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Bündnis mit Tradition

Von German Foreign Policy, 21. Juli 2016. Deutschland hat das faschistische Regime des spanischen Generals Franco, dessen Putsch sich diese Woche zum achtzigsten Mal jährte, nicht nur vor, sondern auch nach 1945 systematisch unterstützt. Während Berlin den Franco-Truppen schon im Spanischen Bürgerkrieg unter die Arme griff und etwa mit der Bombardierung der Stadt Guernica sogar militärisch auf ihrer Seite intervenierte, nahm die Bundesrepublik bereits 1952 die diplomatischen Beziehungen zu Madrid wieder auf. Zu diesem Zeitpunkt wurden bereits bundesdeutsch-spanische Rüstungsgeschäfte abgewickelt, die ihren Ursprung in Abmachungen aus dem Zweiten Weltkrieg hatten. Die in den 1950er Jahren gestartete Westintegration Spaniens wurde von Bonn umfänglich gefördert; Plädoyers hochrangiger Politiker, die Kooperation mit Madrid auszuweiten, wurden lediglich aus Furcht vor Gegenmaßnahmen der Westalliierten abgelehnt. Ende der 1950er Jahre preschte die Bundesregierung sogar mit dem Plädoyer für die Aufnahme des faschistischen Spanien in die EWG voran, konnte sich damit allerdings nicht durchsetzen. Noch Mitte der 1950er Jahre lobte der damalige Bundesjustizminister Francos Putsch als Beitrag zum “Kampf gegen den Kommunismus”.
Picasso: Guernica 
Der Spanische Bürgerkrieg
Das Regime von General Francisco Franco, der am 17. Juli 1936 seinen Putsch startete, ist auf vielfältige Weise vom NS-Reich unterstützt worden. Das faschistische Deutschland erkannte Francos Putschregierung am 18. November 1936 offiziell an.[1] Neben italienischen Truppen half auch die deutsche Wehrmacht Francos Soldaten im Spanischen Bürgerkrieg, während die Spanische Republik lediglich von Mexiko und der Sowjetunion Unterstützung erhielt. Berüchtigt ist unter anderem die Bombardierung der spanischen Stadt Guernica durch die deutsche “Legion Condor”.[2] Frankreich, Großbritannien und die USA verhielten sich im Spanischen Bürgerkrieg neutral. Nach drei Jahren endete der Bürgerkrieg; 1939 kontrollierten die Faschisten das ganze Land. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs wollte Franco dann als nächsten Schritt das spanische Kolonialreich in Nordafrika vergrößern; er erhob Anspruch auf ganz Marokko. Doch ließ sich Hitler mit der erfolgreichen Verteidigung Dakars, der Hauptstadt Französisch-Westafrikas, durch die Vichy-Truppen im September 1940 davon überzeugen, in Westafrika stärker auf die französischen Kollaborateure zu setzen.[3] Obwohl sich Spanien deshalb offiziell aus dem Zweiten Weltkrieg heraushielt, annektierte es die Stadt Tanger in Nordmarokko. Diese war bis dahin als “internationale Stadt” von mehreren Kolonialmächten gemeinsam kontrolliert worden.[4]
Erste Kontakte
Nach dem Zweiten Weltkrieg einigten sich die Vereinten Nationen 1946 darauf, dass Spanien eine parlamentarische Demokratie werden solle. Bis das geschehen sei, sollten alle UN-Mitgliedstaaten ihre Beziehungen zu Madrid abbrechen. Bis auf das UN-Mitglied Argentinien sowie die Nicht-Mitglieder Portugal, Schweiz und Vatikan hielten sich die international anerkannten Staaten daran. Die Vereinten Nationen hoben die Regelung jedoch bereits 1950 wieder auf.[5] Die gerade erst gegründete Bundesrepublik Deutschland hatte schon ab 1949 offizielle Kontakte zu Madrid angebahnt. 1952 nahm sie die diplomatischen Beziehungen zu Spanien auf.[6] Bedenken wegen des faschistischen Charakters des spanischen Regimes gab es damals in der Bonner Regierung nicht.
