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Weibliche Herrscherinnen: Die Sultanin Raziyye (in Indien) (5)


By Milena Rampoldi, ProMosaik e.V. – In diesem Artikel geht es um die fünfte türkischstämmige muslimische Herrscherin, die die Islamgelehrte und Feministin Bahriye Üçok in ihrem Buch über die weiblichen Herrscherinnen und Regentinnen in der muslimischen Geschichte vorstellt. Sie lebte im indischen Mittelalter. Ihre Biografie, ihr Schicksal und vor allem ihr Kampf um Macht und Herrschaft wurden von verschiedenen Gelehrten studiert. Wie wir auch bei Shejer ud-Durr in Ägypten sehen werden, ist sie für viele muslimische Frauen ein Symbol moralischen Handelns, obwohl sie in einem dialektischen Feld zwischen weltlicher Macht und islamischer Utopie der Gerechtigkeit lebte. Sie herrschte zwischen 1236 un 1240. 


Die erste türkische Frau unter den
Herrscherinnen der muslimischen Staaten, die auf alle drei Kontinente verstreut
waren und von Spanien bis Indonesien reichten, ist Raziyye Hatun, die Sultanin
des türkisch-muslimischen Staates von Delhi[1].

Delhi wurde von Raja Prithvi[2] gegründet und gilt als
eine der bedeutendsten und ältesten Städte mit diesem Namen im Norden Indiens.
Sie wurde 548 (1189-9) von Seiten des Emirs Kutbuddin Aybek, einem Sklaven des
Herrschers von Ghur, Shahabuddin Mehmed, auch Muizzuddin Mehmed[3] genannt, erobert. Im Jahre
602 (1205-6) erklärte Aybek in Delhi seine Unabhängigkeit und benannte seine
Dynastie nach Muizzuddin Mehmed Dynastie der Muizziye[4]. Auf diese Weise mussten
die bedeutenden Regionen Indiens, wie Ranthambore[5], Gwalior = Biyana[6], Benares[7], Ajmer[8], Patna[9], Kalinjar[10] und Bengalen[11], die muslimisch-türkische
Herrschaft anerkennen. Auf diese Weise wurde der Islam in diese Regionen
eingeführt.
Im Jahre 1210 fiel Aybek während eines
Polospiels[12]
vom Pferd und verstarb; sein Sohn Aram Shah wurde daraufhin zum türkischen
Sultan Indiens[13].
Aber sein Reich dauerte nicht lange an. Denn im selben Jahr musste er seine
Macht niederlegen und wurde daraufhin hingerichtet. Der Sklave[14] und gleichzeitig
Schwiegersohn von Kutbuddin Aybek, Iltutmush
„Shems ud-Dunya v’ed-Din“,
sprach sich den Titel des Sultans zu und bestieg
den Thron (32)[15].
Daraufhin sendete ihm Tadjuddin Yildiz, der Sultan der Ghazneviden[16], ein Zelt. Obwohl dies gar nicht notwendig war, pflegte diese Dynastie
es trotzdem, ihre Verbundenheit mit dem Sultan von Ghur symbolisch zum Ausdruck
zu bringen. Dies stellte auf jeden Fall auf psychologischer Ebene eine Stärke
der Throne von Ghazni und Delhi dar[17].

1- Die Dynastie der
Shemsiyye:
Zum Zeitpunkt und nach seiner
Thronbesteigung wurde Iltutmush (33) gezwungen, sich großen Herausforderungen
zu stellen[18]. Denn während er gegen
Aram Shah um den Thron von Delhi kämpfte, hatte der zweite Schwiegersohn von
Aybek Kabaca einen großen Staat in Uc gegründet, der Multan, die Region
von Sind bis zum Meer, Lahore, einen Großteil von Pandjab, Serhind und die
südlichen Teile des Flusses Satlej einschlossen. Auf der anderen Seite drängte
die Eroberung von Ghazna durch Kharezm
Muhammed
und seine Absicht, seine Grenzen bis zum südlichen Fuße des
Hindu-Kusch-Massivs zu erweitern, Tadjuddin Yildiz, der zu jener Zeit als der
Herrscher von Iltutmush galt dazu,
nach Uc zu marschieren und diese zu erobern, als Kabaca der Herrscher über
diese Orte war; er wagte des Weiteren eine Kampagne gegen Delhi. Iltutmush, der
ein sehr ehrenvoller Soldat war, besiegte Tadjuddin Yildiz, der in Tarain[19]
verletzt wurde, ließ ihn gefangen nehmen und richtete ihn im Jahre 1215 in Bedaun oder Patna hin. Auf diese Weise
erhielt die von Iltutmush gegründete Dynastie den Namen „Shemsiyye“, weil Shems ud-Dunya v’ed Din Iltutmush zu ihrem
Herrscher ernannt wurde.
