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Wollt Ihr die totale Merkel-Doktrin?


von Evelyn Hecht-Galinski,
Sicht vom Hochblauen, 1. Juni 2016.

Kalt läuft es mir den Rücken
herunter; nicht, weil Merkel am Sonntag Publicity wirksam mit Hollande der
Schlacht von Verdun gedachte, sondern weil gerade der Entwurf des neuen
Weißbuchs der Bundesregierung bekannt wurde, auf den sich jetzt das Kanzleramt,
Auswärtiges Amt und Verteidigungsministerium geeinigt haben.

Es ist das zweite Weißbuch, das
nach dem Vorgängerdokument aus dem Jahr 2006, damals noch unter der ersten
Merkel-GRO/KO, herausgegeben wurde. Was hat sich geändert? Damals wollte
Deutschland nur eine „wichtige“ Rolle spielen für die „künftige Gestaltung Europas“
und für EU und Nato ein „verlässlicher“ Partner sein. Tatsächlich, die Nato
kann sich auf Deutschland verlassen, die EU ist durch Merkels eigenmächtiges
Handeln in der Flüchtlingsfrage überrumpelt worden. Deutschland, also der Bund,
kalkuliert dank Merkel rund 94 Milliarden Euro Kosten bis 2020 für die Aufnahme
von Flüchtlingen und die Bekämpfung der Fluchtursachen. Inzwischen prophezeit
man in Merkels Deutschland Rentnern eine Zukunft, die das Rentenalter auf 73
Jahre hochsetzen will, einmalig in Europa!

Lautet nicht der Amtseid in
Artikel 56 des Grundgesetzes: „Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des
deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das
Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten
gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde“?
Was ist bei Merkel von ihrem Amtseid noch geblieben? Jedenfalls reiht sie sich
mit dem Bruch dieses Amtseids in eine unheilige Tradition mehrerer Vorgänger!

Die Merkel-Doktrin hofiert
Regime mit dem unheilvollen Grundsatz, besser ein totalitärer Verbündeter, als
gar keiner. Da kommen dann ungeahnte Partnerschaften zusammen, an die man nicht
im Traum dachte und die einem das Grauen lehren vor Merkels neuer Welt, in die
sie uns Bürgerinnen und Bürger ungefragt und alternativlos führen will!

So versteht man auch, warum sich
Deutschland in diesem neuen Weißbuch wegen seiner wirtschaftlichen, politischen
und „militärischen“ Bedeutung sich als zentraler Akteur sieht, um globale
Verantwortung zu übernehmen. Was für ein Hochmut, der sich schon im Januar 2014
bei der Rede von Bundespräsident Gauck vor der Münchner Sicherheitskonferenz in
München abzeichnete. Wohlstand und Einkommen funktioniere nur durch die
Sicherung der Versorgungs- und Handelswege und der Einbindung Deutschlands in
„funktionierende“ Informationssysteme.

Was sich allerdings im neuen
Weißbuch geändert hat, ist, dass Merkel-Deutschland jetzt nicht nur ein
verlässlicher Partner sein will, sondern auch noch ein „attraktiver“. Was
bedeutet das? Die Braut macht sich schön und will sich einbringen mit Geld und
Personal und bietet der internationalen Gemeinschaft an, als Impulsgeber zu
fungieren, „Führung“ zu übernehmen! Die „Führerin“ hat sich damit in Szene
gesetzt und will damit auch mit dieser Bereitschaft zur Bewältigung von
sicherheitspolitischen und humanistischen Herausforderungen beitragen.

Ganz im Sinne von Merkel und
ihrer DDR-Vergangenheit, „seid ihr bereit, immer bereit“. Aber ist Deutschland
wirklich bereit, diese einsamen Merkel Entscheidungen von Energiewende,
Abschaffung der Wehrpflicht, um für Auslandskriegseinsätze fit zu sein,
Russland-Sanktionen, verbunden mit der unsäglichen Ukraine-Unterstützung,
deutsche Staatsräson für die Sicherheit des „Jüdischen Staates“ mit allen
Konsequenzen, Euro-Schuldenhaftung, Griechenlandrettung, TTIP, CETA und
Steuererhöhungen, um all diese Projekte zu finanzieren? Wieviel deutsche Firmen
und deutsches Know how gingen schon an ausländische Investoren und sogenannte
Heuschrecken verloren? Wie viel ausländische Investoren haben bei
börsennotierten deutschen Firmen das Sagen, d.h. sind Mehrheitseigentümer in
Dax-Firmen? Tatsächlich haben ausländische Firmen die Mehrheit bei großen
Dax-Unternehmen. Besonders die USA und Golfstaaten wie Qatar haben mittlerweile
in Deutschland die Kontrolle über deutsche Firmen und Banken. Sind das die
strategischen Prioritäten der Merkel Doktrin zum Schutz der deutschen
Souveränität?
Sollte die Gestaltungsmacht Deutschland, unter Merkel nicht zuerst einmal dafür
Sorge zu tragen, Steuergleichheit in Europa herzustellen, sowie die Gewinne der
US-amerikanischen Konzerne, in Deutschland gerecht zu versteuern?

„Wollen wir den „totalen
Merkel“, nein und nochmals nein!

