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Von Apple bis Volkswagen, Tech Boom durch 40.000 kongolesische Kinderminenarbeiter

von Mnar
Muhawesh, MintPress, April 6, 2016. Deutsche
Übersetzung: Milena Rampoldi von ProMosaik e.V. – In diesem Artikel von
MintPress News ‘Hinter den Kulissen’ befasst sich die Moderatorin und
Redaktionsleiterin von MintPress Mnar Muhawesh mit dem Herzen von Afrika und
schließt daraus, dass sich die Geschichte in Kongo wiederholt.




MINNEAPOLIS — Ein vor kurzem veröffentlichter Bericht von Amnesty
International schlug Alarm über eine von siebenjährigen, kongolesischen Kindern
abgebaute „Blutminerale“, die in aufladbaren Lithiumionbatterien, Smarthphones
und sogar in elektrische Autos eingebaut werden. Das Mineral ist Kobalt. Mehr
als die Hälfte der Weltressourcen dieses Minerals stammen aus der
Demokratischen Republik Kongo, inklusive von mindestens 20%, die von den
sogenannten „handwerklichen Minenarbeitern“ im Süden des Landes abgebaut
werden. Der Bericht mit dem Titel „Dafür sterben wir“ (“
This Is What We Die
For
”) erörtert die Bedingungen, unter denen diese Minenarbeiter ihren Job
ausüben: „Diese handwerklichen Minenarbeiter, die in der Demokratischen
Republik Kongo auch „Creuseurs“ genannt werden, bauen das Mineral händisch ab,
indem sie die einfachsten Werkzeuge nutzen, um Felsen in tiefen, unterirdischen
Tunneln auszugraben. Zu diesen handwerklichen Minenarbeitern gehören auch
siebenjährige Kinder, die die Stelle reinigen, um Felsen mit Kobaltgehalt in
den entsorgten Nebenprodukten der industriellen Minen abzubauen. Sie reinigen
und sortieren auch das Erz aus, bevor es verkauft wird.“ 

Der Großteil des Kobalts wird von der Congo Dongfang Mining International
weiterverkauft. Diese Gesellschaft gehört zu 100% dem chinesischen Unternehmen Huayou
Cobalt Company Ltd. Von hier aus ist es Amnesty gelungen, das Kobalt mit
Produkten in Verbindung zu bringen, die „zu den weltweit größten und
bekanntesten Gesellschaften in der Branche der Unterhaltungselektronik gehören.”
[„inklusive Apple Inc., Dell, HP Inc. (der ehemaligen Gesellschaft Hewlett-Packard),
Huawei, Lenovo (Motorola), LG, Microsoft Corporation, Samsung, Sony und
Vodafone, sowie Fahrzeughersteller wie Daimler AG, Volkswagen und der
chinesischen Gesellschaft BYD.”]

Insgesamt gibt es in Kongo zwischen 110.000 und 150.000 Creuseurs. Und dazu
gehören Tausende von Kindern. Es wird schwer sein, genaue Zahlen darüber zu
erhalten, aber UNICEF spricht von ungefähr 40.000 Kindern, die im Land als
Minenarbeiter arbeiten. Den meisten von ihnen wird aufgetragen, für nur $1 oder
$2 pro Tag Kobalt abzubauen. Amnesty sprach mit 17 Kindern, die in fünf
verschiedenen Minen arbeiteten. Sie berichteten, dass sie und andere von den
Sicherheitskräften geschlagen werden. Sie berichteten auch, dass jene Wachen,
die von den Minengesellschaften angestellt werden, Geld von ihnen verlangten. Und
wenn sie sich nicht gegen die Ausbeutung wehren, nutzen sie auch die Händler
aus. Kongo ist eines der ärmsten Länder der Welt. Es hat mehr als ein
Jahrhundert Kolonialismus und Ausbeutung hinter sich, die auf die Anforderungen
der Verbraucher und der Industrie in anderen Kontinenten zurückzuführen sind.
Auch vom europäischen Wettbewerb zwecks Übernahme der Kontrolle über Afrika,
hatte schon eine königliche Familie ihren Blick auf eine sehr zugängliche
Region des Landes geworfen. Im Jahre 1876 organisierte König Leopold II von
Belgien eine Konferenz, anlässlich derer die Teilnehmer über die Möglichkeiten
sprachen, den westafrikanischen Sklavenhandel zu stoppen, medizinische Hilfe
für Afrika zu erhalten und flächendeckende Bemühungen zu koordinieren. Aber die
Konferenz und das angeblich „wohlwollende“ Komitee, der Leitung dessen er
zustimmte, waren nichts anderes als ein Deckmantel für die königlichen
Ambitionen, eine Eisenbahn zu bauen, die die Rohstoffe aus dem Herzen Afrika
transportieren konnte. Mit dem König, und nicht der belgischen Regierung, als
Eigentümer und Herrscher, wurden die Menschen dazu gezwungen, den
außerordentlichen Reichtum des Landes, inklusive des Gummis, abzubauen. Dieser Reichtum
wurde dann exportiert, um den industriellen Aufschwung im 19. Jahrhundert und
zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Europa und Amerika voranzutreiben. 


