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ProMosaik befragt Friedensaktivistin Pia Figueroa Edwards

von Milena Rampoldi, Pressenza, 28. November 2015, deutsche Übersetzung von Marita Simon. 

ProMosaik befragt Friedensaktivistin Pia Figueroa Edwards

Wir haben die chilenische Aktivistin für
Frieden und Gewaltfreiheit Pia Figueroa Edwards, über den Humanismus als
Weg, ihre gesellschaftspolitischen Aktivitäten und ihre Strategien
befragt. Eine große starke dynamische Frau, die für die Gewaltfreiheit
viele Ziele für die Zukunft hat.


Milena Rampoldi: Wie bist du zu der Erkenntnis gelangt, dass Humanismus und Pazifismus der richtige Lebensweg sind?

Pia Figueroa: Das war damals in den 60er Jahren. Da gab es Vietnam,
die Beatles, Che Guevara. Das war eine Zeit, in der nichts gleichgültig
war, an jeder Ecke konnte man sich engagieren. Damals hat uns die
gesellschaftliche Seele, oder das was in uns drin war, bewegt. Das war
eine Kultur, die nach Freiheit verlangte. In dieser Atmosphäre
leuchtender Farben wurde uns der Lebensstil, mit dem wir aufgewachsen
waren, zu eng.


Meine Lehre ist für jene, die das Scheitern im Herzen tragen“, sagte Silo
damals. Das stand auf einem kleinen Zettel, der in die Briefkästen
verteilt wurde. Ich habe dieses Gefühl sofort wieder erkannt. Nichts was
das System mir bot, behagte mir, ich verging vor Sehnsucht nach einer
neuen Welt, das Scheitern meiner Erwartungen ließ mich immer weiter
suchen und die Möglichkeiten, die sich mir boten, gingen von Drogen über
bewaffneten Terrorismus, eine Reise nach Katmandu, Psychoanalyse bis
hin zur Befreiungstheologie.


In diesen bewegten und radikalen 60er Jahren hielt, während neue
Fernsehapparate die schwerelosen Schritte des ersten Mannes auf dem Mond
sendeten, ein einfach in weiß gekleideter Mann am Fuße des Aconcagua
seine erste öffentliche Rede vor einigen hundert Anhängern. Die Menschen
kamen, trotz Wind und Schnee und trotz der bewaffneten argentinischen
Bundespolizei aus Ongania, um ihm zu zuhören.


Diese Rede wurde später unter dem Namen „Die Heilung vom Leiden“ bekannt.
Silo hielt sie am 4. Mai 1969 und schlug einen gewaltfreien Weg vor,
mit dem wir die Welt ändern und unsere eigene innere Gewalt überwinden
können. Unter den Zuhörern gab es einen Chilenen, Antonio Carvallo, der
die ersten Gruppen in meiner Stadt gründete und über ihn was es einfach
für mich mitzumachen.


So begann das Abenteuer Humanismus, ein Weg tiefer persönlicher und
gesellschaftlicher Veränderungen. Er dehnte sich aus bis in die Tiefen
des Geistes und auch bis in die hintersten Winkel dieses Planeten.


MR: Welche Grundsätze sind dir wichtig bei deinen gesellschaftspolitischen Aktivitäten?

PF: „Behandele die anderen wie du selbst behandelt werden möchtest“.
Durch ein gewaltfreies und nicht diskriminierendes Handeln gehen wir in
Richtung einer universellen menschlichen Nation.


