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Für eine atomfreie Welt: ProMosaik im Gespräch mit Angelika Wilmen von der IPPNW


von Milena Rampoldi, ProMosaik e.V. – Die Internationen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges – Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. ist ein Verein, der sich weltweit für eine atomfreie Welt einsetzt. Die Hauptziele des Vereins sind die Förderung des Friedens, die soziale Verantwortung aller für eine atomfreie Welt, in der Abrüstung zur Priorität wird. Über die IPPNW haben wir mit der Pressesprecherin des Vereins, Angelika Wilmen, gesprochen, der ich herzlichst für ihre Zeit danken möchte. Leben und Krieg passen nicht zusammen. Daher müssen wir uns für das Leben entscheiden. 
  

Milena Rampoldi: Wer sind die IPPNW und welche
sind ihre Ziele?

Angelika Wilmen: In der IPPNW engagieren sich etwa 6.500 Ärzte, Psychotherapeutinnen
und Medizinstudierende für eine friedliche, menschenwürdige Welt frei von
atomarer Bedrohung. Wir setzen uns ein für die Ächtung jeglichen Krieges, für
gewaltfreie, zivile Formen der Konfliktbearbeitung, für den Erhalt unserer
natürlichen Lebensgrundlagen und eine gerechte Verteilung der Ressourcen sowie
für ein soziales und humanes Gesundheitswesen.
MR: Wie wichtig ist das
Engagement von Ärzten und Gesundheitspersonal für den Frieden und warum? 

AW: Menschen in Gesundheitsberufen haben einen besonderen Zugang zur
Bevölkerung, man verbindet mit ihnen Solidarität, Selbstlosigkeit und
Überparteilichkeit. Dadurch bieten sich Chancen, über die Grenzen verfeindeter
Parteien hinweg friedensbildend zu wirken. Gesundheit wird als übergeordnetes
Ziel aller definiert und Kriegsfolgen als Problem der gesamten öffentlichen
Gesundheit.
Gesundheitsarbeiter können darüber hinaus auf Menschenrechtsverletzungen
aufmerksam machen und Daten sammeln, die auf die Zusammenhänge zwischen Einsatz
bestimmter Waffen und der Häufung von Erkrankungen in der Zivilbevölkerung
hinweisen. Ein Beispiel dafür ist die Zunahme von Geburtsanomalien in
Kriegsgebieten noch Jahre nach Beendigung von Kampfhandlungen, die im
Zusammenhang mit dem Einsatz von Uranmunition stehen könnten. Medizinische
Friedensarbeit umfasst ein breites Themenspektrum – von der Vorbeugung von Selbstmord
und zwischenmenschlicher Gewalt, über die Stärkung von Menschenrechten und
gerechten Strukturen bis hin zur zivilen Konfliktbearbeitung und Prävention von
Atomkrieg. 


MR: Was bedeutet soziale
Verantwortung für Sie? 

AW: Unsere zunehmend kommerzialisierte Medizin lässt den Mensch hinter
ökonomische Interessen zurücktreten. Wir wollen aber, dass allen das Recht auf
gesundheitliche Versorgung zu Teil wird. Dabei gilt beispielsweise den
schutzsuchenden Flüchtlingen und Menschen ohne Papiere in unserem Land unser
besonderes Engagement.

MR: Wie engagieren Sie sich für
die Flüchtlinge und gegen den Syrienkrieg? 

