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Stefan Weidner im Gespräch mit ProMosaik e.V.: Dialog mit dem Islam

Stefan Weidner

von Milena Rampoldi, ProMosaik e.V. – Anbei unser Interview mit dem Kölner Journalisten, Islamwissenschaftler und Übersetzer Stefan Weidner Chefredakteur der Zeitschrift Fikrun wa Fann. Diese wird vom Goethe-Institut herausgegeben und verfolgt das Ziel, den Dialog zwischen der westlichen und islamischen Kultur zu fördern. Weidner übersetzt vor allem arabische Poesie ins Deutsche. Er ist auch Gründungsmitglied der Akademie der Künste in Köln und der PEN-Zentrum Deutschland. Ich möchte mich bei Herr Weidner herzlichst für seine Zeit bedanken. Ich habe ihn über den Dialog mit der islamischen Welt, die Zielsetzungen seiner Zeitschrift und seine Werke befragt.

Milena Rampoldi: ProMosaik setzt sich in
dieser schwierigen Zeit für den Dialog mit der islamischen Welt ein. Wie macht
man das Ihrer Erfahrung nach am besten?
Stefan Weidner: Echter
Dialog bedeutet Wechselseitigkeit, verschiedenen Stimmen, Sichtweisen. Auch
Kritik, ein unkritischer Dialog ist keiner oder ist langweilig. Differenz muss
akzeptiert werden, soll auch gezeigt werden dürfen. Nur dann kann man
zusammenkommen, nur wenn man das Problematische nicht ausspart. Es gibt immer genug
gemeinsame Grundlagen, auch wenn es Differenzen gibt. Außerdem sind Differenzen
bereichern. Von dem, was man schon längst weiß und akzeptiert, lernt man
nichts. Das alles natürlich auf der Grundlage von echtem Interesse am
Austausch, am Entgegenkommen. Mit purer Konfrontation, die jetzt überall Mode
ist, weil sie einen hohen Show-Wert hat, kommt man nicht weiter. Also bitte
keinen Dialog à la hart aber fair. Das ist nur für Leute, die sowieso immer
schon alles besser wußten…



MR: Wie kann die
Poesie zu interkulturellen und interreligiösen Dialog beitragen?
SW: Ganz
besonders natürlich. Poesie ist in aller Regel eine unideologische, politisch
freie Sprache. Sie drückt Gefühle, Hoffnungen, Ängste aus. Natürlich gibt es
auch Agitprop-Poesie, verlogenes Herrscherlob, besondern in der arabischen
Dichtung. Aber die gute Lyrik ist ehrlich. Man lernt den anderen als Menschen
kennen, und seine intimste Ausdrucksweise. Das gilt auch für die ältere Lyrik.
Wenn man wissen will, was die Vorstellungswelt der Araber über Jahrhunderte bis
heute geprägt hat, muss man nur z.b. den “Übersetzer der Sehnsüchte”
von Ibn Arabi lesen, das ich gerade übersetzt habe (Jung und Jung Verlag)

MR: Welche
Hauptziele verfolgt die Zeitschrift Fikrun wa Fann?
SW: Gedankenaustausch,
Dialog, Beförderung der wechselseitigen Kenntnis auf kulturellem und
Hintergrund-politischem Gebiet. Das ganze aber über vertiefende Texte, nicht
über oberflächliche Infos, die man überall bekommen kann. Es geht darum, sich
wechselseitig beim Nachdenken und Hinterfragen zu unterstützen und auf die
Dinge und Aspekte hinzuweisen, die man sonst in der Begegnung oder in den
Medien leicht übersieht.