Alte Bestellungen
Die deutsch-spanische Rüstungskooperation hatte bereits vorher begonnen. Im April 1951 hatten die Bundesregierung und die Regierung des faschistischen Spanien ihr erstes Waffengeschäft vereinbart. Es betraf den erst zwei Monate später aufgestellten Bundesgrenzschutz (BGS, heute: Bundespolizei).[7] Die für den paramilitärisch ausgerüsteten BGS ausgewählte Selbstladepistole (Typ: Astra 600) hatten spanische Rüstungsunternehmen auf Betreiben des deutschen Heereswaffenamtes für die Wehrmacht gefertigt und bis Mai 1944 ausgeliefert. Danach schnitt die Befreiung Frankreichs durch die Westalliierten Nazideutschland von den Waffenfabriken auf der iberischen Halbinsel ab. Infolgedessen wurden die bereits bezahlten, aber noch nicht ausgelieferten Waffen zunächst in Spanien verwahrt. Ab 1951 erhielt dann der BGS die Astra-Pistolen und ab 1955 auch Granatwerfer sowie Wurfgranaten aus spanischer Produktion.[8]
Erste Schritte der Westintegration
Die westdeutsch-spanische Rüstungskooperation setzte sich auch in den nächsten Jahren fort, während gleichzeitig die Vereinigten Staaten die periphere Integration Spaniens in den westlich-kapitalistischen Block vorantrieben. Im Jahr 1953 schlossen die USA einen Vertrag mit Spanien ab, der das Land indirekt in die NATO einband.[9] Außerdem gab Washington seine Blockade der Aufnahme Spaniens in die UNO auf. Mexiko protestierte zwar vor den Vereinten Nationen gegen den spanischen UN-Beitritt, blieb aber der entscheidenden Abstimmung in der UN-Generalversammlung fern.[10] 1955 – es war das Jahr, in dem die Bundesrepublik der NATO beitrat – wurde Spanien offiziell in die UNO aufgenommen. Parallel zu der Rehabilitierung führender Nazi-Größen in Westdeutschland rückte Spanien politisch immer näher an den Westen heran. 1956 lobte der damalige Bundesjustizminister Hans-Joachim von Merkatz sogar Francos Putsch; er wird mit der Aussage zitiert, “Deutschland und Europa schuldeten Spanien Dank dafür, daß es im Jahre 1936 den Kampf gegen den Kommunismus aufgenommen und diesen siegreich zu Ende geführt habe”.[11]
“Zurückhaltung fallenlassen”
Mitte der 1950er Jahre wurden in Bonn entsprechend die Stimmen immer lauter, die forderten, die Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik und Spanien zu intensivieren. Im Juni 1955 plädierte Bundestags-Vizepräsident Richard Jaeger (CSU) dafür, “die bisher vielleicht berechtigte, nunmehr aber nicht mehr notwendige allzu starke Zurückhaltung gegenüber Spanien fallenzulassen und deutscherseits eine konstruktive Spanienpolitik zu beginnen”.[12] Bundeskanzler Konrad Adenauer stand diesem Vorhaben Berichten zufolge prinzipiell positiv gegenüber. Dass es nicht dazu kam, lag vor allem an taktischen Warnungen aus dem Auswärtigen Amt. In einem internen Papier des Ministeriums aus dem Jahr 1959 hieß es bezüglich einer möglichen Einladung des Kanzlers nach Spanien, es dürfe “sich mit Rücksicht auf unsere westlichen Verbündeten, bei denen Erinnerungen an das frühere enge Verhältnis zwischen dem Franco- und dem Hitlerregime wachgerufen werden könnten, empfehlen, die Durchführung der Einladung nach Spanien … nicht zu übereilen.” Das Auswärtige Amt riet dazu, nicht den ersten Schritt zu tun: “Da bisher kein anderer Regierungschef eines größeren westlichen Landes Spanien nach dem Zweiten Weltkrieg einen Besuch abgestattet hat, wäre es wünschenswert, wenn der Staats- oder Regierungschef eines verbündeten westlichen Landes Spanien vor dem Herrn Bundeskanzler besuchen würde.”[13]
Endgültige Einbindung
Weitere Annäherungsschritte der westlichen Staaten gegenüber Spanien kamen in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre in der Tat zustande. Hintergrund waren nicht etwa Schritte Madrids in Richtung Demokratisierung – diese blieben auch weiterhin aus -, sondern eine gewisse ökonomische Liberalisierung, die von wirtschaftsliberal orientierten Technokraten aus dem rechtskatholischen Geheimbund Opus Dei in Spanien vorangetrieben wurde. Diese gewannen damals auf Kosten der bis dahin dominierenden Falangisten sowie des Militärapparats an Einfluss in Madrid. Das begünstigte die Einbindung Spaniens in die westlichen Wirtschaftsstrukturen. Zwischen 1957 und 1963 trat Spanien der OEEC (ab 1961 OECD) sowie dem Welthandelsabkommen GATT (dem Vorläufer der Welthandelsorganisation, WTO) bei.[14] Die Bundesrepublik war bereits Mitglied der beiden Organisationen und stimmte der Integration des faschistischen Spanien umstandslos zu.[15] Intern begrüßte sie Madrids Einbindung sogar ausdrücklich.[16]
Noch weiter integrieren
Die ökonomische Liberalisierung schuf auch die Voraussetzungen für erste Schritte Spaniens in Richtung auf einen Beitritt zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), dem Vorläufer der EU. Im Sommer 1958 reiste der spanische Wirtschaftsminister Alberto Ullastres nach Bonn und traf sich mit dem bundesdeutschen Außenminister Heinrich von Brentano (CDU). Dieser kündigte auf einer Pressekonferenz an, Bonn werde den Wunsch Spaniens nach einem EWG-Beitritt unterstützen.[17] Ebenso setzte sich die Bundesregierung zu dieser Zeit für einen NATO-Beitritt Spaniens ein.[18] Darüber hinaus plante sie die Einrichtung von Militärbasen in dem Land.[19] All diese Vorhaben konnten zu Francos Lebzeiten nicht realisiert werden; doch zwei Jahrzehnte später – nach dem Ende der faschistischen Diktatur – konnte die Bundesrepublik bei ihrer Einflussarbeit auf der iberischen Halbinsel auf ihre langjährigen guten Beziehungen zu Madrid aufbauen.