General

Macht Ost-Jerusalem zur Hauptstadt Palästinas


Amira Hass أميرة هاس עמירה הס


Übersetzt von 
Ellen Rohlfs اِلِن رُلفس



Herausgegeben von 
Milena Rampoldi میلنا رامپلدی


Zwanzig Schritte, die die Lage total verändern und weniger schmerzvoll als die Alternative sein werden.

Die Trennmauer in der Nähe der palästinensischen Stadt Anata bei Ostjerusalem. Foto Emil Salman
  • Für die Palästinenser ist der Tempelberg ein Mikrokosmos der Besatzung
  • Die Palästinenser wünschen sich keine neue Intifada
  • Abbas ist nicht in der Lage, die verlorene Generation von Oslo zu kontrollieren
Israel
ist wie der Geizhals, der das Futter für sein Pferd stufenweise abbaut.
Es hat die Politik des Teilens, des Zerkrümelns und Eroberns in seiner
Behandlung der Palästinenser perfektioniert. Aber es kam noch dazu, dass
die Hauptstadt – Ost-Jerusalem – von seinem Volk abgeschnitten wurde.
Wie dieser Geizhals dachte Israel, all dies würde laufen, um ins
Guinness-Buch der kolonialen Rekorde zu kommen.

Aber
das Pferd starb und Jerusalems Palästinenser rebellieren. Der Geizhals
ist schockiert. Wie konnte das Pferd gerade jetzt sterben, wo es sich
daran gewohnt hatte, nichts zu fressen? Viele Israelis  taumeln. Wo kommt diese Gewalt denn her?

Offiziellen
Sprechern ist es gelungen, die öffentliche Meinung zu verwirren. „Die
Palästinenser in Ost-Jerusalem wollen nicht unter der palästinensischen
Behörde leben. Das ist ein Zeichen dafür, dass unsere Regierung gut für
sie ist“, sagten sie. „Sie wollen die nationale Versicherung und die
Krankenversicherung“, rühmen sich die Besserwisser gegenüber den
Journalisten. Diese Besserwisser fügen natürlich nie hinzu, dass Israel
die kriminelle Verantwortung für die Armut der Palästinenser in der
annektierten Stadt trägt und sie zu Sozialfällen werden lässt.

Die Palästinenser in Jerusalem wollen die (israelische) Staatsbürgerschaft, weil Israel wundervoll ist“,  sagten
sie, als sie Zahlen derer veröffentlichten, die sie beantragen. Aber
sie blenden eine einfache Tatsache aus: Jerusalems Palästinenser
versuchen die  Staatsbürgerschaft zu bekommen, um sicher zu gehen, dass sie nicht aus ihrem Land und ihrer Stadt  vertrieben werden.

Der
Geizhals dachte, dass Jerusalem, aus der Ferne und für Besucher
gesperrt, vom Rest der Palästinenser vergessen werden würde. Der
Geizhals hat Unrecht. Wenn israelische Juden die Katastrophe stoppen
wollen, die sich in Jerusalem  und anderswo zusammenbraut, so müssen sie von der israelischen Regierung Folgendes verlangen:
Die Einleitung einer sofortigen Untersuchung über die Tötung von Fadi Alun von Isawiyah in der letzten Woche.  Er wurde von einem nicht identifizierten Polizisten   erschossen, als er verletzt auf dem Boden lag.
  Die
Einstellung bewaffneter Polizeiüberfälle in Stadtteilen wie Isawiyah
und Jabal Mukkaber und die Einstellung der Verprügelungen der Bewohner
und der Besprühung deren Häuser mit stinkendem Wasser.

Die Aufhebung aller Eingangseinschränkungen für Palästinenser zur Jerusalemer Altstadt und zum Al-Aqsa-Gelände.

  Den Befehl an die Polizei, den Palästinensern keine  Verkehrskarten aus Gründen zu geben, für die sie Juden nie erhalten würden.

