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Die italienische Region der Abruzzen unterstützt die Flüchtlinge in Idomeni

von Giulia Grilli, Notizie d’Abruzzo, 01.04.2016. Deutsche
Übersetzung von Milena Rampoldi, ProMosaik e.V.
Alles begann am 7. März 2016 mit einem Facebookpost von Marco Taucci,
in dem es hieß: „Wir wollen etwas für die syrischen Kinder tun, die an der
Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien blockiert sind. Wir wollen eine
private Sammlung von Hilfsgütern starten und dann unseren Beitrag hinbringen. Meldet
euch. Wir organisieren uns und fahren los!!!“

Eine Herausforderung an eine unsichtbare Öffentlichkeit, die sich in Kürze
umsetzen ließ, weil viele Menschen die Idee annahmen und unterstützten. Wer
hatte das Ganze in Gang gebracht? Marco Manzo, der entschieden hatte,
persönlich an der freiwilligen Initiative von Taucci, des Vorstandsvorsitzenden
des Vereins  Associazione Più Abruzzo,
teilzunehmen. „Wir brauchen keine Institutionen und auch keine Kirchen. Und
wir brauchen auch nicht die Politik, um den Menschen zu helfen, die es wirklich
brauchen“, behauptet der Entwickler der Initiative, die sich schon in der Vergangenheit
für die Erdbebenopfer von Aquila und der Region Emilia eingesetzt hatte. 

In kürzester Zeit waren mehr als zweihundert Leute bei der humanitären
Initiative dabei
und brachten Güter täglichen Bedarfs oder spendeten Geld. Am
Abend vor der Abfahrt am 21. März aus Pescara war der weiße Transporter mit den
roten Schriften auf Griechisch voller Vorräte jeglicher Art, während das
gesammelte Geld 10.000 Euro betrug. Alles wurde in den sozialen Medien
dokumentiert, veröffentlicht und überwacht. „Ich hatte mir keine so
großartige Reaktion erwartet“, erzählt Taucci, „und auch keine Mobilisierung
dieser Art von Seiten der Menschen. Unsere Initiative war nur erfolgreich, weil
die Menschen aktiv daran teilgenommen haben.“ 

Nach 24 Stunden Fahrt kamen die beiden Freiwilligen in Idomeni an und haben
die schwerwiegende Situation und die Verzweiflung persönlich erlebt. Die Situation
ist für die Menschen hier extrem schwer und die Möglichkeit, dass sie es
vielleicht nicht schaffen könnten, ist in ihre Seelen eingedrungen. Das Szenario
ist haarsträubend: ein Zelt neben dem anderen mitten im Schlamm unter dem
strömenden Regen. Ganze Reihen von Flüchtlingen warten auf ein Brot. Hygiene
gibt es praktisch keine. Die Spannung schreit zum Himmel, und die Gefahr,
angegriffen zu werden, macht die Situation noch komplizierter.


Ich dachte, ich würde eine Logistik, ein Lager oder eine Halle finden,
wo ich alle Güter
abladen kann, die wir mitgebracht hatten. Aber es gab nichts
dergleichen. Die Hilfsorganisationen sind praktisch abwesend. Ihre Büros sind
oft geschlossen, und die Flüchtlinge werden ihrem Schicksal überlassen. Sie
sind auf einer Grenzlinie verlassen, die sie nie überqueren werden“,
erklärt
Marco Taucci, „Ich hatte fast überlegt, den Transporter einfach überfallen
zu lassen. Aber da hätten wir nur die Stärksten begünstigt, und unsere
Bemühungen wären vergeblich gewesen.“ 

Und da kam der Hoffnungsschimmer: die Eigentümerin des Gasthofs, in dem die
beiden Männer aus den Abruzzen wohnen, ist eine griechische Freiwillige. Sie
und ihr Ehemann Dirk aus Holland werden zum Eckstein der gesamten Initiative.

„In den darauffolgenden Tagen haben wir mit dem gesammelten Geld 110.000
Mahlzeiten gekauft. 70.000 von ihnen wurden an eine Gruppe anarchistischer
Freiwilliger aus Skandinavien verteilt. Diese zahlreichen und gut organisierten
Jungs kochen täglich. Wir haben persönlich festgestellt, wie ernsthaft sie ihre
äußerst wertvolle Hilfe leisten.“ Es fehlten auch nicht die Spiele für die
Kinder und die Schokolade, die wir
geheim und so schnell wie möglich verteilten.


„Ich glaube, dass der emotional intensivste Augenblick der der Abreise
am Freitag war, als wir uns dessen bewusst wurden, dass wir alles so gut wie
möglich verteilt hatten,“ berichtet Taucci. „Was mich aber am meisten
beeindruckt hat, ist wie viele verschiedene Volksgruppen unter solchen
Bedingungen zusammenleben und wie die Kinder mitten in Kälte und Schlamm ohne
nichts und ohne Hoffnung überleben können. Das sind Menschen, die nie die
Grenze überschreiten werden, aber gleichzeitig auch nie in ihre Heimat
zurückkehren können, die der Krieg zugrunde gerichtet hat. Sie haben alles
verloren: ihre Arbeit, ihr Haus, ihr würdiges Leben. Wir wollten ihnen eine
kleine Unterstützung anbieten. Und wir fühlten uns dabei die Vertreter einer
ganzen Region: der Abruzzen“.  

Unsere Freiwilligen werden auch in Zukunft weiterhin tätig sein, wenn auch
aus der Ferne. Dank der Kontakte, die sie vor Ort geknüpft haben, wollen sie
weiterhin den Menschen zur Seite stehen, die in einem so offensichtlichen Elend
leben: Taucci und Manzo werden sich weiterhin darum kümmern, Geld von allen
Menschen einzusammeln, die mitmachen und sich nützlich machen möchten. Alle
Ausgaben werden quittiert und veröffentlicht, da die Freiwilligen weiterhin die
versprochene Transparenz beibehalten möchten. „Ich glaube, dass jeder von
uns einen monatlichen Mindestbeitrag von 10 oder 15 Euro spenden sollte, aber
Einheit macht stark. Denn wenn man unser Geld zusammenzählt, können wir
wirklich versuchen, den Flüchtlingen in der Zeltstadt von Idomeni zu helfen“,
erzählt Taucci abschließend. „Das Wesentliche ist, dass wir einander
helfen.“