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Waris Dirie: FGM ist durch nichts zu rechtfertigen.

von Milena Rampoldi, ProMosaik e.V. – Ein sehr wichtiges Interview mit Waris Dirie des Wiener Vereins Wüstenblume. Sie kennen sicherlich alle Ihre Bücher, Ihren Film und Ihr unermüdliches Engagement gegen die Genitalmutilation der Frau weltweit. Ich möchte Waris herzlichst für ihre Zeit danken. Und weiter so!!! Der Kampf gegen die Genitalmutilation der Frau ist ein Kampf, der kein Ende nimmt, bis die letzte Wüstenblume nicht gerettet ist von diesem grausamen Ritual. Wir müssen uns alle dafür einsetzen, dass diese schreckliche Gewalt gegen Frauen durch Frauen ein Ende nimmt. Denn FGM betrifft uns alle.

Milena Rampoldi: Warum muss der Kampf gegen die Genitalverstümmelung der Frau immer weitergehen, trotz der Rückschläge und trotz der Gleichgültigkeit vieler Menschen? 
Waris Dirie: Vor einigen Tagen hat die UN, die von ihr seit 15 Jahren veröffentliche Statistik von 130 Millionen von FGM betroffenen Frauen nach oben revidiert. Laut neuester Erkenntnisse der UN sind mindestens 2oo Millionen Frauen von FGM betroffen. Die tatsächliche Zahl dürfte aber viel höher liegen, da südostasiatische Staaten wie Indonesien, Malaysia oder Pakistan und Indien, der Irak, Iran und Syrien nicht oder nur teilweise erfasst wurden, obwohl diese grausame Praxis in diesen Ländern ebenfalls weit verbreitet ist.

UNICEF wiederum berichtet, dass 30 Millionen Mädchen in Afrika von FGM bedroht sind!

Laut neuesten Schätzungen der EU leben heute mindestens 1 Million betroffene Frauen in Europa und FGM wird auch hier praktiziert.

Die US Organisation“ Equality Now“ spricht von 500 000 bis zu 1 Million betroffenen Frauen in den USA.

Schlimm und traurig ist die Gleichgültigkeit der Politikerinnen.

Außer Sonntagsreden zu halten und Presseaussendungen zu versenden wird nichts getan, um Millionen kleiner Mädchen vor diesem brutalen Verbrechen zu schützen und die Opfer medizinisch zu versorgen.

Der Kampf gegen FGM muss weitergeführt werden und kann nur gewonnen werden, wenn sich alle Menschen einbringen!
MR: Wie wichtig ist Aufklärung im Westen zum Thema? 
WD: Es bedarf Aufklärung und strenger Gesetze, die auch angewandt werden, damit die Täterinnen sehen, dass das Verstümmeln kleiner Mädchen nicht toleriert wird und man dafür hart bestraft wird. Sonst wird sich nichts ändern.
MR: Die Genitalverstümmelung der Frau ist für mich die vollständige Entwürdigung und Entmündigung der Frau. Wie sehen Sie das?
WD: Es ist das zynischte Verbrechen an kleinen Mädchen, eine schwere Menschenrechtsverletzung. Die Mädchen werden gebrochen, seelisch zerstört, gefügig gemacht, damit sie nach den „Vorstellungen“ der Gesellschaft aus der sie kommen funktionieren.

FGM ist durch nichts zu rechtfertigen.
MR: Welche sind die Haupthindernisse in den Ländern, in denen diese brutale Praxis immer noch traditionell weitergeführt wird?


WD: Komplette Ignoranz gegenüber Menschenrechten und die katastrophal schlechte Stellung der Frauen in diesen Gesellschaften.

Eine Frau kann man kaufen, vergewaltigen, verprügeln und wenn man sie nicht mehr will mit den Kindern rauswerfen.

Die Frauen sind aber gleichzeitig das familiäre und wirtschaftliche Rückgrat in diesen Ländern.
MR: Genitalverstümmelung ist auch Gewalt von Frauen gegen Frauen. Wie sehen Sie das? 
Natürlich. Der Druck der Gruppe ist enorm. Du tust, was man von dir erwartet. Schon als Mädchen wird dir gezeigt, dass du keinen Wert hast. Viele betroffene Frauen haben jegliches Selbstwertgefühl verloren und entwickeln oft enormen Hass gegen sich selbst.  
MR: Was wünschen Sie sich für die neuen Generationen der afrikanischen Mädchen und Frauen?


WD: Liebe, Respekt, den Besuch einer Schule, eignes Einkommen und die Chance auf ein selbstbestimmtes Leben.