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Bekenntnisse eines Auftragskillers von Panamaleaks


von John Perkins* für Common Dreams, deutsche Übersetzung von Milena Rampoldi, ProMosaik e.V.
Die Panama Papers sollten eigentlich gar keine Überraschung sein. Ich war
1970 da, als das nun aufgedeckte System in Betrieb genommen wurde. Als
Auftragskiller habe ich dazu beigetragen, diese globale, auf dem legalisierten
Verbrechen basierte Wirtschaft zu gestalten. Es handelt sich um ein System, in
dem 62 Menschen so viel Reichtum besitzen wie die Hälfte der Weltbevölkerung
und eine Hand voll Superreicher die Regierungen der ganzen Welt kontrolliert.
Die großen Konzerne nutzen Infrastrukturen und Sozialdienste, ohne die Rechnung
dafür zu bezahlen. Der durchschnittliche US-Bürger zahlt sie mit den Steuern
auf seinem mühevoll erarbeiteten Einkommen, während die Reichsten und ihre
Unternehmen ihre Erträge in Steueroasen wie Panama verstecken.
„Die Enthüllungen der Panama Papers sind eine weitere Anklage gegen ein
gescheitertes System.“
Die Ursprünge Panamas als Steueroase gehen auf das Jahr 1903 zurück, in dem
der Präsident Theodore Roosevelt einen Aufstand schürte, um Panama von
Kolumbien zu trennen, damit die USA den Panama-Kanal errichten konnten. J.P.
Morgan und seine Bank wurden zum offiziellen steuerlichen Agenten des neuen
Landes. Sehr bald genehmigte Panama Gesetze, die der Standard Oil Company von
John D. Rockefeller die Möglichkeit boten, ihre Schiffe dort anzumelden. Auf
diese Weise umging er Steuern und Regelungen der USA – so entstanden die
Steuerparadiese Panamas.
Ich wurde damals nach Panama geschickt, um den ehemaligen Staatschef Omar
Torrijos davon abzuhalten, weiterhin darauf zu bestehen, dass die USA das
Eigentum am Panamakanal zurückgeben sollten und um seine Unterstützung der
nationalistischen Bewegungen in Lateinamerika abzuschwächen. Torrijos gab wegen
dem Kanal nicht nach, ließ aber zu, sein Land in ein Steuerparadies für
Weltkonzerne zu verwandeln. Er sagte mir: „Wenn Ihr Land vorhat, meines auszubeuten,
so ist es wohl das Mindeste, wenn ich im Gegenzug die Weltkonzerne unterstütze,
um keine Steuern zu zahlen, die die CIA und den Pentagon finanzieren!”
Torrijos starb 1981 in einem Flugzeugunfall, bei dem viele glauben, dass
die CIA die Finger im Spiel hatte. Seitdem wurden die Regierungen in Panama als
Marionetten genutzt, um die kommerziellen Interessen der USA zu verteidigen.
Das Land ist ein Steuerparadies für die Superreichen. In den letzten 12 Jahren hat
sich das System, das zu seiner Errichtung beigetragen hat, von den
Entwicklungsländern in die USA, nach Europa und in den Rest der Welt verbreitet.
Das Ergebnis ist eine gescheiterte, globale Wirtschaft: zweieinhalb Milliarden
Menschen leben unter der Armutsgrenze mit weniger als 2 Dollar pro Tag. Siebzig
Prozent der Menschen leben in Ländern, in denen sich das Gefälle zwischen Arm
und Reich in den letzten 30 Jahren nur noch verschlechtert hat. Weniger als 5%
der Weltbevölkerung lebt in den USA, verbraucht aber 25% der Ressourcen des
Planeten. Weniger als 1% dieser 5% bestimmt nicht nur die US-Politik, sondern
auch die des Großteils der anderen Länder. Es ist ein Wirtschaftssystem, das
auf Schulden,  Angst, Militarisierung und
Ausbeutung von Rohstoffen basiert. Man verbraucht sich bis zur Ausrottung.
Und daraus müssen wir eine Lehre ziehen. In diesem Jahr der
US-Präsidentschaftswahlen müssen wir verstehen, dass der neue US-Präsident über
eine sehr begrenzte Macht verfügen wird. Die wirklich Mächtigen sitzen in den Großkonzernen
als Führungskräfte. Wenn die Milliardäre in der Lage sind, Gesetze zu
verabschieden, wie beispielsweise die Handelsvereinbarung zwischen den USA und
Panama im Jahre 2012 und das Nordamerikanische Freihandelsabkommen, das ihren
Unternehmen mehr Macht gibt als ihren souveränen Nationen, dann ist es an der
Zeit, etwas zu ändern. Wir müssen eine Wirtschaft aufbauen, die die
Verschmutzung bekämpft, neue Technologien für die Wiederverwertung der Abfälle
entwickelt und den Planeten erhält, Systeme zwecks Überwindung der
Verzweiflung, Armut, des Hungers und der Ursachen für Gewalt und Terrorismus
ins Leben ruft. Dieses System muss eine gerechte Besteuerung einschließen: wer
die Infrastrukturen nutzt, muss auch dazu beitragen, für diese zu bezahlen.
Die Enthüllungen der Panama Papers sind eine weitere Anklage gegen ein
gescheitertes System, das ich zu gut kenne. Wahrscheinlich sind diese letzten
Enthüllungen nur der sprichwörtliche Tropfen, die das Fass überlaufen lassen
und uns dabei unterstützen, zu verstehen, dass wir Verantwortung für uns und
die zukünftigen Generationen übernehmen müssen und diesem grausam
zerstörerischen Kurs entgegenwirken müssen.
Kann man diesem Kurs denn wirklich entgegenwirken? Sehen Sie mal nach
Vermont. In einem Staat, in dem weniger als 0,2% der USA-Bevölkerung leben, hat
eine kleine Gruppe von Aktivisten und Bloggern erfolgreich einige der größten
Lebensmittelhersteller des Landes unter Druck gesetzt, und zwar Kellogg, General
Mills, Campbell Soup, Mars, und ConAgri, damit sie ihre politischen Richtlinien
ändern und sich dazu verpflichten, GVO auf ihre Etiketten zu schreiben. Denn
David kann Goliath besiegen.
Viele fokussieren auf die Erzfeinde der Panama Papers wie Putin und auf die
Prominenten und überbezahlten Sportler. Wir dürfen uns aber nicht verfahren und
müssen uns auf die Superreichen konzentrieren. Denn sie finanzieren die
Wahlkämpfe derer, die ihre Interessen verteidigen, ihnen großartige
Beratungshonorare versprechen, wenn diese Politiker ihr Mandat verlieren und
ihre Reichtümer in Steuerparadiesen wie Panama verstecken.
Die Panama Papers sind eine Ermahnung: man darf legalisierte Verbrechen
nicht übersehen. Die Leute aus Vermont sollen uns alle zum Handeln anspornen.