Der Linken-Fraktionsvorsitzenden
Sarah Wagenknecht ist völlig zuzustimmen in ihrer Einschätzung, dass die
„neoliberale Politik“ von Union, FDP, SPD und Grünen für das Erstarken rechter
Parteien mitverantwortlich ist. Ohnmacht und Frust seien das Ergebnis der
„Alternativlosigkeit“. Die Neoliberalen haben das gesät, was die Rechten
ernten, die Regierung kürze noch bei den Ärmsten, das ist die Verrohung, die
diese Gesellschaft nach rechts führt, die AfD sei Teil dieses neoliberalen
Parteienkartells, so Wagenknecht.

Allerdings möchte ich betonen,
dass es keine Entschuldigung und keinen Grund gibt, rechtsradikale Parteien zu
wählen, auch nicht aus Protest! Keine Partei sollte die AfD-Wähler in Schutz
nehmen oder ihnen nacheifern. Es hilft nur eine argumentative Politik, die die
hohlen Hetzthesen faktisch widerlegt!

Schon Merkels erstes Weißbuch
hatte den „islamistischen Terror“, damals auch noch die illegale Migration, und
vor allen Dingen die „russische Aggressionspolitik“ im Visier. Im aktuellen
kamen Cyber-Angriffe, der arabische Frühling, Klimawandel und Pandemien durch
Seuchen hinzu. Man spürt förmlich, welche „Interessenvertreter“ an diesem
Weißbuch mitgeschrieben haben. Allerdings sehe ich es als besonders verwerflich
an, wenn 71 Jahre nach Kriegsende eine deutsche Regierung im Verhältnis zu
Russland von einer „richtigen Mischung“ zwischen Verteidigungsfähigkeit und
Abschreckung spricht, also zwischen Kooperationsangeboten (wie großzügig!) und
mit weiteren Sanktionen droht, sollte sich Putin nicht auf eine grundlegende
Kursänderung einlassen. Merkels Doktrin, die auf einem uneingeschränkten
Bündnisbekenntnis zur Nato basiert, um endlich auch in der „Kalten
Kriegsgemeinschaft“ Pflicht und Verantwortung zu übernehmen, was nichts anderes
bedeutet, als dass wir endlich wieder W E R sind und uns als „Kriegstreiber“
weltweit einbringen, nicht ohne natürlich diese Auslandseinsätze als
„friedenschaffende“ Maßnahmen darzustellen. Was ist aber der tatsächliche Zweck
dahinter? Es geht allein um die Sicherstellung unserer freien Transport- und
Handelswege, die uns die gesicherte Energie und Rohstoffversorgung zur See, in
der Luft und auf der Erde sichern sollen. Dazu brauchen wir die Bundeswehr, die
Marine, die Nato. Es geht also eigentlich nur um die Bedrohung unseres
Wohlstands.

Wie das Weißbuch feststellt,
beinhaltet das in der vierten Priorität, dass wir uns an der Prävention,
Stabilisierung und Nachsorge in Konfliktregionen beteiligen. Krisenherde, die
die heuchlerische Staatengemeinschaft erst geschaffen hat, werden dann mit
deutscher Hilfe „befriedet“. Merke(l) „wir sind die Guten“. Demnächst wird also
noch mehr Wert gelegt auf Rüstungsexporte, strategische Partnerschaften, indem
Kanzleramt, Wirtschaftsministerium und Außenministerium noch mehr miteinander
arbeiten in der „Sicherheitspolitik“. Noch wurden Wünsche des
Verteidigungsministeriums unter „Bundes-Ursel“ abgeschmettert, wie der Einsatz
der Bundeswehr im Innern mussten verschiedene Forderungen abgeändert werden, da
sie nicht am Bundestag vorbei beschlossen werden können.

Allerdings weist das Weißbuch,
die „Merkel-Doktrin“, einen gefährlichen Zukunftsweg in Bezug auf
außenpolitische Bündnisse und Kriegseinsätze, was nicht anderes heißt, als
finanzielle Beiträge an EU und Nato, die die „besondere Verantwortung“ von
Deutschland zu bekräftigen, den Wehretat massiv zu erhöhen und als US-Filiale
und Außenposten der Nato „substantielle“ Beiträge zu leisten, um so die
Nato-Fähigkeiten bei Abschreckung und kollektiver Verteidigung zu stärken.
Wir unterstützen damit die Bereitschaft, im Zusammenspiel mit anderen Ländern
die „Führungsverantwortung“ der schnell verlegbaren Nato-Speerspitze zu
übernehmen!

Wollen wir diese totalen Merkel
Doktrin? Hieß nicht einmal die Lehre aus zwei Weltkriegen, „Nie wieder Krieg“
und „von deutschem Boden soll nie wieder Krieg ausgehen“? Nichts haben die
derzeitigen Kriegslüsternen aller Parteien von CDU/CSU, SPD und Grünen gelernt!
Sie unterstützen diese gefährliche „Merkel-Doktrin“ nur in Nuancen verändert.
Deutschland unter Merkel übernimmt wieder die globale Führungsrolle, die schon
einmal Leid und Zerstörung brachte. Wollen wir eine totale Führerin? Wollen wir
ein Deutschland, das, wie im Weißbuch beschrieben, in Vorleistung tritt, um in
einer „erheblichen Breite als Rahmennation zu wirken, um die Schlüsselfähigkeit
die Partnerländer durchhaltefähig zur Verfügung zu stellen. Deutschland als
Gestaltungsmacht des gnadenlosen Machterhaltungstriebs der Merkel-Doktrin?
Nein und nochmals nein!