Unter dem Deckmantel, den „Afrikanern die Zivilisation zu bringen“, erklärte Marty
Jezer, der für die Brattleboro Reformer schrieb, die Grausamkeiten von Leopold:
„Diese Armee zog zwangsweise die afrikanische Jugend ein, um ihre Reihen aufzufüllen.
Sie ging dann von Dorf zu Dorf, nahm die Frauen als Geiseln und zwang die Männer,
tief in den Dschungel einzudringen, um die einheimischen Gummibäume zu ritzen. Wer
sich widersetzte, wurde niedergeschossen. Viele wurden geköpft. Oder man schlug
ihnen die Hände ab.“ Mit Frauen, die als Geiseln gehalten werden und mit Männern,
die Zwangsarbeit verrichten, um die Gummiernte zu maximieren, kümmerte sich niemand
mehr um die Landwirtschaft. Es brachen Hungersnot und Krankheiten aus. Zwischen
1880 und 1920 verlor das Land infolge des „Gummiterrors“ von Leopold zwischen 8
und 10 Millionen Menschen, d.h. die Hälfte der Bevölkerung. Die internationale
Empörung brach schließlich 1908 aus. In diesem Jahr nahm die belgische Regierung
Leopold die Kontrolle weg. Aber wie Jezer anführte: „Belgien führte Gummi,
Elfenbein, Diamanten und Uran aus Kongo aus und gab dem Land nichts zurück:
keine Schulen, keine Krankenhäuser, keine Infrastruktur, außer was den Export
der Rohstoffe erleichterte. Das Uran, das für die Herstellung der Atombomben,
die auf Hiroshima und Nagasaki abgeworfen wurden, verwendet wurde, stammte aus
den Minen von Kongo“. Kongo wurde 1960 vom Kolonialismus befreit.
In den Jahren nach seiner Unabhängigkeit erlebte das Land eine schnelle Folge
von Führern. 1971 kam es zum Putsch der korrupten Einparteienregierung unter Joseph
Mobutu, der das Land in Zaire umbenannte. Mobutu, ein entschiedener Gegner des
Kommunismus, wurde von verschiedenen US-Regierungen unterstützt. Als Mobutu
1997 zur Flucht gezwungen wurde, wütete ein Bürgerkrieg. Das Land wurde auch
von einer AIDS-Epidemie heimgesucht. Trotz einiger Reformen und demokratischer
Wahlen befindet sich das Land heute immer noch in einem Zustand wie vor mehr
als 100 Jahren unter der Herrschaft eines korrupten, gummi-hungrigen und
grenzenlos grausamen Königs. Heute wie damals hält der Drang nach Gummi, Kobalt,
Diamanten und Kupfer – im Prinzip nach allem, was Kongo hat und die Welt haben
will – ohne Rücksicht auf menschliche Verluste an. Chinesische, amerikanische
und europäische Gesellschaften beuten die Arbeit der Kinder und Erwachsenen
aus, um die technischen Gelüste der Menschen weltweit zu befriedigen, die ihren
Hunger nach technischen Spielereien stillen. Diese kongolesischen
Kinderarbeiter werden wahrscheinlich nie ein eigenes Smartphone mit einer
wiederaufladbaren Batterie haben, aber ohne deren harte Arbeit für einen
miserablen Lohn unter gefährlichen Bedingungen, ist es schwer zu sagen, ob Sie
oder ich eins hätten.