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Islam gegen die Beschneidung der Frau – FGM, ein religionsunabhängiges Ritual


von Milena Rampoldi, ProMosaik e.V. Die Beschneidung der Frau, auch als Gentilalmutilation (FGM, Female Genital Mutilation oder FGC, Female Genital Cutting) bekannt, wird immer noch in traditionellen Gesellschaften mit dem “Islam” begründet und gerechtfertigt. Dabei ist sie im Sinne des Islam verboten, weil sie dem Körper und der Seele der Frau enormen Schaden zufügt. Die Genitalmutilation ist ein religionsunabhängiges, brutales Ritual, gegen die Frau, ihre Selbstbestimmung und ihre körperliche, emotionale und psychische Gesundheit Wir haben zum Thema die Gynäkologin Dr. Houaida Taraji interviewt, der ich herzlichst für Ihre Zeit danken möchte.
Dr. Houaida Taraji
Milena Rampoldi: Viele bringen die
Genitalmutilation der Frau in Verbindung mit dem Islam. Wie kann man dem auf
der Grundlage von Koran und Sunnah widersprechen?
Houaida Taraji: “Im
islamischen Recht ist die Bewahrung der Person – das Leben und die körperliche
Unversehrtheit – ein rechtliches Erfordernis.  Alles, das dieses
rechtliche Erfordernis gefährdet, indem es der Person Schaden bringt, ist
verboten.”
Aus den oben
genannten Gründen und dem hohen Gebot des Islam, die Gesundheit des Menschen zu
schützen, ist eine Frauenbeschneidung abzulehnen.
MR: Es gibt schwache Hadithe, die in
traditionellen afrikanischen Gesellschaften immer noch genutzt werden, um
Frauen zu beschneiden. Wie kann man dem am besten entgegenwirken?
HT: “Beschneiden,
aber nicht hinein schneiden, denn es macht das Gesicht (des Mädchens)
leuchtender und ist vorteilhafter mit dem Ehemann.” (Mu`jam al-Tabarânî
al-Awsat
) schwache Hadith.
Von
diesem Hadith nehmen die Gelehrten die Erlaubnis für die Beschneidung von
Frauen, weil der Prophet ausdrücklich verboten hat ins Extrem zu gehen,
aufgrund seines Verbots „nicht hineinzuschneiden“.  
Wenn
man die Aussagen der Gelehrten des Hadith betrachtet, findet man, dass eine
ziemlich große Anzahl der bekanntesten, wie Ibn Hajar, al-Bukhari, Abu Dawud,
al-Bayhaqi, ibn-ul-Mundthir, ash-Shawkani, feststellten, dass sie schwach seien
und man sich darauf nicht verlassen kann.  Ibn ul-Mundthir sagte:
“Es
gibt keine Überlieferung  über die Beschneidung, auf die man sich berufen
kann und keine sichere Überliefererkette, die nachverfolgt werden kann.”
Es
ist unter den Gelehrten des Islam bekannt, wenn ein Hadith für schwach und
unglaubwürdig befunden wird, dass es dann ist nicht erlaubt ist, diesen als
Beweis zu verwenden, um eine Regelung im Islam aufzustellen, denn alle
rechtlichen Regelungen in der Religion müssen mit authentischen, unzweideutigen
Beweisen belegt werden. 

MR: Die Frau hat im Islam das Recht
auf sexuelle Befriedigung. Wie kann man das Thema im islamischen Diskurs
enttabuisieren?

HT: Das
Islamische Recht schützt ebenfalls das Recht der Frau auf sexuellen Genuss, was
die Tatsache zeigt, dass eine Frau das Recht auf Scheidung besitzt, wenn ihr
Ehemann nicht für ihre sexuelle Befriedigung sorgt.  Was jene Muslime in
bestimmten Teilen der Erde angeht, die jene Art der genitalen Verstümmelung von
Frauen praktizieren, wenn sie in ihrem Verständnis vom Islam wachsen werden,
dann werden sie auch diese widerwärtigen Taten unterlassen.  Ein
deutliches Beispiel hierfür ist, dass die verschiedenen Gruppen in Kenya, die
keine Beschneidung der Frauen durchführen, Muslime sind, während es ein Land
ist, dessen Einwohner dafür bekannt sind, dass sie diese machen. 
MR: Erklären Sie uns bitte
medizinisch, wie schlimm die Genitalmutilation der Frau (Typ I, II und III)
ist.
HT:  Es
gibt diese Arten von FGC:
Typ I: Dies
ist die leichteste Form von FGC, die das Entfernen oder Teilen der Vorhaut, die
die Klitoris bei Frauen bedeckt, und so die Glans clitoridis freilegt. 
Typ II:
Diese Art ist unter dem Namen Klitoridektomie bekannt, die Klitoris und die
Labia minora wird teilweise oder vollständig entfernt. 
Typ III:
Eine der extremsten Arten der FGC ist die vollständige Entfernung der Klitoris,
sowohl der Labia minora und majora und das Verbinden der beiden Seiten der
Vulva über der Vagina durch Nähen mit Faden oder mit anderen Mitteln, so dass
sie schließlich zusammenheilen.  Nur ein kleines, bleistift-großes Loch
wird gelassen, um Menstruationsblut und Urin abfließen zu lassen.  Dies
ist als Infibulation oder pharaonische Beschneidung, auf ihren Ursprung bezug-
nehmend, bekannt. 
Die
Beschneidung der Frau weist im Gegensatz zur Beschneidung des Mannes keine medizinisch
relevanten Vorteile auf, jedoch eine Reihe von Nachteilen, so z.B.

