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Der Monströsität das Zerbrechlichste entgegenstellen

von Johanna Heuveling, Pressenza 15.12.2015.
Der Monströsität das Zerbrechlichste entgegenstellen
Beitrag von Martin Storm vor Krauss Maffei in München
Poetry against Arms ist eine Initiative, die weltweit gegen die Rüstungsindustrie andichtet. Jeder kann mitmachen, in jeder Sprache und in jedem Land, um den Hauptverdienern der Kriege auf berührendste Weise die Auswirkungen ihrer Geschäfte darzustellen. Pressenza hat sich mit den Initiatoren der Kampagne, Luz Jahnen und Tom Bütikofer, unterhalten.
Der aktuelle Jahresbericht des Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) spricht zwar von einem Rückgang des Waffenhandels weltweit, doch das ist trügerisch. Einzelne, darunter Deutschland und Russland, weiteten ihre Geschäfte aus, so wie auch Länder wie Indien, Türkei und Brasilien. China, welches inzwischen unter den Top5 der Waffenexporteure rangiert, wurde in die Studie nicht einbezogen, weil von dort keine verlässlichen Zahlen vorlägen. Die Bundesrepublik machte erst kürzlich Schlagzeilen durch die erneute Genehmigung eines Deals von Heckler & Koch mit Saudi Arabien, obwohl Außenminister Gabriel eine strengere Kontrolle der Exporte in Staaten mit Menschenrechtsverletzungen versprochen hatte.
„Viele denken, man kann nichts machen. Aber wir müssen uns wehren.“ so erklärt der in der Schweiz lebende Tom seine Motivation zur Kampagne. „Es ist unglaublich, wieviel Energie und Ressourcen weltweit wir in das Militär setzen und gleichzeitig haben viele Menschen das Minimalste zum Leben nicht.“
Weg von der reinen Diskussionsebene
Poetry against Arms besteht aus einer zentralen Webseite, auf der man ein youtube-Video posten kann, mit der Beschreibung der Aktion und Angaben, wo sie gemacht wurde. Es können Aktionen vor Rüstungsunternehmen oder militärischen Anlagen sein. Die Idee ist es, vor diesem Ort seinen poetischen Beitrag zu machen. Das muss kein Gedicht sein, es kann auch ein Lied sein oder Theater oder tanzen. „Das haben wir bewusst nicht klar definiert.“ so Tom. Die Anfrage wäre auch, dass kurz beschrieben wird, was für ein Unternehmen das ist, was dort hergestellt wird, wieviel im Jahr umgesetzt wird, was wohin geliefert wird. „Aber wir überlassen das den Leuten, wie sie das machen wollen.“ Die Webseite ist in vier Sprachen verfasst, aber jeder kann seine Sprache im Video verwenden.
Überzeugt war Tom von der Kampagne, weil auf der logischen Ebene die Diskussionen schon seit langem geführt würden, aber das niemand bewege. „Was ich spannend finde, ist, wenn die Menschen anfangen, ihr Unbehagen auf eine eher skurrile, schräge Art auszudrücken, ohne dass alles immer intellektuell gerechtfertigt werden muss, in Diskussionen, bei denen eh niemand recht zuhört. Und ich denke schon, dass wenn das wirklich ins Rollen kommt, es auch die Gegenseite stören wird.“
Hoffnungsschimmer gegen Kultur der Rache
Die Idee zu Poetry against Arms kam Luz Jahnen, nachdem er seine Monographie „Rache, Gewalt und Versöhnung“ geschrieben hatte (zu der wir ihn separat interviewt haben). Ihm war bewusst geworden, wie tief der Mechanismus der Rache in unserer westlichen Kultur verankert ist, und dass wir keine Elemente der inneren Versöhnung und Überwindung der Gewalt haben. „Mir war während des Schreibens immer klar, dass daraus auch Handlungen folgen müssten. Und ausserdem ist für mich klar: mein Leben dient der Überwindung der Gewalt. Das liegt mir aus vielen Gründen sehr am Herzen. Aber wie kann man dieser organisierten Gewalt – Militär, Finanzen – wie kann man denen etwas entgegenstellen, was auch nur ansatzweise einen Hoffnungsschimmer birgt?“
„Wir können uns nicht messen“, so Luz weiter „und sollten es auch nicht. Und es kam mir sehr einsichtig, sehr kohärent vor, dass wir dem Monströsen das Zerbrechlichste, das Intimste, das Persönlichste, das Menschlichste von uns entgegenzusetzen haben, nämlich den poetischen Teil des Menschen.“
„Es ist ein Versuch, einen einfachen Vorschlag zu machen und zu schauen, ob es sich selbständig verbreitet.“ erklärt Tom. „Wir sind sehr bereit, uns überraschen zu lassen. Wir machen diese Kampagne nicht für uns, sondern hoffen, dass andere sie zu ihrer machen. Leute, die in diesem Thema sind, Rüstungsgegner, Kulturgruppen, und dass wir so eine kritische Masse erreichen.“
Bisher sind noch nicht viele Beiträge auf der Webseite eingegangen, die meisten im deutschsprachigen Raum, aber auch zwei aus Spanien und Argentinien. Die beiden Poeten sind aber zuversichtlich, dass sie die Kampagne nun im nächsten Schritt international ausdehnen können.