Zwei Jahre waren nach seinem Sieg vergangen,
als Iltutmush Lahore aus den Händen
von Kabaca riss. Daraufhin widersetzte er sich sei es mit friedlichen als auch
mit kriegerischen Mitteln dem Willen von Djelaluddin Kharezm Shah, der auf der
Flucht vor der furchterregenden Invasion von Gengis Khan ein neues Reich
gründen wollte (34).
Die Jahre 1226-7 vergingen mit den Eroberungen
von Rantabur, Mandevar und Bihar. Im Jahre 1230-1 gelang es ihm, nachdem er
Kabaca aus der Welt geschaffen hatte, die Eroberung von Bengalen. Auf diese
Weise annektierte Iltutmush das
gesamte Gebiet von Kabaca an das türkische Sultanat von Delhi[20]. Wie bereits angeführt,
handelte es sich hierbei um die folgenden Provinzen: die Regionen von Bengalen
und Bihar. Dies hatte ihm zum Recht verholfen, den Titel „Es-Sultan ul-Muazzam
Nasiru Emir il-Muminin“ zu führen. Dieser war ihm 1229 durch den Kalifen mit
der Anerkennung seines Titels als Sultan von Indien und Herrscher der von ihm
eroberten Länder erlaubt worden. Die Botschafter des Kalifen hatten ihm einen
wertvollen Mantel als Unterscheidungsmerkmal überbracht. Der
muslimisch-türkische Staat von Delhi war somit offiziell von Seiten des Kalifen
anerkannt worden[21].
Iltutmush, der dank seines Mutes, seiner
Tapferkeit und auch aufgrund der Bedeutung, die er den Gelehrten und Künstlern
entgegenbrachte, seine Berühmtheit in der Geschichte erlangte, eroberte nach Aybeks
Tode 1232 die Stadt Gwalior (35) zurück, die in die Hände der Hindus gefallen
war. Er ernannte (36) Minhadjuddin[22], den Autor des Werkes Tabakat-i Nasiri zum Kadi, Imam und
gleichzeitig auch zum Leiter aller Fragen um das islamische, religiöse Recht[23]. Im Jahre 1234 kehrte
Iltutmush nach den Eroberungen von Malva,
Bilsen
und Ucceayn in die Hauptstadt
Delhi zurück und wurde hier vom großen Aufstand der Qarmaten[24] überrascht. Man versuchte
ihn auch vergebens während des Freitagsgebetes umzubringen, um sich
unrechtgemäß seine Macht anzueignen. Es gelang ihm nicht nur, das Attentat zu
umgehen, sondern er rächte sich hart gegen die Qarmaten und ihren Plan, indem
er zahlreiche Aufrührer massakrieren ließ (37)[25].   
Gerecht wie er war, überließ Shemsuddin
Iltutmush die Staatsgeschäfte dem berühmten seldjukischen Wesir (38) mit dem
Titel „Nizam ul Mulk“[26]; er selbst hingegen
kümmerte sich (39) Tag und Nacht ohne jegliche Zeremonie um die Fragen der
Gerechtigkeit, damit sich keiner die Rechte seines Volkes unrechtmäßig
aneignete[27].
Überall wo er herrschte, trug Iltutmush seinen Untertanen auf, sich bunt zu
kleiden und während er mit dem Pferd durch die Stadt fuhr, hörte er sich ihre Beschwerden
an. Daraufhin ließ er vor das Tor seines Palastes zwei marmorne Löwenstatuen
aufstellen, die um den Hals Glocken trugen, damit ihn die Beschwerdeführenden
zu jeder Zeit, sogar um Mitternacht, rufen konnten. Diejenigen, deren Rechte
verletzt wurden oder die Opfer eines Angriffs jeglicher Art waren, konnten sich
somit rund um die Uhr direkt an ihren Herrscher wenden.       