John Perkins hat neun Bücher
geschrieben, die über 70 Wochen auf der Bestsellerliste des New York Times
waren und in mehr als 30 Sprachen übersetzt wurden. Sein letztes Buch mit dem
Titel „Neue Bekenntnisse eines Economic Hit Man“ (Berrett-Koehler) wurde im
Februar 2016 veröffentlicht. Zu seinen vorherigen Büchern zählen die „Bekenntnisse
eines Economic Hit Man“ und „
An
Economic Hit Man Reveals Why the World Financial Markets Imploded“. Er hat
Konferenzen in Harvard, Oxford
und mehr
als 50 Universität in aller Welt abgehalten. Er erschien auf
ABC,
NBC, CNN, NPR, A & E, History Channel, Time, New York Times, Washington
Post, Cosmopolitan, Elle, Der Spiegel und vielen anderen Medien. Für weitere
Informationen, vgl. www.johnperkins.org.

Rezension des Buches „Bekenntnisse eines Wirtschaftskillers“: Bevor ich das
Buch noch nicht gelesen hatte, wusste ich noch nicht, dass ich einige Jahren
später selbst diesem Typ von „Wirtschaftskillers“, den Perkins so lebendig
beschreibt, zum Opfer fallen würde. Seine „Bekenntnisse“ entsprechen meinen
Erfahrungen über die brutalen Methoden und die grobe Irrationalität der
Wirtschaft, die das Ziel der Machtinstitutionen bestimmen, die demokratische
Kontrolle über die wirtschaftliche Macht zu schwächen. Erneut hat Perkins einen
wesentlichen Beitrag für eine Welt geleistet, in der die „Petzer“ den Menschen
die Augen öffnen, indem sie ihnen die wahren Quellen der politischen, sozialen
und wirtschaftlichen Macht vor Augen führen.”
-Yanis Varoufakis, ehemaliger, griechischer Finanzminister.