General

Ist Oslo wirklich begraben? Hat es Abbas endlich geschafft?

by Arn Strohmeyer, „Oslo war ein Kapitulationsabkommen“: Zur
Aufkündigung des Vertrages durch Mahmoud Abbas. Die Aufkündigung des Vertrages
durch Mahmoud Abbas war überfällig, aber ist sie auch ernst gemeint? / Späte
Bestätigung der Kritik Edward Saids. Kommentar von Milena Rampoldi, ProMosaik e.V. – Verträge dürfen nie aus Heuchelei bestehen, sonder auf Gerechtigkeit basieren. Ich hoffe, dass Mahmoud Abbas das Marionettentheater inzwischen verlassen konnte. Vor allem hoffe ich, dass er nicht mehr ins Marionettentheater zurückkehrt.
Der
Präsident der palästinensischen Autonomiebehörde Mahmoud Abbas hat den 1993
mit Israel geschlossenen Oslo-Vertrag aufgekündigt. Er fühle sich nicht
länger an dieses Abkommen gebunden, weil Israel es permanent verletze: durch
die Annexion palästinensischen Landes und den fortgesetzten Siedlungsbau
sowie die Weigerung Israels, palästinensische Gefangene aus seinen
Gefängnissen zu entlassen und und… Recht hat er. Bravo! möchte man da
sagen, endlich setzen sich bei den Palästinenser Realitätssinn und Mut durch.
Aber warum hat man für diesen Schritt so viele Jahre gebraucht? 
Jassir Arafat, Schimon Peres und
Jitzchak Rabin nach der Friedensnobelpreis-Vergabe „für ihre Anstrengungen
zur Lösung des Nahostkonflikts“, 1994
Denn schon
lange holen die PLO die eigenen Sünden ein. Um es mit dem Edward Said zu
sagen: Oslo war nie etwas anderes als ein Akt der Kapitulation. Diesem großen
palästinensischen politischen Analytiker und Humanisten war schon bei
Abschluss des Vertrages klar, dass dieses Abkommen mit Frieden und
Gerechtigkeit nichts zu tun hatte. Er schrieb damals: „Ich glaube aufrichtig
an die Versöhnung zwischen im Widerstreit miteinander stehenden Völkern und
Kulturen und habe mir in meinem Werk das Ziel gesetzt, die Versöhnung zu
unterstützen. Die Art von Versöhnung, die wirklichen Frieden bringen kann,
kann es aber nur zwischen Gleichen geben, zwischen Partnern, deren
Unabhängigkeit, Zielstrebigkeit und innerer Zusammenhalt ihnen erlauben, den
anderen wirklich zu verstehen und mit ihm Kompromisse einzugehen. In der
gegenwärtigen Situation ist es Israel gelungen, die Araber – und insbesondere
die erschöpften Palästinenser – davon zu überzeugen, dass Gleichheit
unmöglich ist und dass es Frieden nur zu den von Israel und der Vereinigten
Staaten diktierten Bedingungen geben kann.“
Und bitter
schrieb er über die PLO: „Zum ersten Mal im 20. Jahrhundert hatte eine
antikoloniale Befreiungsbewegung nicht nur ihre eigenen beträchtlichen
Errungenschaften einfach aufgegeben, sondern außerdem auch ein Abkommen über
die Zusammenarbeit mit einer Militärbesatzung geschlossen, noch bevor diese
Besatzung aufgehört hatte und sogar noch bevor die Regierung Israels
überhaupt zugegeben hatte, dass sie eine Regierung der militärischen
Besatzung ist; bis auf den heutigen Tag hat Israel nicht eingestanden, dass
es eine Besatzungsmacht ist.“ Mit dem Abkommen habe Jassir Arafat damals mit
einem Federstrich die Vergangenheit des palästinensischen Volkes, seine
zukünftigen Rechte und seine gegenwärtigen Hoffnungen missachtet. Arafat und
seine Berater, zu denen damals auch Abbas gehörte, hätten sich damit begnügt,
„jeden Brotkrumen zu akzeptieren, den die Vereinigten Staaten und Israel
vielleicht für sie vom Tisch fallen lassen würden, nur um als Teil des
Friedensprozesses zu überleben.“
Und zur
Bilanz des Oslo-Abkommens schrieb Edward Said vor mehr als 20 Jahren: „Ich
stehe vor der Notwendigkeit, die Wahrheit aufzudecken und nicht der Sprache
der Heuchelei, Schmeichelei und Selbsttäuschung das Feld zu überlassen. Ich
bin überzeugt, dass die meisten Palästinenser die totale Unwürdigkeit unserer
Situation empfinden. Israelische Soldaten hindern unser Volk an der
Fortbewegung in Gebieten, die angeblich unser Territorium sind, sie töten
unschuldige Zivilisten, foltern Gefangene zu Tode, stehlen unser Land,
sperren unsere Menschen ein, zerstören ihre Häuser und Felder, während die
israelische Regierung ihre neuen Siege als Erfolge von Frieden und
Menschlichkeit ausgibt.“
 
