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Lothar Bührmann: Ich engagiere mich zeichnerisch für Frieden und explizit gegen Krieg und Folter


Von Milena
Rampoldi, ProMosaik e.V. – Hier im Folgenden ein Interview mit dem Cartoonisten
Lothar Bührmann, mit dem ich über seine Kunst und die Bedeutung der Cartoons
für das Engagement im Sinne des Friedens und des Antimilitarismus gesprochen
habe. Lothar Bührmann wurde 1946 in Bremen geboren, wo er an der Akademie für
Gestaltung Malerei studierte. Von 1970 bis 2007 war er als Kunsterzieher am
Domgymnasium in Verden und als freischaffender Künstler tätig. Für sein
Engagement für den Frieden erhielt Lothar Bührmann 1997 den Friedens- und
Kulturpreis der Villa Ichon in Bremen. Ich möchte ihm herzlichst für seine Zeit
und seine interessanten Anregungen danken. Für mich hängen Kunst und
Friedensarbeit sehr eng miteinander zusammen und ich finde, dass man durch die
Reflexion über Cartoons wie die von Herrn Bührmann, die nicht überladen
rüberkommen, sondern einen sehr schlichten Eindruck machen, sehr gut neue
Denkansätze für die Friedensarbeit entwickeln kann. Weitere Informationen finden Sie auf der Webseite des Künstlers unter http://lothar-buehrmann.de/


Anbei “Inferno” von 1999, eine Zeichnung von Lothar Bührmann:


Milena
Rampoldi: Wie wichtig sind Bilder, um Ideen wie Frieden und Antimilitarismus zu
übermitteln?
Lothar Bührmann:
Hier möchte ich mit einem Zitat des Schriftstellers David Grossman antworten:
„Der Ort, an dem
Tod und Leben einander für mich am nächsten sind, ist die Kunst. Die Kunst ist
der Ort, an dem wir die Leere, die Nichtigkeit und den Schrecken des Todes und
zugleich die Ganzheit des Lebens denken und fühlen können.“
Besser hätte ich
die Frage nicht beantworten können, denn ich fühle mich lebendig, wenn ich
zeichne. Es ist meine Art, in dieser Welt zu sein.
MR: Wie
fanden Sie Ihren Weg zu den Cartoons? Warum sind schlichte Bilder effektiver
als überladene Bilder?
LB: Das Fazit im
Voraus: ein geglückter Cartoon, das bedeutet für mich größte Freiheit am Anfang
und größtmögliche Geschlossenheit am Ende der Arbeit, intensivste und intime
Form des Zeichnens, Nähe zu mir selber, Kunst.
Ein Wort zum
Zeichentischleben, zur Arbeitsweise.
Ich sitze in
meinem Atelier, manchmal an anonymen Orten, zeitweise liege ich (mit Lektüre)
auf dem Sofa. Außer dem Netz meiner Gefühle, dem Gitter meiner Erfahrungen und
dem wechselnd beschränkten Zeitvorrat habe ich meinen Abrissblock.
Aus tausend und
abertausend Scherben entwickele ich an den gängigen Parolen entlang immer
gleiche Geschichten, deren Einfachheit und Klarheit alle Betrachter besticht,
obwohl sie Zeichnung für Zeichnung von der Wirklichkeit so weit wie von der
Wahrheit entfernt sein können.
Diese
Gedankenscherben können einen Cartoon auslösen, können der Arbeit weiterhelfen,
mich eine verdichtete Form finden lassen.
Allerdings
gewinnt nur jede zehnte, zwanzigste Notiz irgendwann Bedeutung.
Ich bin nicht
immer heiter, ich bin meist ernst. Ich will immer hinter die Dinge schauen, dem
nicht auf Anhieb Sichtbarem auf die Spur kommen, es in Metaphern kleiden.
Bisweilen
verschlüssele ich die Botschaft so kompliziert, dass das Rätsel sich kaum lösen
lässt, mitunter auch gar nicht oder ganz anders. Wer zu bequem ist, sich in
derlei Gedanken-Abenteuer hinein zu sehen, hat in diesen Cartoons nichts
verloren. Oft sind die Zeichnungen wie Lesebilder, die man, ehe man in ihre
Syntax eindringt und ihrem Inhalt nachspürt, buchstabieren muss – um sie
“verstehen” womöglich genießen zu können.
Wenn ich mich
anspanne, ohne zu verkrampfen, werde ich zeichnen können, was gestern noch
nicht möglich war, was morgen vielleicht schon verschüttet ist. Diese Stimmung
löst am ehesten einen Cartoon aus.
Auf jedes
Detail, auf jedes Zeichen, jedes Bild, die festgelegt sind, suche ich eine
Antwort, als Annäherung und als Weiterführung. Hinter einem solchen Verfahren
steht die Erwartung und Hoffnung, dass der Cartoon meinem Denken immer näher
kommt, dass die fertige Zeichnung und meine Welt der Empfindungen und
Überlegungen, der ästhetischen Vorstellungen sich im Prozess von Frage und
Aussage und meine Antwort aufeinander zu bewegen.
So öffnet das
Zeichnen von Cartoons die Möglichkeit, der engen unverwechselbaren
Zeichensprache -also Ikonografie – auf der Spur zu sein, ja sie wenigstens
ansatzweise zu beherrschen.
Das Zwiegespräch
zwischen den Zeichen auf dem Papier und mir, macht mich vor mir selber
wahrnehmbar. Denn das, was ich in Form stark stilisierter, verkürzter und
verdichteter Zeichnungen setze, ist keine Widerspiegelung von Erlebnissen,
sondern von Empfindungen, von Mitleid, Trauer und Empörung etwa, ist eine
Kette, ein Arrangement innerer Bilder, Cartoons eben, Kunst vielleicht.
MR: Welche
sind die Hauptthemen Ihrer Cartoons?
LB: Hauptthemen
meiner Cartoons sind seit 1965 die Schwerpunkte Literatur, Musik, Bildende
Kunst, Sport und Internationale Politik – zusammengefasst in Mappen mit jeweils
eigenen Titeln.
MR: Welche
Hauptziele verfolgen Sie mit Ihren Cartoons für den Frieden und gegen den
Krieg?
LB: Karikatur
heißt ja im Wortsinn, dass da etwas schwer Beladenes unterwegs ist; das
lateinische Wort “caricare“ bedeutet so viel wie: belasten, den Karren bis zum
Rand füllen. Karikieren hat also mit Überladen, Übertreiben zu tun. Karikaturen
entstellen Vorgänge und Verhältnisse sozusagen bis zur Kenntlichkeit. Dafür
lege ich als Karikaturist den Finger demonstrativ in die Wunden der
Gesellschaft; ich mache Ärger, wo andere Harmonie machen. Ich lege plötzlich
schmerzhaft bloß, was aus den Fugen geraten ist. Als guter politischer
Cartoonist muss ich allemal ein unsicherer politischer Kartonist sein. So wirken meine Cartoons
in meiner Zeit mit meinen ureigenen Mitteln. Dafür kann ich nicht beim nur
Witzigen bloß Komischen stehen bleiben, sondern engagiere mich zeichnerisch für
Frieden und explizit gegen Krieg und Folter.
Anbei einige aussagekräftige Cartoons von Lothar Bührmann: