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Gazas Frauen vom Haushalt zum Broterwerb

von Isra Saleh el-Namey, The Electronic Intifada, 29. September 2015. 

Amal Abu
Ruqayiq, eine geschiedene Frau und alleinerziehende Mutter einer besonders
bedürftigen Tochter, arbeitet in ihrer Tischlerei im Flüchtlingslager von Nuseirat
im Zentrum von Gaza im März 2014.

Foto Ashraf Amra /Anadolu Agency/Getty Images
Vor fünf
Jahren verlor Soha Masri ihren Ehemann infolge eines israelischen Luftangriffes
gegen Gaza.
Als sie
Witwe wurde, befand sie sich plötzlich in einer unausweichlichen finanziellen
Lage.  Sie hatte drei Töchter, die alle
vorhatten, an den Universität zu studieren. Wie sollte sie sie denn ernähren?
Masri, die
nun 45 Jahre alt ist, ergriff die Initiative, eine kleine Hühnerfarm im Flüchtlingslager von Nuseirat aufzubauen. Sie
fing an, die hier erzeugten Lebensmittel an ihre Verwandten und Nachbarn zu
verkaufen.  
„Es ist
nicht einfach, sich um die Hühner zu kümmern“, meinte sie. „Aber ich tue mein
Bestes, damit ich genug Geld verdienen kann, um einen Teil der Ausgaben meiner
Kinder zu übernehmen.“
Viele andere
Frauen in Gaza befinden sich in einer ähnlichen Lage. Obwohl die Männer in den
meisten Fällen die Hauptverdiener der Familie sind, zwingt deren Tod oder
Verletzung deren Witwen bzw. Ehefrauen dazu, ihre Rolle zu übernehmen.
Manal Azizi startete
eine Kunststickerei, nachdem ihr Mann nach den 8tägigen ununterbrochenen
Bombenangriffen gegen Gaza im November 2012 gelähmt blieb.
Am Anfang
fehlte ihr die Ausstattung. „Aber ich habe nicht aufgegeben“, sagte sie. „Denn
die Arbeit geht weiter.“
Die
34jährige ernährt vier Kinder und ihren Mann.
Elend und Abhängigkeit
Die
Konferenz der Vereinigten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD)
beschrieb vor kurzem die weibliche Arbeitslosigkeit in der förmlichen Wirtschaft in Gaza als
„schwerwiegend“.
Unter den palästinensischen Flüchtlingen — die Mehrheit der
Bevölkerung von Gaza  — haben 8 von 10
jungen Frauen keinen regelmäßigen Job außerhalb des Haushaltes, so eine Studie
der UNCTAD.
Dem Bericht
zufolge stürzte der 51tägige Gazakrieg im Sommer 2014 fast alle Einwohner von
Gaza ins „Elend und in die Abhängigkeit von der internationalen humanitären
Hilfe“.
UNCTAD sieht
vor, dass er langfristige Auswirkungen haben wird. „Lange Wellen der
Arbeitslosigkeit dequalifizieren die Arbeiter. Ihre Erziehung und Ausbildung
gilt als überholt“, stellt der Bericht fest.
Das Problem
der Arbeitslosigkeit wurde durch die Belagerung Israels gegen Gaza seit 2007
noch erschwert.
Sie hinderte
die Palästinenser daran, ihre Güter außerhalb des Gazastreifens zu verkaufen.
Die Tätigkeiten, die die Frauen ausübten, um ihren Lebensunterhalt zu
bestreiten, wie zum Beispiel der Export von Blumen, wurden stark belastet.
Das Women’s
Affairs Center in Gaza bietet all denen Unterstützung an, die ein
Kleinunternehmen ins Leben rufen möchten. Jedes Jahr gehen Hunderte von
Unterstützungsgesuchen ein. Das Zentrum darf aber nur 10 Projekten die
Priorität geben. Viele Bewerberinnen sind entweder verwitwet oder geschieden.
„Während des
Krieges im letzten Sommer verloren viele Frauen ihre Geschäfte – oder ihre
Geschäfte erlitten große Verluste wegen der brutalen israelischen Bombenangriffe“,
so Reem Nerib, eine Sprecherin des Zentrums.
„Unsere
Bemühungen, hilflose palästinensische Frauen zu unterstützen stehen vor
zahlreichen Problemen, da es an Spenden fehlt“, fügte sie hinzu.
„Alles, was ich tun kann“
Naheel
Awida, 38, gibt Grundschulkindern Privatstunden in ihrem Haus in al-Bureij, einem Flüchtlingslager im Zentrum von
Gaza, das im Juli 2014 von den israelischen Luftangriffen sehr stark in
Mitleidenschaft gezogen wurde.
Sie hat fünf
Kinder und ihr Ehemann hat bisher keinen Vollzeitjob gefunden.
„Ich habe
einen Hochschulabschluss, aber heutzutage ist es fast unmöglich, in Gaza eine
Arbeit zu finden“, meinte sie. „Das ist alles, was ich tun kann.“
Trotz der
unzureichenden Hilfsmittel für Kleinunternehmen zeigen zahlreiche Frauen
unternehmerische Initiative.
Fatima
Qalban, eine 40jährige Mutter von sechs Kindern startete ein
Lebensmittelunternehmen, weil ihr Mann zu krank ist, um zu arbeiten.
Sie liefert
Kuchen und Maftoul — palästinensischen Couscous — an Supermärkte in der
Gegend von Khan Younis im Süden von Gaza.
Nach einer
Weile war sie mit dem Geschäft in der Lage, auch anderen Leuten Arbeit
anzubieten. „Ich war wirklich froh, als meine verarmten Nachbarn an meinem
Projekt teilnahmen“, meinte sie. „Dies ist besser, als auf andere Formen der
Unterstützung zu warten.“
Isra Saleh
el-Namey ist Journalistin in Gaza.