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Der Bericht einer US-Denkfabrik, von Israelis mitverfasst, drängt auf die Erfassung „biometrischer Daten“ von Palästinensern

von Philip Weiss, 31/5/2016. Übersetzt von Milena Rampoldi, herausgegeben von Fausto Giudice, Tlaxcala

Das
Zentrum für eine neue amerikanische Sicherheit (Center for a New
American Security, CNAS) ist eine Denkfabrik mit Sitz in Washington, die
durch liberale clintonsche Interventionen ins Leben gerufen wurde (die
Neokonservativen sehr gut passen). Diese Denkfabrik hat vor kurzem einen
neuen Bericht veröffentlicht,
der das Ziel verfolgt, die Zweistaatenlösung wiederzubeleben, indem man
auf die Sicherheitsbedürfnisse der Israelis und Palästinenser eingeht.

Der Hauptautor ist Ilan Goldenberg, ein ehemaliges Mitglied des Teams
von John Kerry. Aber zwei der anderen drei Autoren sind Israelis:
Nimrod Novik, ein verdienter israelischer Botschafter und politischer
Berater der Arbeitspartei und Gadi Shamni, ein ehemaliger israelischer
Militärkommandant.

Es gibt keine palästinensischen Autoren. Stellen Sie sich das
mal vor: ein US-Denkfabrik-Bericht, der das Ziel verfolgt, den Konflikt
zu lösen, wird von zwei israelischen Autoren und ohne jeglichen
palästinensischen Autor verfasst. (Auf dieses Ungleichgewicht ist auch
der Grund zurückzuführen, warum die Palästinenser aufgrund der Rolle der
israelischen Lobby in unserer Politik, der US-Intervention nie so
richtig trauen.)

Es verwundert nicht, dass das Hauptproblem des Berichtes darin
besteht, dass er fast vollständig auf die israelischen
Sicherheitsanforderungen fokussiert, die, wie Yakov Hirsch hier im
Folgenden kommentiert, psychologische Anforderungen sind, die nicht
durch materielle Bedingungen erfüllt werden können.

Der Bericht beschreibt große Sicherheitsvorkehrungen, um die
„grundlegenden israelischen Sicherheitsanforderungen zu erfüllen“,
spricht aber gar nicht vom Schutz der Palästinenser gegen die
israelischen Übergriffe auf ihre angebliche Souveränität. Die Israelis
sind immer die Oberherren. Selbst in der Angelegenheit um die Fischerei
in Gaza: Den Bewohnern von Gaza stehen 12 Seemeilen zu, diese sind aber
von den Patrouillenschiffen der israelischen Marine bewacht.

Es gibt zwei andere eklatante Probleme, die mir bei einer schnellen Durchsicht aufgefallen sind:

1. Die israelische Lobby hält sich gesund und munter: die USA müssen
wenn nötig Israel stets dabei unterstützen, den souveränen, aber
entmilitarisierten palästinensischen Staat anzugreifen (und
Menschenrechtsverletzungen zu verüben):

Die Vereinigten Staaten und Israel hätten eine Nebenabrede, nach der
die USA, falls Israel direkt und unmittelbar bedroht wäre, Israel
diplomatisch unterstützen würden, falls Israel eingreifen sollte …

Den Palästinensern würde das Ganze gar nicht gefallen, aber dennoch:

Bei der ersten israelischen „Initiative“ würde dies zu einer großen
Krise der Vereinbarung führen, im Besonderen, wenn es keine Mechanismen
gibt, um in einer solchen Krise zu vermitteln. Eine Option, um dieses
Dilemma anzugehen, ist eine Nebenabrede über die allgemeinen
Bedingungen, unter denen die USA Israels „Initiative“ innerhalb des
zukünftigen palästinensischen Staates diplomatisch unterstützen würden.

2. Der Bericht beharrt auf den „biometrischen Daten“ der
Palästinenser. Der Begriff kommt 13 Mal vor, und das ist unheimlich. Die
Regierungen würden die biometrischen Daten aller Palästinenser
erfassen. Und dies wäre eine grundlegende Modalität, um die israelische
Sicherheit zu erzwingen. Die israelische Regierung hätte alle
biometrischen Daten der Palästinenser. Die israelischen biometrischen
Daten werden nicht angesprochen. Es wird auch nicht thematisiert, wer
diese besitzen sollte.

Anbei beispielsweise die Beschreibung der Erstellung der palästinensischen Reisepässe:

F. Einrichtung des Reisepass- und Visaregimes
i. Errichtung persönlicher Datenbanken
ii. Einbau einer Ausrüstung für die Datenerhebung
iii. Ausbildung des Personals über die Ausrüstung für die Datenerhebung
iv. Erhebung biometrischer und persönlicher Daten…

Sogar während ihrer Reise vom Westjordanland bis nach Gaza müssten
die Palästinenser einen geschützten „Korridor“ durchlaufen, in dem sie
einer „biometrischen“ Prüfung unterzogen werden, bevor sie das
palästinensische Staatsgebiet verlassen oder in dieses eintreten.

Diese Beschreibung liest sich wie Big Brother:

Es gibt viele Reisepass-, Genehmigungs- oder Visaregime, die
eingerichtet werden können, aber der Schlüssel besteht darin, dass
jeglicher Prozess gewährleistet, dass es biometrische Daten gibt, um die
Identität jeglicher Person zu überprüfen, die die Grenze überschreitet
und dass alle Parteien die Sichtbarkeit in Echtzeit aller Daten
beibehalten. Die [palästinensischen, jordanischen und israelischen
Sicherheitskräfte] würden eine gemeinsame, kunstgerechte Datenbank der
Reisenden nutzen, die die entsprechenden Kontrolllisten, geteilte Daten
über Reisende, biometrische Daten für die positive Identifizierung und
andere entsprechende Informationen enthalten würden. Das
Antragsverfahren für Reisepass, Visa oder Genehmigungen, das die
Erhebung biometrischer Daten beinhalten würde, würde eine andere Stufe
des Vertrauens in die persönliche Identifizierung hinzufügen, damit alle
Parteien zufrieden darüber sind, zu wissen wer an diesen Grenzübergänge
rein- und rausgeht.

Wenn sich dies für Sie störend anfühlen sollte, so steht in einer
Fußnote, dass die Palästinenser bereits einer solchen Kontrolle
unterzogen werden:

Die Palästinenser, die in Jordanien arbeiten und im Westjordanland
leben, die Palästinenser mit einer palästinensischen ID-Karte, die
Palästinenser mit Wohnsitz in Gaza und die Palästinenser mit ID-Karten
aus Jerusalem. Sie weisen aber alle ein gemeinsames Merkmal auf: sie
brauchen alle eine Art von Genehmigung bzw. Identifizierung zwecks
Überschreitung der Grenze. Und welches System auch immer man umsetzt, es
wäre keinesfalls aufwändiger als das derzeitige System, aber es würde
von allen die Übermittlung der biometrischen Daten fordern, um deren
Grenzübergangspapiere zu erhalten.

Was schaut für die Palästinenser dabei heraus? Der Bericht empfiehlt
Israel „so schnell wie möglich das alltägliche Gefühl der Besatzung aus
der Welt zu schaffen. Dies soll vor allem durch die Reduzierung der
sichtbaren Präsenz der israelischen Streitkräfte und der Bewegungs- und
Zugangsbarrieren im Westjordanland erfolgen“. Das wäre sozusagen eine
ästhetischere Besatzung.

Michele Flournoy, Mitbegründerin des CNAS,  2010. Foto Cherie Cullen/ US-Verteidigungsministerium

Michele Flournoy, die wahrscheinlich Verteidigungsministerin wäre,
wenn Hillary Clinton als Präsidentin gewählt werden sollte, präsentierte
gerade den Bericht einem Panel in Washington auf CSPAN mit einem
ähnlich vagen Ausdruck der Sorge für die „Not der Palästinenser“.

Yakov Hirsch deutet den Begriff „Sicherheit“ im israelischen Kontext wie folgt:

Der Begriff „Sicherheit“ bedeutet nicht das, was jeder denken würde.
Kein Land kann jemals eine absolute „Sicherheitsstufe“ erreichen.
„Sicherheit“ ist unerreichbar, wenn man denkt, dass die Gegenseite des
Konflikts vom Antisemitismus und vom Wunsch, Juden zu töten, angetrieben
wird, wie die Israelis denken. Es ist aber überhaupt nicht unmöglich,
die „Sicherheit“ zu erlangen, wenn man denkt, dass die Palästinenser
normale Menschen sind.