Silo sagte auf dem Gipfel der Friedensnobelpreisträger: „Wie uns
allen bekannt ist, sind die Themen Ökologie und Umweltschutz zu einem
festen Bestandteil unserer Gesellschaft geworden. Selbst wenn einige
Regierungen und gewisse Interessengruppen die Gefahr leugnen, die eine
Missachtung des Ökosystems birgt, sehen sie sich unter dem Druck der
Bevölkerung doch dazu gezwungen, zunehmend Maßnahmen zu ergreifen – dem
Druck einer Bevölkerung, die sich immer mehr Sorgen um die Zerstörung
unseres gemeinsamen Hauses macht. Selbst unsere Kinder werden sich
dieser Gefahr immer mehr bewusst und in den Grundschulen und den Medien
ist das Thema des vorsorglichen Umgangs mit der Umwelt präsent und
niemand kann
 sich dieser Sorge entziehen. Was aber das Thema
Gewalt angeht, hinken wir beträchtlich hinterher. Damit meine ich, dass
die Verteidigung des menschlichen Lebens und der elementarsten
Menschenrechte auf allgemeiner und globaler Ebene noch keine
Wurzeln geschlagen hat. Immer noch rechtfertigt man Gewalt als
Verteidigungsmittel und sogar als „Präventivmaßnahme“ gegen mögliche
Aggressionen. Und scheinbar empfindet man kein Entsetzen angesichts der
Massenvernichtung schutzloser Völker. Nur wenn die Gewalt unser eigenes
Leben in Form von verbrecherischen Bluttaten streift, sind wir
alarmiert, aber wir verherrlichen nach wie vor die schlechten Vorbilder,
die unsere Gesellschaft und unsere Kinder von klein auf vergiften.
Offensichtlich haben sich bislang weder die Idee noch die Sensibilität
durchgesetzt, die in der Lage sind, eine tiefe Ablehnung und einen
moralischen Ekel hervorzurufen und die uns von der Ungeheuerlichkeit der
Gewalt in ihren verschiedenen Formen fernhalten. Von unserer Seite aus
werden wir alle notwendigen Anstrengungen unternehmen, um die Themen des
Friedens und der Gewaltfreiheit in der Gesellschaft nachhaltig zu
verankern, und es ist offensichtlich, dass die Zeit kommen wird, in der
sowohl individuelle als auch Massen-Reaktionen ausgelöst werden. Das
wird der Augenblick sein, in dem unsere Welt eine radikale Veränderung
erfahren wird“.


MR: Was bedeuten Humanismus und Pazifismus für dich persönlich?

PF: Es bedeutet diesen qualitativen Schritt zu machen, den die
Menschheit so dringend machen muss, damit alle Menschen sich entwickeln
können ohne Schmerz und ohne Leid. Das ist ein verwegenes Unterfangen.
Gibt es etwas Wichtigeres oder faszinierenderes als das?


MR: Bitte erzähl uns etwas über deine Bücher?

PF: Ich würde lieber erzählen, was die Leute mit meinen Büchern
machen. „Silo ein Meister unserer Zeit“ wurde ins Englische,
Französische, Italienische und Portugiesische übersetzt. Einige
Erzählungen daraus wurden sogar ins Ungarische, Tschechische und
Griechische übertragen. Es wurde auch als E-Book in diesen verschiedenen
Sprachen und natürlich im spanischen Original veröffentlicht. Die Leute
organisieren Buchvorstellungen in Universitäten Buchhandlungen, Aulen,
Buchmessen, Theatern, Kunstgalerien, etc. und das sind immer sehr
inspirierende und freudige Ereignisse. Ich konnte das Buch bereits bei
36 Veranstaltungen präsentieren und keine war wie die andere, denn es
kommt immer auf die Eigenarten des Ortes an und auf das was die Leute
möchten, die das ganze organisieren. Ich werde es noch dieses Jahr in
Mexiko vorstellen und nächstes Jahr in Griechenland. Da werde ich dann
die Leute treffen, die was über Silo lesen wollen und seine Botschaft
und Vorschläge kennen lernen wollen.


MR: Warum ist Scheiben so wichtig um die Welt zu verändern?