„Zwanzig Jahre nach dem Oslo-Vertrag
An dieser
Situation hat sich bis heute nichts geändert, sie ist eher noch schlimmer
geworden. Was also hat Oslo gebracht? Israel hat in den vergangenen Jahren
keine Anstalten gemacht, das Recht der Palästinenser auf Selbstbestimmung
anzuerkennen noch die Besatzung zu beenden. Wenn Abbas aber heute den
fortgesetzten Landraub und den Siedlungsbau beklagt, dann trägt die PLO (und
damit auch Abbas selbst) ein gerüttelt Maß an Schuld an diesem Zustand, denn
in dem Vertragswerk gab es keine Klausel, die die Beschlagnahme und
Enteignung von Land und den Siedlungsbau verbieten würde. Diese Fragen
sollten bis zu den Verhandlungen über den endgültigen Status aufgeschoben
werden, was Israel dann in die Lage versetzte, ständig neue Siedlungsfakten
vor Ort zu schaffen. Der sogenannte „Friedensprozess“, der von Israel nie als
solcher gemeint war, diente dafür als Schutzmantel. Kein Wunder, dass kein
geringerer als Shimon Peres sich am 1. September 1993 im israelischen
Fernsehen sehr zynisch über das Verhandlungsergebnis von Oslo äußern konnte:
„Nicht wir haben unsere Haltung geändert, sondern die PLO. Wir verhandeln
nicht mehr mit der PLO, sondern nur noch mit dem Schatten, der von ihr
übriggeblieben ist.“
Angesichts
der verheerenden Bilanz des Oslo-Abkommens, das Ariel Sharon schon im Jahr
2000 für „ungültig“ erklärt hatte, ist die Kündigung durch Mahmoud Abbas nur
logisch und konsequent. Aber so wie das Abkommen schon viel zu vage und wenig
konkret formuliert war, hat der Palästinenser-Präsident vor der
UNO-Vollversammlung auch nicht Klartext geredet. Bedeutet diese Kündigung der
Abkommen auch das Ende der Palästinensischen Autonomiebehörde, also auch
seinen Rücktritt, das Ende auch der „Sicherheitszusammenarbeit“ (was ja
bedeutet, dass palästinensische Polizisten für die Sicherheit des Besatzers
sorgen, des Unterdrückers der eigenen Leute!), und der Kooperation der
Geheimdienste? Man muss deutlich formulieren: Oslo war nichts weiter als eine
Unterwerfung der palästinensischen Führung unter das amerikanisch-israelische
Diktat. Ob Abbas dies wirklich aufgekündigt hat, ließ er offen. Also alles
nur Rhetorik zur Beruhigung der eigenen Leute und doch irgendwie weiter mit
Oslo?
– See more
at:
http://www.tlaxcala-int.org/article.asp?reference=16088#sthash.m6TWxIEy.dpuf

„Oslo war ein Kapitulationsabkommen“: Zur Aufkündigung des Vertrages durch Mahmoud Abbas


Arn Strohmeyer

Die
Aufkündigung des Vertrages durch Mahmoud Abbas war überfällig, aber ist
sie auch ernst gemeint? / Späte Bestätigung der Kritik Edward Saids

Der Präsident der palästinensischen Autonomiebehörde Mahmoud Abbas hat den 1993 mit Israel geschlossenen Oslo-Vertrag aufgekündigt.
Er fühle sich nicht länger an dieses Abkommen gebunden, weil Israel es
permanent verletze: durch die Annexion palästinensischen Landes und den
fortgesetzten Siedlungsbau sowie die Weigerung Israels, palästinensische
Gefangene aus seinen Gefängnissen zu entlassen und und… Recht hat er.
Bravo! möchte man da sagen, endlich setzen sich bei den Palästinenser
Realitätssinn und Mut durch. Aber warum hat man für diesen Schritt so
viele Jahre gebraucht?
http://tlaxcala-int.org/upload/gal_11682.jpg
Jassir Arafat, Schimon Peres und Jitzchak Rabin nach der Friedensnobelpreis-Vergabe „für ihre Anstrengungen zur Lösung des Nahostkonflikts“, 1994

Denn schon lange holen die PLO die eigenen Sünden ein. Um es mit dem
Edward Said zu sagen: Oslo war nie etwas anderes als ein Akt der
Kapitulation. Diesem großen palästinensischen politischen Analytiker und
Humanisten war schon bei Abschluss des Vertrages klar, dass dieses
Abkommen mit Frieden und Gerechtigkeit nichts zu tun hatte. Er schrieb
damals: „Ich glaube aufrichtig an die Versöhnung zwischen im Widerstreit
miteinander stehenden Völkern und Kulturen und habe mir in meinem Werk
das Ziel gesetzt, die Versöhnung zu unterstützen. Die Art von
Versöhnung, die wirklichen Frieden bringen kann, kann es aber nur
zwischen Gleichen geben, zwischen Partnern, deren Unabhängigkeit,
Zielstrebigkeit und innerer Zusammenhalt ihnen erlauben, den anderen
wirklich zu verstehen und mit ihm Kompromisse einzugehen. In der
gegenwärtigen Situation ist es Israel gelungen, die Araber – und
insbesondere die erschöpften Palästinenser – davon zu überzeugen, dass
Gleichheit unmöglich ist und dass es Frieden nur zu den von Israel und
der Vereinigten Staaten diktierten Bedingungen geben kann.“