  Die
Aufhebung des Verbots gegen die Murabitun und Murabitat
(Tempelbergwächter der islamischen Bewegung) und Aufhebung des Verbots
für Palästinenser, einschließlich Mitglieder der Knesset,  zu schreien und zu fluchen.
  Die Entlassung der palästinensischen Demonstranten, die im vergangenen Jahr  verhaftet wurden (und nicht unter Verdacht der Nutzung tödlicher Waffen oder des Mordverdachtes stehen)
  Die Einstellung der Politik der Hauszerstörungen als kollektive Strafe und die umgehende Kompensierung der Opfer derselben.

  Die
Einleitung sofortiger Anpassungen der Aufenthaltsgesetze, die klären,
dass die Einwohner Jerusalems ihr Aufenthaltsrecht immer beibehalten,
auch wenn sie außerhalb der Stadt leben.


  Die
sofortige Wiederherstellung des Aufenthaltsstatus für die 14 000
Jerusalemiten (und ihre Abkömmlinge), denen es seit 1967 entzogen wurde.

  Die Aufhebung aller Abrissverordnungen gegen palästinensische  Häuser, die in der Stadt ohne Genehmigung gebaut wurden.

  Die
Rückgabe an Ost-Jerusalem aller enteigneten Ländereien oder die
Zuteilung vergleichbarer Landstücke als Ersatz für die Bereiche, auf
denen Siedlungen entstanden sind (z.B. die „jüdischen Stadtteile von
Jerusalem“).

 
  Die
Planung öffentlicher, von Israel finanzierter Wohnbauprojekte für die
Palästinenser, unter der Führung palästinensischer Planer, Soziologen
und sozialer Aktivisten.

Das illegale „Sharon-Haus“

Die Enteignung des „Sharon-Hauses“ im muslimischen  Altstadtviertel und die Einrichtung des Hauptquartiers für die Planer des oben angeführten Wohnbauprojektes.

  Den
sofortigen Beginn der Reparaturen an den Infrastrukturen und Gebäuden
in Ostjerusalem und Verbesserung der Gemeindedienstleistungen vor Ort.
  Die
Anordnung der Entfernung innerhalb eines Jahres von nationalistischen,
extremen Siedlern und ihrer Institutionen aus der Altstadt und aus den
anderen Stadtteilen Ostjerusalems, weil sie eine Gefahr für die
öffentliche Sicherheit und für Recht und Ordnung im gesamten Gebiet  darstellen.

Das Orienthaus, das 2001 von den israelischen Behörden geschlossen wurde
  Die Wiedereröffnung des Orienthauses als Hauptquartier für die palästinensische Autonomiebehörde
  Die Entschuldigung für die 50 Jahre Vertreibung, Diskriminierung, Demütigung und Verarmung.

  Die
Erklärung dessen, dass diese Schritte nur als die Vorbereitung der
Zerstörung der Trennmauer zwischen dem Westjordanland und Ostjerusalem
dienen.
Die
Erklärung dessen, dass das Siedlungsunternehmen eine nationale
Katastrophe darstellt, die das Wohlbefinden des Landes und seiner beiden
Völker bedroht.
Die
Ankündigung eines 5-Jahresplans, um die Siedler aus dem Westjordanland
nach Hause zu bringen oder in Alternative dazu die Erteilung an sie der
palästinensischen Staatsbürgerschaft ohne übermäßige Rechte mit
Unterwerfung unter das palästinensische Recht und mit dessen
Genehmigung, unter Berücksichtigung der
Strafregistereinträge der
betreffenden Siedler. Dies würde die Siedler in Jerusalems Altstadt und
in Hebron einschließen. Eine ähnliche Erklärung, nach der alle
Gemeinden, in denen die Siedler leben, als Teil eines Ausgleichs- und
Entschädigungsplans, den Palästinensern offen stehen und ihnen kostenlos
zur Verfügung gestellt werden, falls sie dort leben möchten.
 
  Die Erklärung dessen, dass all diese Schritte als Vorbereitung dienen, um Ost-Jerusalem  zur
Hauptstadt des palästinensischen Staates zu machen, indem man
beschleunigte Verhandlungen mit einem dichten Zeitplan von Rückzügen
führt.

Ist das vielleicht eine Wahnvorstellung? Ich glaube nicht, denn diese
Lösung wäre viel weniger schmerzhaft als die Zerstörung dieses Landes
und der beiden Völker, die hier leben.