PF: Eigentlich schreibe ich nicht nur Bücher oder Studien. Meine
Hauptaktivität liegt darin für Pressenza, eine internationale
Nachrichtenagentur mit dem Fokus auf Gewaltfreiheit, Abrüstung,
Humanismus, Nicht-Diskriminierung und Menschenrechte zu schreiben.
Gemeinsam mit vielen anderen Ehrenamtlichen, die überall auf der Welt im
Einsatz sind. Täglich geben wir eine Meinung zu dem ab, was passiert,
wir schlagen dabei vor die Ereignisse mit einem anderen Blick zu
betrachten. Wir suchen nach Haltungen der Inklusion und der Versöhnung,
wir schlagen angesichts aktueller Konflikte und verschiedenster Formen
der Diskriminierung eine gewaltfreie Alternative vor. Wir berichten
immer wieder über so viele Menschen, die diese neue Sensibilität teilen
und die neue Organisationsformen schaffen, gesellschaftliche Bewegungen
und neue kulturelle Ausdrucksformen, politische und wirtschaftliche
Alternativen, mit ihnen allen bilden wir ein großes Beziehungsnetz, weil
wir ja die gleichen Bestrebungen für eine menschlichere Zukunft haben.


Ich bin sicher, wenn ein humanistischer Blick auf die Dinge weiter
verbreitet wäre, dann wird es eine andere Zukunft geben. Ich bin
überzeugt es ist möglich die Gesellschaft anders zu organisieren und
eine große Mehrheit der Leute ruft nach Gleichheit, Abrüstung,
Gegenseitigkeit und Transparenz.


MR: Wie sehen die 4 wichtigsten Dinge aus, die du der neuen Generation mitteilen möchtest?

PF: Ich glaube man sollte den jungen Leuten große Beachtung schenken,
sie sind die Zukunft, die kommt. Sie fangen etwas Neues an, das ist
sicher. Denn die Generationen wechseln sich nicht still und heimlich ab,
dabei gibt es immer einen Zusammenprall und eine Dialektik der
Generationen. Die etablierten Werte der Erwachsenen interessieren sie
nicht. Die Generationen lösen sich nicht still ab. Das kann man schon
absehen und das ist nicht schwer zu verstehen. Sie haben nicht die
gleichen Werte.


Man darf sich nicht wundern, wenn es diesmal andersrum ist.
Vielleicht sind diesmal die Erwachsenen oberflächlich und die jungen
Leute haben Tiefe. Die jungen Leute tauchen überall auf, sie sind
anders, sind außergewöhnlich. Sie erfüllen unsere Erwartungen. Die
anderen, die 40 jährigen hatten ihre Chance und was haben sie gemacht,
außer es sich bequem zu machen? Sie haben scheinbar nichts Wesentliches
geändert. Sie haben nichts anderes getan, als ihren bequemen Platz im
System zu finden. Die jungen Leute suchen nach Referenzen, aber nicht in
den Massenmedien oder bei den Krawatten Typen. Wenn man auf ihrer
Wellenlänge ist, dann empfindet man das. Hier in Chile, in Spanien,
Griechenland, Hong Kong, Istanbul, Sao Paulo oder New York.


Die Leute tauchen jetzt auf, das ist ein weltweites Phänomen, sie
sind sehr aktiv, sehr chaotisch, aber sie haben neue Impulse, sind
kreativ, rebellisch. Die jungen Leute wollen keine Komplizen sein bei
all den Gräueltaten, die sie sehen. Wie sollen sie auch, bei all dem
Druck den sie haben.


Wir sehen diese neue Generation auf der historischen Bildfläche und
sie haben ohne Zweifel ihre eignen Ausdrucksformen. Brüderlichkeit und
Gerechtigkeit haben wieder einen Platz im Herzen der jungen Leute. Das
geschieht bereits und wir müssen nur von ihnen lernen, sie unterstützen,
ihnen helfen, wenn wir können. Ich möchte ihnen einfach nur Hoffnung,
Freude, meine Unterstützung und meine Dankbarkeit übermitteln.


MR: Was haben sie mit ihrer Arbeit erreicht und welche Ziele haben sie für ´die unmittelbare Zukunft?

PF: Vielleicht ein wenig Kohärenz… Ich versuche zu fühlen, dass das,
was ich denke richtig ist und zu tun, was ich glaube, dass wichtig ist.
Damit es keinen Widerspruch zwischen dem gibt  was ich denke, fühle und
handle. Und das ist schon was! Für die unmittelbare Zukunft sehe ich
mich in diese Richtung weiter gehen. Ich werde weiter für eine Welt, in
der Frieden und Gewaltfreiheit vorherrscht, werben.