Und bitter schrieb er über die PLO: „Zum ersten Mal im 20.
Jahrhundert hatte eine antikoloniale Befreiungsbewegung nicht nur ihre
eigenen beträchtlichen Errungenschaften einfach aufgegeben, sondern
außerdem auch ein Abkommen über die Zusammenarbeit mit einer
Militärbesatzung geschlossen, noch bevor diese Besatzung aufgehört hatte
und sogar noch bevor die Regierung Israels überhaupt zugegeben hatte,
dass sie eine Regierung der militärischen Besatzung ist; bis auf den
heutigen Tag hat Israel nicht eingestanden, dass es eine Besatzungsmacht
ist.“ Mit dem Abkommen habe Jassir Arafat damals mit einem Federstrich
die Vergangenheit des palästinensischen Volkes, seine zukünftigen Rechte
und seine gegenwärtigen Hoffnungen missachtet. Arafat und seine
Berater, zu denen damals auch Abbas gehörte, hätten sich damit begnügt,
„jeden Brotkrumen zu akzeptieren, den die Vereinigten Staaten und Israel
vielleicht für sie vom Tisch fallen lassen würden, nur um als Teil des
Friedensprozesses zu überleben.“
Und zur Bilanz des Oslo-Abkommens schrieb Edward Said vor mehr als
20 Jahren: „Ich stehe vor der Notwendigkeit, die Wahrheit aufzudecken
und nicht der Sprache der Heuchelei, Schmeichelei und Selbsttäuschung
das Feld zu überlassen. Ich bin überzeugt, dass die meisten
Palästinenser die totale Unwürdigkeit unserer Situation empfinden.
Israelische Soldaten hindern unser Volk an der Fortbewegung in Gebieten,
die angeblich unser Territorium sind, sie töten unschuldige Zivilisten,
foltern Gefangene zu Tode, stehlen unser Land, sperren unsere Menschen
ein, zerstören ihre Häuser und Felder, während die israelische Regierung
ihre neuen Siege als Erfolge von Frieden und Menschlichkeit ausgibt.“
http://tlaxcala-int.org/upload/gal_11680.jpg
„Zwanzig Jahre nach dem Oslo-Vertrag
An dieser Situation hat sich bis heute nichts geändert, sie ist
eher noch schlimmer geworden. Was also hat Oslo gebracht? Israel hat in
den vergangenen Jahren keine Anstalten gemacht, das Recht der
Palästinenser auf Selbstbestimmung anzuerkennen noch die Besatzung zu
beenden. Wenn Abbas aber heute den fortgesetzten Landraub und den
Siedlungsbau beklagt, dann trägt die PLO (und damit auch Abbas selbst)
ein gerüttelt Maß an Schuld an diesem Zustand, denn in dem Vertragswerk
gab es keine Klausel, die die Beschlagnahme und Enteignung von Land und
den Siedlungsbau verbieten würde. Diese Fragen sollten bis zu den
Verhandlungen über den endgültigen Status aufgeschoben werden, was
Israel dann in die Lage versetzte, ständig neue Siedlungsfakten vor Ort
zu schaffen. Der sogenannte „Friedensprozess“, der von Israel nie als
solcher gemeint war, diente dafür als Schutzmantel. Kein Wunder, dass
kein geringerer als Shimon Peres sich am 1. September 1993 im
israelischen Fernsehen sehr zynisch über das Verhandlungsergebnis von
Oslo äußern konnte: „Nicht wir haben unsere Haltung geändert, sondern
die PLO. Wir verhandeln nicht mehr mit der PLO, sondern nur noch mit dem
Schatten, der von ihr übriggeblieben ist.“
Angesichts der verheerenden Bilanz des Oslo-Abkommens, das Ariel
Sharon schon im Jahr 2000 für „ungültig“ erklärt hatte, ist die
Kündigung durch Mahmoud Abbas nur logisch und konsequent. Aber so wie
das Abkommen schon viel zu vage und wenig konkret formuliert war, hat
der Palästinenser-Präsident vor der UNO-Vollversammlung auch nicht
Klartext geredet. Bedeutet diese Kündigung der Abkommen auch das Ende
der Palästinensischen Autonomiebehörde, also auch seinen Rücktritt, das
Ende auch der „Sicherheitszusammenarbeit“ (was ja bedeutet, dass
palästinensische Polizisten für die Sicherheit des Besatzers sorgen, des
Unterdrückers der eigenen Leute!), und der Kooperation der
Geheimdienste? Man muss deutlich formulieren: Oslo war nichts weiter als
eine Unterwerfung der palästinensischen Führung unter das
amerikanisch-israelische Diktat. Ob Abbas dies wirklich aufgekündigt
hat, ließ er offen. Also alles nur Rhetorik zur Beruhigung der eigenen
Leute und doch irgendwie weiter mit Oslo?



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