General

François Hollandes „Krieg“ gegen den Islamischen Staat steht den französischen Waffengeschäften mit Saudi-Arabien nicht im Weg




Robert Fisk




Übersetzt von 
Milena Rampoldi میلنا رامپلدی



Herausgegeben von 
Fausto Giudice Фаусто Джудиче فاوستو جيوديشي



Obwohl der Präsident über Krieg schnauft und zischt, werden die geistigen Vordenker der Militanten unberührt gelassen
Der
französische Präsident François Hollande hält eine Rede während einer
Sondersitzung der beiden Kammern des französischen Parlaments am
16.11.2015 – Getty

Um das Land, an deren sunnitisch-wahhabitischer Ideologie sich die
ISIS-Mörder von Paris inspirieren, scheint François Hollande gar nichts
anzugehen, während er über Krieg schnauft und zischt. Die Saudis kennen
dieses Thema der Neuen Weltordnung schon aus dem Jahre 1991, als George W
Bush diesen sub-hitlerschen Ausdruck für den Nahen Ostens erfand, den
er dachte, aufbauen zu können: eine Oase des Friedens, ein Ort des
Wohlstands ohne Waffen, in dem die Schwerte in Pflugscharen verwandelt
werden, oder zumindest in größere Öltanker und längere Pipelines.

Die Saudis sind zu sehr damit beschäftigt, in ihrem wirren Krieg
gegen die schiitischen Houthis den Jemen zu zerbomben, um sich um die
sunnitisch-wahhabitischen ISIS-Spinner zu kümmern. Deren Feind bleibt
der beste Freund der USA – der schiitische Iran – und wie noch nie
trachten sie danach, den alawitisch-schiitischen Präsidenten von Syrien
zu entthronen, auch wenn ISIS an vorderster Front gegen Bashar al-Assad
kämpft. Sie wissen auch, dass die französische Außenpolitik den
saudischen Handel so eifrig unterstützt hat wie sie sich dem
Atomabkommen mit Iran widersetzt hatte – und Milliarden von Dollar
Waffenlieferungen aus den USA werden weiterhin ins Königreich fließen,
obwohl die Saudis Verbindungen zu der Ideologie haben, die 129 Menschen
in Paris das Leben kostete.

Und wenn jemand denkt, dass Barack Obama die saudische monarchische
Theokratie disziplinieren wird, so brauchen wir nur einen Blick auf das
angebotene US-Waffengeschäft von 1,29 Mrd $ mit dem 79-jährigen König
Salman zu werfen, um zu verstehen, dass die USA überhaupt nicht darum
bemüht sind, die Brutalität des Königsreich zu zügeln.

Überraschenderweise hat Saudi-Arabien seine Luftangriffe gegen den
Islamischen Staat  größtenteils eingestellt, aber das Königreich braucht
dringend mehr Waffen, da es seine Waffenlager für den von der Armut
geplagten Jemen verzehrt hat. Das vorgeschlagene Waffengeschäft, das
bereits vom US-Außenministerium genehmigt wurde, schließt direkte
Angriffsmunitionen von Boeing und Paveway lasergesteuerte Bomben von
Raytheon ein.

Selbstverständlich kontrollieren die Houthis noch den Großteil des
Jemen, inklusive der Hauptstadt Sanaa, obwohl die militärische
Unterstützung von Seiten des Iran, die von den Saudis so propagiert
wird, nicht der Wahrheit entspricht. Menschenrechtsorganisationen werfen
seit langem den saudischen Luftangriffen vor, wahllos Zivilisten zu
ermorden. Die Vereinten Nationen sprechen von 2 355 getöteten
Zivilisten, die natürlich genau denselben Wert haben wie die 129 am
Freitag in Paris zerstörten Leben.

Den US-Amerikanern und den Franzosen würde es wahrscheinlich sehr gut
in den Kram passen, wenn die Saudis 2 355 Mitglieder des Islamischen
Staates töten würden, aber dem ist nicht so. Der US-Kongress hat Obama
bereits erlaubt, weitere 600 Patriot PAC-3 Luftverteidigungsraketen zu
verkaufen, mit denen Lockheed Martin 5,4Mrd £ [=7,7 Mrd €] macht, obwohl
die Houthis kein einziges Flugzeug besitzen. Die Raketen sind
wahrscheinlich vorgesehen, um die Saudis vor einem iranischen
Luftangriff zu schützen, von dem auch niemand im Golf meint, er würde
jemals stattfinden.

Auch das neue französische Notfallgesetz wird weder die Saudis noch
die anderen arabischen Länder stören. Im Nahen Osten, in dem die
örtlichen Diktatoren, Könige und Emire, die fast alle Verbündete des
Westens sind, regelmäßig ihre Bürger ausspähen, deren Telefone abhören
und die eigenen Leute foltern, schert sich keiner darum, ob die neuen
Gesetze von Hollande die Gleichheit oder Freiheit des französischen Volkes einschränken oder nicht.

Für die Saudis ist der Familienkampf zwischen dem Kronprinzen und
Innenminister Mohammed Ben Nayef und dem 30-jährigen
Verteidigungsminister und stellvertretenden Kronprinzen Mohammed Ben
Salman Ben Saud, der zu den katastrophalen, saudischen Bombenangriffen
gegen den Jemen führte, viel interessanter als die Zukunft des
Islamischen Staates.

Und auch für Frankreich ist der lukrative Waffendeal mit Saudi
Arabien wichtiger. Denn Hollande hegt immer noch die verzweifelte
Hoffnung, die USA als Hauptwaffenlieferanten des Königreiches zu
ersetzen. Er mag ruhig denken, dass er sich im „Krieg“ gegen ISIS
befindet, aber die geistigen Vordenker des sogenannten Kalifats bleiben
unberührt.



Hollande beim Säbeltanz während eines offiziellen Besuchs in Saudi Arabien im Dezember 2013