Zahra Ali: Den muslimischen Feminismus will keiner haben…
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von Émilie
Laystary,Vice, 30.02.2013. Deutsche Übersetzung von Milena Rampoldi,
ProMosaik e.V. Ein älterer und gleichzeitig äußerst aktueller Artikel, der die
Ablehnung gegenüber dem islamischen Feminismus als einem inneren Widerspruch
thematisiert. Die französische Feministin Zahra Ali erklärt uns, wie es aber
viele Arten und Weisen gibt, Feministin zu sein.
Zahra Ali ist eine französische Soziologin, die sich auf Genderfragen und
den Nahen Orient spezialisiert hat. In ihrem Buch beschreibt sie die Geschichte
des islamischen Feminismus und erklärt das Wesen des Glaubens an Gott, weil die
Islamisten alles kaputt machen. Sie erörtert auch, welche die Hauptgegner des
islamischen Feminismus sind. Vor allem sind es die westlichen Feministinnen,
die der Ansicht sind, das Kopftuch würde die Entfremdung der Frau bedeuten. Der
zweite Feind sind die muslimischen Fundamentalisten, die den Feminismus als ein
westliches Phänomen ansehen. Ich habe sie interviewt, um zu verstehen, was es
heute bedeutet, eine muslimische Feministin zu sein und warum irgendwann alle
etwas gegen sie haben werden.
VICE: Viele sind der Meinung, dass „Feministin“ und „Muslimin“ zwei
unvereinbare Identitäten sind.
Zahra Ali: Es ist immer dieselbe Geschichte. Für den Großteil der
westlichen Feministinnen, ist der Feminismus ein Kampf gegen das Patriarchat.
Der Islam ist die patriarchalischste Religion, was bedeutet „man keine Feministin
sein kann, wenn man an Allah glaubt“.
Was ist der islamische Feminismus?
Die muslimischen Feministinnen setzen sich für eine Neuauslegung der
heiligen Quellen des Islam ein. Nach dem Tode des Propheten haben die Männer
den Sinn des Korans verfälscht, um Macht auf die eigenen Frauen auszuüben und
sie zu beherrschen.
Kannst du mir ein Beispiel eines Koranverses anführen?
Der Koranvers, auf den sich die Männer am meisten beziehen, ist der Vers 34
aus der Sure der Frauen, der auf das Thema der „Verantwortung“ des Mannes
gegenüber der Frau fokussiert. Aber die Ayah wurde von den Männern so
ausgelegt, als bestätige sie die Überlegenheit des männlichen Geschlechts.
2005 wurde ein internationaler Kongress des islamischen Feminismus
organisiert, aber seitdem spricht man in den Medien selten über diese Bewegung.
Der Begriff hat sich nur innerhalb der akademischen Welt weiterentwickelt.
Der angelsächsische Feminismus hat eine Erneuerung erfahren, vor allem im
Bereich der Selbstkritik. In Frankreich hingegen läuft es anders: die Franzosen
haben ein Problem mit der Religion. Aber sie sind aufnahmefähiger, wenn man die
Sache so präsentiert: „Die Migrantinnen sind mit dem vorherrschenden Modell des
westlichen Feminismus nicht zufrieden und möchten einen anderen Feminismus
erfinden, der ihren religiösen Werten entspricht.“
Wie würdest du den islamischen Feminismus definieren?
Es gibt viele Arten und Weisen, Feministin zu sein. Ich bin eine türkische
Migrantin und habe nicht dieselben Prioritäten einer weißen Frau, die in einem
schicken Viertel von Paris lebt. Das bedeutet aber nicht, dass eine Priorität legitimer
ist als die anderen.
Wie siehst du die Zukunft der Bewegung?
Wir müssen das Thema ausweiten, indem wir Überlegungen über die
interkulturellen und Klassenbeziehungen einschließen. Beispielsweise möchten
wir, dass die arabischen Länder einer Frau als Mufti akzeptieren und dass die
westlichen Feministinnen uns als „wahre Feministinnen“ ansehen. Aber um das
Ganze auch konkret umsetzen zu können, müssen die Muslime aufhören, uns als an
den Westen „verkaufte“ Frauen zu sehen. Und die Feministinnen im Westen müssen
aufzuhören, uns als „entfremdet“ anzusehen, weil wir uns frei entscheiden, ein
Kopftuch zu tragen.