MR: Berichten Sie
uns bitte von Ihrem Buch Anti-Pegida.
SW: Das Buch ist
eigentlich eine Auseinandersetzung mit der sogenannten Islamkritik. Denn woher
haben die Pegida-Leute ihre Argumente. Die selber forschen und denken ja nicht,
sie plappern nur nach was sie die ganze Zeit in vielen Medien und Webseiten
hören und lesen, und zwar von der sogenannten Islamkritik. Diese hat es mit
Auftritten in den einschlägigen Talkshows bis in die Mitte der Gesellschaft
geschafft. Auch ehemals seriöse Denker übernehmen heute ihre Argumente, gerade
in Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise (Sloterdijk, Safranski, Zizek, oder,
wie in meinem Buch erwähnt, Enzensberger). Ich versuche nun, möglichst sachlich
und cool, die Schwachstellen dieser islamkritischen Positionen aufzuzeigen und
nachzuvollziehen, woher diese Argumente kommen, zum Beispiel ihre
Verwandtschaft mit dem Antisemitismus aufzuzeigen oder zu zeigen, wie sie als
Blitzableiter für Wut und Frustrationen wirken, wie wir es ja heute ganz
handfest erleben, zuletzt an der beschämenden Szene mit dem belagerten
Flüchtingsbus. Ein Detail übrigens, über das niemand schrieb: ist es nicht
zynisch, dass auf dem Bus immer “Reisegenuss” zu lesen war? Das
unterstellen ja die Flüchtlingsfeinde den Flüchtlingen: Dass sie vom Staat
verwöhnt werden, während sie, die eigentlichen Bürger, nicht in diesen
“Reisegenuss” kommen. Wirklich pervers, dass die Busgesellschaft das
nicht abgestellt hat. Es erinnert mich an die Sprüche am Eingang der KZs:
Arbeit macht frei. Oder: Jedem das Seine.
Das Buch ist vor einem Jahr erschienen und gespenstischerweise immer aktueller
geworden (Achtung, man krieg es nur bei Amazon).



MR: Wie wichtig
sind Übersetzungen für den interkulturellen und interreligiösen Dialog mit dem
Islam heute?
SW: Ganz
wichtig! Nur mithilfe von Übersetzungen können wir einen sachlichen, vertieften
Dialog führen. Alles andere sind Feuilletondebatten, die mehr auf Meinung als
auf Kenntnis beruhen. Was kann denn ein offen interessierter Deutscher aus der
Jahrhundertealten, langen islamischen Literatur heute lesen? Fast nichts, außer
dem schwerverständlichen Koran, und einer Hadith-Auswahl bei Reclam. Sonst ein
bißchen Philosophie, eher etwas für Fachleute, aber die Hauptwerke von
al-Ghazali, Tabari, Ibn Arabi (nur Auszüge), Ibn Taimiyya udlg gibt es nicht
auf deutsch, erst Recht nicht in guten Ausgaben. Leider hat der Verlag der Weltreligionen
sein Programm jetzt eingestellt, und leider ist im Bereich Islam dort nie viel
publiziert worden. Auf welcher Grundlage diskutieren wir also? Wir können ja
nicht von den Leuten verlangen, Arabisch zu lernen oder sich alles auf englisch
und französisch zu erlesen. Und von Pierre Vogel wollen wir uns den Islam auch
nicht erklären lassen…

MR: Welche sind die
besten Strategien, um sich der Islamfeindlichkeit in Deutschland zu
widersetzen?

SW: Mit dem harten Kern der Islamfeinde kann man nicht
diskutieren, aber man kann in der Regel leicht ihre Argumente wiederlegen. Sie
sind alle gut in Oberflächlicher Rhetorik, das können Sie. Inhaltlich,
argumentativ haben sie nichts zu bieten. Darauf muss man hinweisen, damit die
Leute ihnen nicht auf den Leim gehen. Wichtig ist dabei, selber kritisch zu
bleiben, die Kritik nicht den Islamfeinden zu überlassen. Natürlich ist nicht
alles toll im Islam, heute schon gar nicht. Aber das kann ich sagen, ohne deswegen
alles Muslimische zu verteufeln. Das beste Mittel ist daher Sachlichkeit und
Objektivität, nicht Eiferei und Polemik. Das überlassen wir denen, die nichts
anderes zu bieten haben.