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Schau nicht weg! Brustbügeln in Kamerun

von Milena Rampoldi, Starke Frau, 26. Oktober 2015. http://www.starke-frau.de/2015/10/schau-nicht-weg-brustbuegeln-in-kamerun/

Das Brustbügeln bzw. Brustglätten ist eine vergessene
Menschenrechtsverletzung gegen die Rechte der Frau, die sich regional
auf Kamerun und die Nachbarregionen beschränkt. Wie alle anderen
Verstöße gegen die Frauenrechte handelt es sich auch in diesem Falle um
einen Verstoß gegen die Selbstbestimmung, Freiheit und Würde der Frau.
Das Problem wird aber vielfach als unwichtig oder geographisch marginal
abgetan und auch wenig erforscht. Ich bin aber der Meinung, dass jeder
Verstoß gegen die Menschenrechte gleich wichtig ist, unabhängig davon,
wie begrenzt seine geografische Verbreitung auch sein mag.
Daher finde ich es sehr wichtig, über das Brustbügeln in Kamerun auch in
Europa zu sprechen. Zu glauben, dass die deutsche Öffentlichkeit kein
Interesse an so „entfernten“ Themen hat, finde ich auch falsch, denn die
Frau ist in allen Kulturen, Ethnien und Religionen Frau und verspürt
immer Empathie für die Realität der Frauen in anderen Ländern. Ich finde
nicht, dass das Brustbügeln ein Thema ist, das nur im Kreise der
Frauenrechtlerinnen bleiben sollte und somit nicht in die Öffentlichkeit
dringen darf.


In allen Regionen Kameruns und auch in einigen Grenzregionen wird
diese brutale Praxis der Glättung der Brust junger Mädchen dadurch
gerechtfertigt, dass man diese vor den Blicken der Männer und somit vor
ihrer Gewalt und demzufolge auch vor einer ungewollten Schwangerschaft
im jungen Alter außerhalb der ehelichen Gemeinschaft schützen möchte. Es
kommt dann noch die soziale Besorgnis um die Weiterführung der Studien
von Seiten der jungen Frau dazu. Man rechtfertigt die Verstümmlung ihrer
Brust, indem man der Frau vormacht, man würde ihr Karriere und Arbeit
ermöglichen, indem man sie vor den Blicken der Männer und somit vor
einer unerwünschten Schwangerschaft vor der Ehe bzw. auch vor einer
brutalen Vergewaltigung schützt, indem man sie namentlich
de-sexualisiert.






Bis heute werden zahlreiche junge Frauen im Namen des Schutzes ihrer
Jungfräulichkeit in Kamerun verstümmelt, indem man mit heißen Steinen
oder Stöcken über ihre wachsenden Brüste fährt, um sie zu „glätten“, was
einer Zerstörung der Brust gleichkommt. Für mich persönlich kommt diese
Praxis der Genitalverstümmelung der Frau gleich, eine Meinung, die
jedoch nicht allgemein geteilt wird, weil viele die emotionale Bedeutung
der weiblichen Brust unterschätzen und davon ausgehen, dass die
Genitalverstümmelung viel größere Schäden anrichtet als das Brustbügeln.
Auch hier würde ich es absolut vermeiden, quantitativ von den Verstößen
gegen das Recht der Frau auf Selbstbestimmung ihrer Psyche und ihres
Körpers zu sprechen. Für mich gehören Psyche und Körper sehr stark
zusammen. Jegliche körperliche Gewalt gegen Frauen zerstört auch ihre
Psyche.
Der springende Punkt, um dieser traditionellen Praxis den Kampf
anzusagen, besteht für mich darin, der Frau beizubringen, dass ihre
Brust nur ihr gehört und sie daher auf keinen Fall verstümmelt werden
darf. Kein Mythos und keine Begründung dieser Welt dürfen eine so
gravierende Verstümmlung zulassen, welche die Frau auf körperlicher,
emotionaler und psychischer Ebene ein Leben lang belastet. Nur muss man
auch die Männer der Gesellschaft parallel erziehen, da sonst diese
selbstbewussten Frauen, deren Brüste nicht mehr gebügelt werden, auf den
Straßen Kameruns vergewaltigt werden. Wer erklärt dann den Familien,
warum die Vergewaltigungsrate noch so hoch ist? Wer erklärt einer
Mutter, dass die Tochter gerade ohne das Brustbügeln früher begehrt und
somit vergewaltigt wurde? Der kamerunische Staat muss sich dringend um
eine Gesetzesänderung kümmern und die Strafen gegen die Vergewaltiger
verschärfen.






