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3ALOG e.V.: Wissen und Begegnung, ein Gespräch mit Florian Volm


von Milena Rampoldi, ProMosaik e.V. – Ein sehr aufschlussreiches Interview mit Florian Volm M.A. Mitgründer und Vorstandsvorsitzender von 3ALOG e.V., Promovend der Islamwissenschaft & Turkologie an der Bamberger
Graduiertenschule für Orient-Studien (BaGOS). Ich habe mich mit ihm über den interreligiösen Dialog, über die Begegnung, die Ziele seines Vereins, Empathie und Strategien zwecks Bekämpfung der Islamfeindlichkeit unterhalten. Möchte ihm herzlichst für seine wichtigen Impulse danken.

Milena Rampoldi: Warum ist die mediale
Vermittlung religiöser und interreligiöser Inhalte heute so wichtig?
Florian Volm: Kurz und knapp: Weil Religion und religiöse Akteure sich wie jeder
andere Akteur (oder Dienstleister) im gesellschaftlichen Leben den
Vorbedingungen anpassen muss; und religiöse Institutionen bilden in dieser
Entwicklung leider das Schlusslicht. Jede Schülerin und jeder Schüler nutzt ab
der fünften Klasse ein Smartphone, wir verbringen 54% unseres Tages am Handy, Studierende
konsumieren TV-Inhalte per Online-Stream, Kommunikation ohne Whatsapp ist
unvorstellbar. Seit Gründung im Jahr 2006 verzeichnet YouTube enorme
Zugriffszahlen und zeitgleich ist auch die Anzahl an kritisch zu
hinterfragenden Online-Predigern gestiegen. Weil religiöse oder
konfessionell-gebundene Institutionen nicht reagiert haben und keine Konkurrenz
bieten, können Leute wie Pierre Vogel den Jugendlichen auch falsche
theologische Inhalte auftischen, die dennoch konsumiert werden. Letztlich kann
man salafistischen oder radikalen YouTubern sicher einen unzeitgemäßen Islam
vorwerfen, ihre Methoden sind es jedoch überhaupt nicht! Aber auch die
christlichen Kirchen leiden unter Mitgliederschwund. Hier ist eine deutliche
Abkehr
vom institutionalisierten Christentum auszumachen, auch weil man religiöse
Inhalte dann abrufen will, wenn es passt und nicht sonntags im Gottesdienst –
was dem Prinzip Streaming nämlich diametral gegenübersteht. Deutschlandweit
sind 2013 über 176.000 Personen aus der EKD ausgetreten, aus der katholischen
Kirche im Jahr 2014 über 217.000; in beiden Kirchen ein starker Zuwachs an
Austritten gegenüber den Vorjahren. Auf der anderen Seite stehen Freikirchen,
die online unglaublich aktiv und erfolgreich sind. Um weiterhin junge Menschen
zu erreichen, braucht es neue Angebote der etablierten Akteure und diese müssen
sich im Netz, in den sozialen Medien, in entsprechender Sprache, neuem Design
und angepassten Inhalten finden. Ein schönes Beispiel – und auch als Print
erhältlich – ist die katholische Zeitschrift Melchior, die sich vor herkömmlichen Hipster-Magazinen nicht
verstecken muss.

