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Mainstream-Medien fokussieren auf israelische Opfer und blenden israelische Gewalt aus


von Kit O’Connell, MintPress News, 23. Oktober 2015, deutsche Übersetzung von Milena Rampoldi, ProMosaik e.V.
Die
Vereinten Nationen kritisierten Israels Verwaltung der heiligen Stätten in
Jerusalem, eine der wichtigsten Gründe für die letzte Welle von Gewalt.  

Ein Streit zwischen
israelischen Grenzpolizisten und palästinensischen Frauen in der Altstadt von
Jerusalem, am Sonntag, den 26. Juli 2015. Laut den Aussagen der israelischen
Polizei drangen die Beamten in die al-Aqsa Moschee, die zweiwichtigste heilige
Stätte der Muslime ein, um „die arabischen Jugendlichen daran zu hindern,
jüdische Besucher anzugreifen“. 
JERUSALEM — Trotz der verbreiteten Kritik an der
Art und Weise, auf die Israel die letzte Gewaltwelle verursachte, die Gaza und
das Westjordanland in den Abgrund reißt, fokussieren die westlichen Medien vor
allem auf die Angriffe der Palästinenser gegen israelische Siedler und
Soldaten, indem sie den Kontext, der zu den derzeitigen Spannungen geführt hat,
völlig ausblenden.
Electronic
Intifada, eine Webseite, die sich für die Freiheit Palästinas einsetzt, hob
hervor, dass ein bekanntes Radioprogramm des BBC am Montag versuchte vorauszusetzen, alle Opfer
der letzten Gewaltwelle wären Israelis:
„Obwohl zu
jenem Zeitpunkt schon 42 Palästinenser getötet und weitere Tausende in den
Angriffen der Siedler und Soldaten verletzt worden waren, begann der [Gastgeber
John] Humphrys sein Gespräch mit [dem Journalisten Kevin Connolly] wie folgt: ‘Ein
erneuter Angriff gegen Israelis letzte Nacht. Diesmal tötete ein arabischer
Mann mit einer Waffe und einem Messer einen Soldaten und verletzte weitere 10
Menschen, berichtet unser Nahostkorrespondent Kevin Connolly. Die Zahl der
Opfer steigt also, Kevin? Wir sprechen zu diesem Zeitpunkt von ungefähr 50
Opfern, oder?“
Obwohl dies,
der Journalistin von Electronic Intifada Amena Saleem zufolge ein extremes
Beispiel von „Sorge um den Besatzer“ darstellt, so spiegelt die Passage „die
einseitige Fokussierung der Medientätigkeit hinsichtlich der kürzlichen Gewalt
wieder.“ Saleem hob verschiedene Tatsachen hervor, die in den Berichten der
Mainstreammedien vollkommen fehlten:
„Die
Palästinenser erlitten allein im Westjordanland mehr als 130 Siedlerangriffe nur
in der ersten Oktoberwoche. In Gaza gab es seit der Unterzeichnung der
Waffenruhe am 26. August des letzten Jahres mehr als 700 israelische Angriffe.“
Außerdem
sind die meisten Opfer der kürzlichen Gewalt Jugendliche, die oft von
israelischen Soldaten nach mutmaßlichen Messerangriffen erschossen werden.
Letzte Woche veröffentlichte MintPress News den Bericht von Richard Silverstein über die
Eskalation der Brutalität gegen Palästinenser.
Der Bericht beginnt
wie folgt:
„An jedem
neuen Tag nach dem erneuten Ausbruch des Konflikts in Palästina hört man die
Nachrichten von der steigenden Zahlung getöteter Palästinenser, die auf eine
immer brutalere Weise von den israelischen Sicherheitskräften ermordet werden. Jeden
Tag gehen Jugendliche mit jeglicher Waffe, die ihnen zur Verfügung steht, auf
die Straßen und unternehmen den heldenhaften und oft auch tödlichen Versuch,
die Ehre der al-Aqsa Moschee und die Würde des palästinensischen Volkes zu
verteidigen.“
New York
Times berichtete über die kürzliche Kritik an Israel von Seiten
der Agentur für das kulturelle Erbe der Vereinten Nationen
wegen des
israelischen Umgangs mit der al-Aqsa Moschee und den anderen heiligen Stätten
in Jerusalem. In einer Resolution sprach die UNESCO die schlechte Behandlung
dieser „Stätten kulturellen Erbes“ als eine der Hauptursachen der Gewalt an:
„Die Agentur
‘verurteilt vehement’ die sogenannten ‘israelischen Angriffe und illegalen
Maßnahmen gegen die freie Religionsausübung der Muslime und ihren Zugang zu
ihrer heiligen Stätte der Al Aqsa Moschee’ und ‘bedauert entschieden das
dauernde Stürmen’ des Moscheebezirks durch ‘israelische, rechtsradikale
Extremisten und Streitkräfte in Uniform.’
Auch die
Führung der Vereinten Nationen teilte diese Sorgen:
„Der
Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki-moon, behauptete am Mittwoch
anlässlich einer Pressekonferenz in Ramallah gemeinsam mit dem Präsidenten der
palästinensischen Autonomiebehörde Mahmoud Abbas, er ‘wäre zutiefst besorgt
über die wiederholten Provokationen an den heiligen Stätten in Jerusalem, die
nur noch Benzin aufs Feuer des aktuellen Gewaltausbruchs gegossen haben.’”
Aber während
der Bericht von Times die Rolle der illegalen israelischen Siedler in der
Verursachung der Gewalt anerkennt, klammert er den Kontext aus, in dem jene
Siedler von Seiten der israelischen Regierung und ihrem Premierminister
Benjamin Netanjahu aktiv dazu angespornt wurden, die Palästinenser zu
provozieren.
Am Mittwoch
schrieb der politische Journalist von Slate, William Saletan, dass sich Israel nun mitten in einer Krise
befindet, die Netanjahu bewusst provoziert hat
:
„Vor zwei
Wochen forderte Premierminister Benjamin Netanjahu, nach einer Reihe
inländischer Terrorangriffe die israelischen Araber heraus. ‘Werdet ihr dem Weg
des Zusammenlebens, Friedens und der Loyalität gegenüber dem Land, zu dem ihr
gehört, folgen?’ fragte er. ‘Ihr könnt nicht beides haben… über alle
verfügbaren Rechte im demokratischen Israel verfügen’, während ‘ihr das Land
untergrabt.’”
Saletan
behauptet hingegen, dass es in Wirklichkeit Netanjahu ist, der die Stabilität
Israels untergräbt:
„Zu Beginn
dieses Jahres gewann Netanjahu erneut die Wahlen, indem er die israelischen
Araber verunglimpfte. Er versprach, dass es unter seiner Regierung keinen palästinensischen
Staat geben wird und warnte die israelischen Juden und die Rechtsextremisten,
dass die ‘arabischen Wähler’ und die ‘arabische Bevölkerung’ versuchten, ihn zu
stürzen. Nun verlangt er von diesen Menschen Loyalität infolge der
israelisch-arabischen Gewalt. Er kann auch nicht beides haben: er hat sich im
Inland einen Feind erzogen und nun hat er diesen Feind.“