Der Begründungsmythos, die Frau durch das Brustglätten vor der
Vergewaltigung der Männer zu schützen, ist absolut fehl am Platz, denn
er verewigt nur eine Praxis, die in dieser Hinsicht vollkommen nutzlos
ist, aber wenn der Staat nichts gegen die Täter unternimmt, dann wird
der Begründungsmythos wieder zur Wahrheit für die Menschen, die einfach
nur ihre Mädchen schützen möchten. Außerdem ist auch die Abtreibung
infolge einer Vergewaltigung in Kamerun immer noch illegal.


Der beste Schutz der Frau gegen die männliche Gewalt muss aber vom
Mann und nicht von der Frau kommen. Die Männer müssen lernen, die jungen
Mädchen zu respektieren. Sie dürfen nicht davon ausgehen, dass das
Wachstum der weiblichen Brüste darauf hinweist, dass die junge Frau
bereit für den Geschlechtsverkehr ist und man sie somit einfach „nehmen“
kann, während sie beispielsweise ihren Weg von der Schule nach Hause
antritt. Es ist dringend von Nöten, die jungen Männer in Kamerun so zu
erziehen, dass ein korrektes Verständnis der Moral und der Sexualität
dazu führen, die Frauen in der Gesellschaft zu respektieren und die
Gewalt gegen Frauen aus der Welt zu schaffen.


Dazu kann nur ein ethisches und aufgeklärtes Verhalten beider
Geschlechter beitragen. Die Sexualität der Frau ist Ausdruck ihrer
freien Selbstbestimmung und ihrer Würde. Daher steht es keinem Mann zu,
diese Selbstbestimmung zu übergehen und vom körperlichen
Erscheinungsbild einer jungen Frau auf das eigene Recht zu schließen,
ihren Körper einfach besitzen oder missbrauchen zu dürfen. Wie für die
Genitalverstümmelung der Frau wünsche ich mir auch für die brutale
Praxis des Brustbügelns viel Aufklärung, Erziehung und
Bewusstseinsbildung. Ich wünsche mir eine starke neue Generation
kamerunischer Frauen, die sich gegen die Gewalt der Männer behaupten
lernt, damit diese Praxis endlich ausstirbt.






Es gibt keine Rechtfertigung für eine so furchtbare und schmerzhafte
Praxis. Die Mythen müssen dringend durch Erziehung überwunden werden.
Und die wichtigste Erziehung ist in diesem Falle die Sexualerziehung in
den öffentlichen Schulen. Das Brustglätten ist eine Form der Gewalt
gegen Frauen und darf nicht unterschätzt werden, weil es eine
geografisch begrenzte Verbreitung aufweist.


Brustglätten bedeutet emotionale, körperliche und psychische
Verstümmlung unschuldiger und unwissender junger Frauen, die einfach
glauben, es wäre schmerzhaft, aber gut für ihr Leben. Ich möchte daher
diesen Frauen eine Stimme verleihen und mich mit dieser Veröffentlichung
aktiv für sie einsetzen. Denn diese Gewalt wird von einer Frau zur
anderen weitergegeben. Es wird an diese Gewalt geglaubt, da sie die
eigene Mutter, Oma oder Tante, Schwester oder ein anderes weibliches
Mitglied der Familie der Frau zufügt. Wie bei der Genitalverstümmelung
erfolgt die Verletzung der Frauenrechte durch eine Frau.




Vielen Dank an Dr. Phil. Milena Rampoldi von ProMosaik für diesen interessanten und wichtigen Beitrag!