dieser Zerfall der Grunddienste hat der Mehrheit der Frauen und Mädchen die Möglichkeit genommen, Erwerbstätigkeiten nachzugehen oder Zeit für ihre eigenen Bedürfnisse zu haben. Dies ist auch auf die traditionelle Arbeitsteilung in der palästinensischen Gesellschaft zurückzuführen, in der Frauen und Mädchen die Hauptverantwortung für den Haushalt und seine Führung tragen, die jetzt einen größeren   Teil der Zeit in Anspruch nehmen.
Die Küche von Gaza gleicht den kulinarischen Stilen in den anderen Ländern des Nahen Ostens und ist sehr stark vom Mittelmeer beeinflusst. Gaza hatte eine bedeutende Fischereiindustrie. Für den Großteil der Bewohner gilt der Fisch auch als Grundnahrungsmittel. Die Frauen und Mädchen sind hochqualifiziert in der grundlegenden Vorbereitung des Fischs. Eines der gängigsten Gerichte war der gegrillte Fisch mit Koriander, Knoblauch, Chili, Kümmel und geschnittenen Zitronen. Das gehört nun der  Vergangenheit für die meisten der Menschen, da die israelische Marine seit 2014 die Fischer mehr als 300 Mal angegriffen hat. Im Laufe der letzten Jahre hat die israelische Marine 9 Fischer getötet und 422 von ihnen verhaftet. Dem Osloabkommen zufolge sollte die Grenze für die Fischerei 20 Seemeilen von der Küste liegen, aber die palästinensischen Fischer dürfen höchstens 3 Seemeilen von der Küste fischen, wo die Fische zu klein und unzureichend sind, um eine Familie zu ernähren.
Man geht davon aus, dass Bildung den Weg zu gut bezahlten Jobs ebnet, aber das gilt nicht, solange Gaza einer Blockade unterliegt und gebombt wird. Während die beiden Geschlechter die Schulen und Universitäten besuchen, haben die Jahre der unzureichenden Finanzierung das Bildungssystem in Gaza überfordert und beeinträchtigt. Fast 95% der Schulen arbeiten im Zweischichtenbetrieb, mit einer Klasse am Morgen und einer anderen am Nachmittag. Das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) hat eine Kampagne für ein gesundes Leben in den Schulen in Gaza ins Leben gerufen. Diese Kampagne verfolgt das Ziel, das Erziehungspersonal, die Schüler, die Flüchtlingsgemeinden und andere Gemeinschaften für die Förderung einer gesunden schulischen Umwelt zu sensibilisieren.
Der Großteil der erwerbstätigen Frauen ist in zwei Gewerbebereichen tätig. Dem palästinensischen Frauenbüro der Vereinten Nationen zufolge, arbeiten 76% der palästinensischen Frauen in Gaza im Dienstleistungssektor und nur 17,5% in der Landwirtschaft. Die Arbeitslosenrate ist bei Frauen die höchste. Sie betrifft 82,6% der Frauen zwischen 15-29 Jahren, 74% der ledigen Frauen, 63,6% der verheirateten Frauen gegen 37,4% der Männer (OCHA).
Viele ausgebildete Mütter sind mehr oder weniger alleine, weil sie in der lokalen Politik und in der Arbeitssuche tätig sind und sich auch um ihre Kinder kümmern müssen, während ihre Ehemänner dauernd von Israel verhaftet werden.
Einige Frauen versuchen sich ihre eigenen Jobs aufzubauen. Eine solche Initiative ist „6 Blumen“, die 2014 ins Leben gerufen wurde. Anstatt ihre Arbeiten zu verschenken, haben einige Frauen damit angefangen, traditionelle Stickereien aus Gaza zu verkaufen. Nach einer erfolgreichen Ausstellung haben sie einen Teil ihrer Arbeit nach Katar gesendet und haben Einnahmen erhalten. Aber als sie ihre Arbeiten in andere Länder senden wollten, hinderte Israel sie daran – eine weitere israelische Methode, um die Palästinenser verarmen zu lassen.
Die Frauen sind die wahren unsichtbaren Helden von Gaza.