2 – Ernennung von
Raziyye Hatun zur Nachfolgerin und Tod von Iltutmush:
Nasiruddin Mahmud, der
Sohn von Iltutmush, der sich am besten als Herrscher eignete, verstarb während
seiner Zeit als Gouverneur von Bengalen. Und kein anderer seiner Söhne (40) war
so intelligent wie seine Tochter Raziyye Hatun. Im Jahre 1232 hatte Iltutmush
die Festung von Gwalior eingenommen und war daraufhin nach Delhi zurückgekehrt.
Er rief einige seiner Emire zu sich und teilte ihnen mit, dass er seine Tochter
Raziyye zu seiner Nachfolgerin ernennen wollte, da sie die Tugenden einer
gerechten Frau besaß, ihr Volk liebte und eine Autorität innehatte, die einer
Herrscherin würdig war[28]. Somit befahl er Tadj ul-Mulk Mahmud (41) die Verfassung
einer Verordnung für diese Ernennung. Nach unserem Wissensstand war die
Sultanin Raziyye unter den muslimischen Herrscherinnen die einzige, die den
Thron durch „ahd“ bestieg, d.h. sie
war die erste, die vorab dazu bestimmt wurde, die Herrscherin ihres Landes zu
werden.
Während der vorbereitenden Arbeit zwecks Verfassung
des Textes dieser Verordnung befragten ihn einige Notabeln und Beamten, die im
direkten Kontakt zum Sultan standen, nach dem Grund für diese Wahl, nach der Raziyye zur erblichen Nachfolgerin
dieses muslimischen Sultanats von Indien bestimmt worden war, da er auch noch
Söhne hatte, die bereits das Alter der Reife erreicht hatten. Sie fügten des
Weiteren auch hinzu, dass sie sei es diese Entscheidung als auch die
Verordnung, deren Verfassung er aufgetragen hatte, als sittenwidrig
betrachteten. Daraufhin erklärte ihnen der Sultan Iltutmush, dass seine Söhne wie
so viele junge Menschen ihres Alters nur ans Trinken und an die Unterhaltung
dachten und somit unfähig waren, den Staat zu regieren. Diejenigen, die ihn zu
jener Zeit dazu befragt hatten, verstanden dann später, als Raziyye den Thron
bestieg, wie glücklich diese Wahl gewesen war[29].
In der Tat besaß Raziyye mehr als ein Mann die
hochwertigen Qualitäten, die unentbehrlich für die Herrschaft waren[30]; sie war auch eine gute
Kämpferin und eine mutige Frau mit gutem Charakter, die sich für die Gelehrten
interessierte und sie falls notwendig auch beschützte[31]. Ihre Mutter Turkan Hatun war auch eine prominente
und einflussreiche Frau im Harem gewesen. Die Krankheit von Iltutmush im Jahre 1235-1236 nach
seiner Rückkehr aus dem Feldzug gegen die Kakaren (die Khokhar) im hohen Panjab
und sein Tod im selben Jahr führten jedoch zu einem Missverständnis (42)
zwischen ihr und Shah Turkan, einer
anderen Frau von Iltutmush und Mutter von Ruknuddin.
Nach dem Tode von Shemsuddin Iltutmush, diesem freigebigen und gerechten Mann
mit Talenten im Bereich der militärischen Führung und der Verwaltung, dessen
Palast als „Derbar-i Şemsi
bezeichnet wurde, teilten sich die Emire in zwei Gruppen auf.
3 – Das kurz andauernde
Sultanat von Ruknuddin und die Thronfolge von Raziyye:
Während eine der beiden
Faktionen die Herrschaft von Raziyye begrüßte, war es der anderen Gruppe
bereits gelungen, Ruknuddin Firuz Shah[32] zum Thron zu verhelfen. Dies
war dank der Mühe seiner Mutter Shah Turkan[33] möglich gewesen;
diejenigen, die zu dieser letzteren Gruppe zählten, stützten ihre Ansicht auf
der folgenden Hypothese: nach seiner Rückkehr aus seinem letzten Feldzug nach Punjab
hatte Iltutmush, der bereits krank war, seinen Sohn Ruknuddin Firuz Shah, der damals Gouverneur von Lahore war, mit
sich nach Delhi genommen, um ihm seinen Wunsch mitzuteilen, ihn und nicht
Raziyye (43) zum Nachfolger-Sultan zu ernennen.