– Wundinfektionen
sind bei der weiblichen Beschneidung aufgrund der weiblichen Anatomie sehr
häufig.

– Narbenbildung,
die bei Geburten
hinderlich und gefährlich ist.

– Gefahr von Harnwegsinfektionen durch Vernarbung, da die Blase
oft nicht vollständig oder nur mit großen Schwierigkeiten entleert werden
kann.

– Unterleibs-Infektionen und Stauungen, da Menstruationsblut
nicht oder nur ungenügend abfließen kann.

– Dadurch entsteht Infektionsgefahr für das Baby bei der Geburt
(Keime gelangen in Augen und Nase etc.)

– Die stark vernarbten weiblichen Geschlechtsteile begünstigen
Infektionen im Genitalbereich.

– Durch Entfernung oder Beschädigung der Klitoris wird die Frau
der sexuellen Erfüllung beraubt.

– Durch starke Vernarbung kann die Geburt derart verzögert
werden, dass das Kind unter Sauerstoffmangel leidet. Im Extremfall kann dies
zu Totgeburten führen.
MR: Welche sozio-politische Strategien
sind die besten, um in Europa die Muslime zu überzeugen, sich gegen die
Genitalmutilation der Frauen offen im Namen des Islam einzusetzen?
HT: Die
Herkunft der Frauenbeschneidung ist nachweislich nicht islamischer Art, zumal sie
auch pharaonische
Frauenbeschneidung genannt wird und in Ägypten auch von den Christinnen praktiziert
wird.
Gott sei dank gibt es in Europa keine
Frauenbeschneidung, die in irgendeiner Form religiös begründet wird.
Ich bin nun seit 25 Jahren Frauenärztin und sehe
dieses Phänomen 1mal jährlich bei den Zugewanderten aus dem afrikanischen Raum.
Es ist keine islamische
Handhabung.  FGC ist ein kulturübergreifendes und religionsunabhängiges
Ritual.  In Afrika und dem Mittleren Osten wird es von Muslimen,
koptischen Christen, Mitgliedern unterschiedlicher einheimischer Gruppen,
Protestanten und Katholiken praktiziert, um nur einige wenige zu nennen.”
 

Arten der Beschneidung
bei Frauen: 

Geographische
Verbreitung 

Verschiedene Arten von
FGC werden auf der ganzen Welt praktiziert, aber sie ist in Afrika, südlich der
Sahara,  am weitesten verbreitet; in einem Band, das sich von Senegal bis
Somalia erstreckt, wie die Karte zeigt.  Die Beschneidung existiert auch
im Mittleren Osten, Nord und Süd Amerika, Indonesien und Malaysia.  Der  Typ
III kommt exklusiv in Somalia, Sudan und Südägypten vor, und auch in manchen
Regionen Malis und Nigerias.  
In manchen
Gesellschaften, wie in Somalia, Eritrea und Äthiopien finden wir bei fast allen
Frauen Typ III der FGC. 
FGM war auch in Nord
Amerika und besonders in den Vereinigten Staaten allgemein verbreitet; bis 1950
wurden Typ I, II und III angewandt, um die Sexualität der Frauen zu
kontrollieren.  Klitoridektomie wurde aus unterschiedlichem Gründen
angewandt.  
Diejenigen,
die sie bloß als gestattet ansehen, begründen ihre Meinung auf einer
zusätzlichen Überlieferung von Um Atiyyah, worin der Prophet von einer
Beschneidung an einem Mädchen erfuhr.  Es wird von den Anweisungen für die
Frau, die sie durchführte, berichtet: 

“Sunna” Beschneidung

Häufig
ist zu hören, dass die Typ I FGM gelegentlich “Sunna” Beschneidung genannt wird.
Wir müssen allerdings betonen, dass der korrekte Standpunkt ist, dass es keinen
zuverlässigen Text
gibt, der direkt zu irgendeiner Form der Beschneidung
von Frauen auffordert, und damit ist die Angelegenheit anderen allgemeinen
Texten überlassen, die das Zufügen von Schaden verbieten und solchen, die zu
allem auffordern, das gesundheitsfördernd und nützlich ist.
 
Ein
Fundament des islamischen Rechts ist, dass etwas, das nicht speziell verboten
wurde, gestattet, aber immer noch anderen Texten(wie Schaden abwenden)
unterworfen ist.  Dies bringt eine Menge Toleranz in die Religion, aber es
gestattet auch, mit neuen Themen umzugehen, welche die Zeit mit sich
bringt.