MR: Welche Hauptziele
verfolgen Sie mit 3ALOG?
FV: Wir wollen aktiv an den oben genannten Problemen mitgestalten und im
Internet mehr interreligiöse Inhalte teilen und damit das friedliche
Miteinander  – vor allem zwischen
Jugendlichen – sichern. Wir haben uns auf die Fahne geschrieben, religiöse
Themen differenziert von ExpertInnen erklären zu lassen und damit religiöse und
gesellschaftliche Vielfalt abzubilden. Wir betreiben letztlich Dialog und Prävention,
indem wir unterschiedliche Perspektiven zusammenbringen, keine
Schwarz-Weiß-Malerei betreiben und Differenz positiv konnotieren. Der
Salafisten-Szene im Netz stellen wir somit Gegennarrative entgegen. Was uns von
anderen Projekten unterscheidet ist, dass wir den Fokus auf die Bedürfnisse der
Jugendlichen in Deutschland legen. Wir publizieren keine Bücher, sondern
produzieren Kurzvideos mit maximal 7 Minuten Länge (man beachte die
Aufmerksamkeitsspanne auf YouTube) und teilen diese auf allen verfügbaren sozialen
Kanälen und responsive auf allen Endgeräten. Entsprechend Mühe geben wir uns bei
der Auswahl der ExpertInnen in den Videos, die als role models wahrgenommen werden sollen und vor allem die Sprache
der Jugendlichen sprechen. Neben einem ansprechenden Design, das nicht auf den
ersten Blick religiös wirken soll, ist hinter den Videos die technische
Komponente wichtig. 3ALOG setzt auf Suchmaschinenoptimierung (SEO), AdWords und
weitere Standards, um bei Suchanfragen auf Google weit oben angezeigt zu
werden.
Wir können uns nicht darauf verlassen, dass junge Menschen
Webseiten differenziert betrachten und aussortieren; meist wird doch eines der
ersten Suchergebnisse geklickt und der erste Schritt zu falscher Information
ist getan. Wenn wir geklickt werden, gibt es immerhin einen jungen Menschen
weniger, der ein Vogel-Video schaut!
MR: ProMosaik ist der Ansicht,
dass Wissen und Beziehung zu Menschen die beiden besten Instrumente sind, um
Vorurteile gegenüber anderen Religionen zu überwinden. Wie sehen Sie das?
FV: Dem kann ich nur zustimmen. Wer mit Scheuklappen durch die Welt geht und
dabei nicht über den berühmten Tellerrand hinauskommt, wird mit subjektiv
Fremdem nicht umgehen können oder es vielleicht sogar als Bedrohung wahrnehmen,
egal ob man das christliche Abendland oder eine religiöse Weltanschauung in
Gefahr sieht. Aber jeder, der schon im Ausland war, einen Sprachkurs außerhalb
Deutschlands gemacht hat oder auch nur im Heimatdorf mit den muslimischen
Nachbarn ins Gespräch gekommen ist, bemerkt schnell, dass man im Endeffekt
immer mehr Gemeinsames als Trennendes findet. Vor allem kann auch das Interesse
am Gegenüber geweckt werden. Ich bin Teilnehmer in einem Sonderprojekt namens Dialogperspektiven, bei dem Menschen
unterschiedlichster Religionen partizipieren. Wir mieten uns alle sechs Monate
für eine Woche in einem Tagungshaus ein und diskutieren einfach nur über
Religion und vor allem über uns…der persönliche Gewinn ist enorm und schon
jetzt ist die Vorfreude auf das kommende Treffen groß. Dieses Interesse an
einer anderen – aber auch der eigenen – Religion wollen wir als 3ALOG bei jungen
Menschen wecken, indem wir ihnen in Videos zeigen, was es alles gibt und wie
schön Differenz sein kann.

MR: Die Pegida-Bewegung rückt
immer mehr den Islam als Problemreligion in den Fokus. Wie setzen Sie sich
dafür ein, damit der Islam im Westen auch positiv gesehen wird?
FV: Wie Sie bereits gesagt haben, mit Wissen und Begegnung. Zum einen, indem
wir unterschiedliche Inhalte, Interpretationen und Strömungen des Islams und
somit dessen Vielfalt vorstellen, zum anderen durch Offline-Begegnung inmitten
der Gesellschaft, die wir momentan als Projekt an Schulen realisieren. Unsere
Videos bieten hier einen Einstieg, der im Alltag fortgeführt werden muss. Wir
wollen die Pegida-AnhängerInnen nicht einfach kritisieren, sondern durch unsere
Videos eine positive und konstruktive Gegenrealität aufzeigen und Ängste
abbauen. Dazu sollen in Zukunft vermehrt persönliche Videos gedreht werden, in
denen junge Muslime einfach nur von ihrem muslimisch-jüdisch-christlichen
Freundeskreis oder ihrem Lieblingshobby erzählen. Dann entdecken die
ZuschauerInnen Parallelen und plötzlich ist man nicht mehr fremd oder
problematisch und vielleicht wird dann auch damit aufgehört, eine ganze
Religion pauschal zu verurteilen. Wir haben aber nur einen begrenzten Pool an
Freiwilligen, die vor die Kamera treten wollen und sind hier auf die
Unterstützung beispielsweise der islamischen Verbände angewiesen. Sie könnten
in den Gemeinden Werbung für 3ALOG machen und Freiwillige zum Engagement
ermutigen; womit die Menge an Videos steigen würde, wodurch wiederum sowohl
salafistische als auch anti-islamische Videos im Netzt verdrängt werden würden.
Je mehr differenzierte Videos es gibt, desto höher die Chance einer Veränderung
der Sichtweise auf den Islam.
Wichtig ist, keine rosarote Brille aufzusetzen, wenn es um Probleme in
traditionell-muslimischen Gesellschaften oder theologischen Diskursen geht,
diese klar zu benennen aber vor allem positive Gegenbeispiele aufzuführen. Das
Belächeln der Pegida-AnhängerInnen hilft niemandem, man muss die durchaus
fragwürdigen Parolen als Fragen aufnehmen, die man in unseren Videos
beantworten kann. Will eine deutsche Muslima die Einführung der Scharia? Gibt
es Muslimas, die kein Kopftuch tragen und dennoch gläubig sind? Wenn es für
diese und ähnliche Fragen mediale Anlaufstellen gibt, lösen sich bestimmt
einige Fragezeichen und damit auch die Parolen auf Montagsdemos auf.
MR: Wie wichtig sind für Sie
Empathie und Respekt der Unterschiede im interreligiösen Dialog?
FV: Dialog ist ein kommunikativer Prozess, der neben meinem Sprechakt auch
die Gegenrede eines Gegenübers fordert. Dafür sind Empathie und Respekt
unerlässlich, weil nur dann ein wechselseitiges Gespräch entstehen kann. Auch
wenn ich mir persönlich nicht vorstellen könnte, in aller Frühe zum Gebet
aufzustehen, habe ich Respekt vor jedem Menschen, der genau das tut und
reagiere nicht mit Unverständnis. Man muss mir aber auch das Recht zugestehen,
diese Meinung und die Entscheidung gegen das Morgengebet so äußern zu dürfen.
Für beide Seiten ist Empathie und Verständnis also der Schlüssel zum
erfolgreichen Dialog, alles andere gleicht Überzeugungsarbeit, Abschottung oder
einem Monolog. Je mehr Dialog ich führe, auf desto mehr Unterschiede werde ich
stoßen und schnell feststellen, dass diese Differenzen unglaublich bereichernd
sind. Ich bin in dieser Hinsicht vielleicht etwas naiv, aber bin der Meinung,
dass jeder Mensch ab einem bestimmten Punkt diese Empathie und diesen Respekt
aufbringt, es kommt nur auf die Häufigkeit der Begegnungen an. Vielleicht muss
man im Dialog auch nicht immer alles verstehen, was gesagt wird, aber solange
niemand Drittes dadurch geschädigt wird, ist das völlig in Ordnung.
MR: Wie wichtig ist der
Austausch mit Experten verschiedener Religionen und warum?
FV: Für wichtiger als den Austausch zwischen ExpertInnen untereinander halte
ich den Austausch und den Dialog von ExpertInnen mit der Mehrheitsgesellschaft.
Ich bin oft auf Konferenzen, bei denen interessante und spannende Gespräche und
Debatten geführt werden, solange diese und vor allem deren Resultate aber nicht
in die Gesellschaft durchsickern, werden sie keine Früchte tragen. Das heißt,
ExpertInnen sollen sich austauschen, Konsens festlegen, Quellen historisch-kritisch
interpretieren, aber die Ergebnisse verständlich nach außen kommunizieren. Vor
allem sind die ExpertInnen per se FreundInnen des Dialogs, die ihre Erkenntnis
mit Menschen teilen sollten, die diese noch nicht erlangt haben. TheologInnen
aller Religionen und WissenschaftlerInnen aller Disziplinen sind hier Vorbilder
für Gesellschaft und Politik. Daher plädiere ich für ExpertInnen, die ihr
Wissen mit 3ALOG und somit der Welt teilen.
Biographie von Florian Volm:
Geboren 1985
2006-2009:
Bachelor-Studium der Fächer Islamwissenschaft und
Gesellschaftswissenschaften an der Universität Basel

·     Dazwischen: Auslandsaufenthalte in Syrien und der
Demokratisch Arabischen Republik Sahara

      2010-2013: Master-Studium der Islamwissenschaft an der
Universität Tübingen und der Istanbul Üniversitesi
 
      2012-2014: Wissenschaftlicher Assistent im Projekt
„Gesellschaft gemeinsam gestalten – junge Muslime als Partner“ der Akademie der
Diözese Rottenburg-Stuttgart und der Robert Bosch Stiftun

     Seit 2013: Promovend der Islamwissenschaft & Turkologie an der Bamberger Graduiertenschule
für Orient-Studien (BaGOS) und der Dokuz Eylül Üniversitesi Izmir

      August
2013: Gründung von 3ALOG