AW: Die IPPNW setzt sich im Arbeitskreis “Flucht & Asyl” für die
medizinische Versorgung von besonders schützbedürftigen Flüchtlingen und
Menschen ohne Papiere ein. Ziel ist es, psychisch reaktive Traumafolgen als
Abschiebehindernis gesetzlich zu verankern. In Fortbildungen und Arbeitskreisen
versuchen wir Ärze in Praxis, Klinik und Gesundheitsamt, Richter und
Mitarbeiter in Behörden für Krankheitsbilder zu sensibilisieren, die auf eine
Traumatisierung hinweisen. Zwangsweise Abschiebungen von traumatisierten,
kranken und in Behandlung stehenden Flüchtlingen beinhalten die Gefahr
erheblicher, evtl. irreparabler Verschlechterung des Gesundheitszustandes mit
Selbst- und Fremdgefährdung. Abschiebehilfe durch Ärzte in Form von
Flugbegleitung, zwangsweiser Verabreichung von Psychopharmaka oder Ausstellung
einer Reisefähigkeitsbescheinigung unter Missachtung fachärztlich
festgestellter Abschiebehindernisse sind aus unserer Sicht nicht mit den in der
ärztlichen Berufsordnung verankerten ethischen Grundsätzen vereinbar. Die
Asylpolitik muss sich an unserem Grundgesetz und den Standards der
internationalen Flüchtlings- und Menschenrechtskonventionen orientieren. Dazu
gehören die Anerkennung von Folter als Asylgrund sowie die Abschaffung des
Flughafenverfahrens und die grundlegende Reformierung der Abschiebehaft. Das
Asylpaket II, das ausgerechnet die verletzlichste Gruppe der Flüchtlinge
trifft, lehnen wir ab.

Zu Syrien:
In Pressemitteilungen und Schreiben an PolitikerInnen setzen wir uns immer
wieder für Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen ein. Wir fordern zudem
einen Stopp der Waffenlieferungen in die Region. Auf Einladung der IPPNW
besuchten 2013 Vertreter der innersyrischen Opposition Berlin und führten
Gespräche mit Politikern des Auswärtigen Amtes, Repräsentanten politischer
Stiftungen und Journalisten. Im Vorfeld der Abstimmung im Bundestag über eine
deutsche Beteiligung am Militäreinsatz in Syrien im Dezember letzten Jahres,
haben wir die Bundestagsabgeordneten aufgefordert, einer deutsche Beteiligung
ihre Zustimmung zu verweigern. Der Einsatz von Tornado-Jets sowie die
Bereitstellung einer Fregatte wird Deutschland aus unserer Sicht noch tiefer in
einen nicht gewinnbaren Krieg ziehen und ist zudem völkerrechtswidrig. 

MR: Atomfreie Welt: wie erklären
wir, dass diese die einzige Alternative für die Menschheit ist? 

AW:  Die Bedrohung durch Atomwaffen ist nach Ende des Kalten Krieges nicht
geringer geworden. Weltweit existieren weiterhin mehr als 15.000 Atomwaffen.
Über 90% dieser Bomben sind im Besitz der USA und Russlands, die meisten davon
mit einer vielfachen Sprengkraft der Hiroshima-Bombe. 1.800 dieser Atomwaffen
befinden sich immer noch in höchster Alarmstufe und sind innerhalb von Minuten
abfeuerbereit. Eine einzige Bombe kann, über einer großen Stadt abgeworfen,
Millionen Menschen töten.

Militärische und zivile Nutzung der Atomenergie sind eng
miteinander verbunden. Wegen der Gefahren der Weiterverbreitung von Atomwaffen,
eines erneuten atomaren Super-GAUs und des nicht beherrschbaren
Atommüllproblems ist Atomenergie aus unserem ärztlichen Verständnis nicht zu
verantworten. Aus Sorge um die Gesundheit und das Leben von Millionen Menschen
fordern wir den Ausstieg aus der Atomenergie und eine Energiewende hin zu
dezentralen und erneuerbaren Energien.

MR: Berichten Sie uns bitte von
Ihrem Kongress “5 Jahre Leben mit Fukushima – 30 Jahre Leben mit
Tschernobyl”. 

AW: Vom 26.-28. Februar 2016 hat die IPPNW anlässlich der Jahrestage der großen
Atomkatastrophen den internationalen Kongress: “5 Jahre Fukushima, 30
Jahre Tschernobyl ” mit rund 350 TeilnehmerInnen veranstaltet.
Wissenschaftler und Protagonisten aus Japan, Weißrussland, der Ukraine und
aller Welt trafen sich in Berlin, um sich über den aktuellen Forschungsstand
auszutauschen und sich zu vernetzen. Dabei ist es uns gelungen, die Jahrestage
der Atomkatastrophen von Fukushima und Tschernobyl inhaltlich mit dem
weltweiten Atomausstieg, der Energiewende und dem Kampf gegen die atomare
Bedrohung zu verknüpfen und zu gemeinsamen Handeln aufzurufen.