Nach einiger Zeit begann Shah Turkan, die
anderen alten Frauen des verstorbenen Sultans und ihre Kinder zu tyrannisieren.
Sie hatte mit Kutbuddin, einem der
Söhne von Iltutmush begonnen, den sie erblindete, um ihn dann töten zu lassen
(44)[34]. Sie hatte vom Verhalten
von Ruknuddin profitiert, der sich zu sehr dem Trunk und der Unterhaltung
hingab, und ihre Geschicklichkeit genutzt, um die Staatsgeschäfte an sich zu
reißen. Nach kurzer Zeit lehnten sich die Gouverneure zahlreicher Städte,
worunter Guiyassuddin Mehmed, einer der Söhne von Iltutmush, auf und eigneten
sich die Abgaben an (45). In diesem Zeitraum war der Türke Melik Seyfuddin in Punjab
eingedrungen. Der Herrscher, der sich nun in einer peinlichen Situation befand,
musste seine Unterhaltungen unterbrechen, um einen Feldzug gegen die Aufrührer
zu führen. Er verließ somit Delhi und führte seine Emire an. Seine Freigiebigkeit
und seine Güte konnten nicht vermeiden, dass einige seiner Kämpfer die Seiten
wechselten und zu den Aufrührern überliefen. In der Zwischenzeit befand sich
die ursprüngliche Erbthronfolgerin und älteste Schwester von Rükneddin, Raziyye, die sich zu dem Zeitpunkt in
Delhi befand, in einer unglücklichen Lage mit Shah Turkan; daher verbreiteten sich in der Stadt Gerüchte, nach
denen Shah Turkan die Tötung von Raziyye plante[35]. Dieses Gerüchte führten
die Befürworter von Raziyye dazu,
sich gründlich darauf vorzubereiten, um falls notwendig das Schlimmste zu
vermeiden. Nach Minhadjuddin (Tabakat-i Nasiri, Lahore, S. 93), dem
damaligen Kadi von Gwalior, hatte die Mutter von Rukneddin bereits Giylu Gehri erreicht, und Shah Turkan war schon
gefangen genommen worden. Außerdem waren die wichtigsten Mitglieder der
Streitkräfte schon in die Hauptstadt zurückgekehrt, um Raziyye zu huldigen und ihr zum Thron zu verhelfen. Daraufhin hatte
Raziyye, die nun bereits den Thron
innehatte, einige türkische Männer aus ihren Reihen zusammen mit einigen Emiren
nach Giylu Guehri geschickt, um Rukneddin
zu fassen. Nachdem die Beys ihn gefangen genommen hatten, führten sie ihn
nach Delhi und sperrten ihn auf Befehl der neuen Herrscherin in eine dunkle
Zelle ein, wo er auch verstarb (8 Rebi’ulevvel 634/1236).
Ibni Battuta (46) berichtet wie folgt über die
Thronbesteigung von Raziyye Hatun:
„Rukneddin  hatte unter dem Einfluss
seiner Mutter Shah Turkan begonnen, seine Brüder und Schwestern zu
tyrannisieren. Daher plante nun seine Schwester Raziyye, ihn töten zu lassen.
Zu diesem Zwecke bestieg sie eines Tages, in dem sich Ruknuddin in der Moschee
befand, mit der Bekleidung der Untertanen das Dach eines alten Palastes, des „Devlethane“. Um von den Bewohnern
gehört zu werden, rief sie mit den folgenden Worten um Hilfe: „Mein Bruder Rukneddin hat schon unseren
Bruder töten lassen
(Muizzuddin oder Kutbuddin Mehmed). Nun beabsichtigt er, auch mich aus dem Weg zu räumen“. Während sie
dies sagte, erinnerte sie an die Gerechtigkeit, Freigebigkeit und Güte ihres
Vaters sowie an die großzügigen Gaben, die dieser bereits unter ihnen verteilt
hatte. Auf diese Worte hin fassten die Männer, die sich in der Moschee
befanden, Ruknuddin und brachten ihn zu Raziyye
Hatun
, die daraufhin erklärte: „Der Mörder muss ermordet werden“. So tötete
Raziyye den Mörder ihres Bruders.
Da die anderen Brüder und Schwestern noch jung
waren, übergaben die Emire und die Bevölkerung im Einvernehmen Raziyye den
Thron (634/1236)“. Aus diesem Bericht wird ersichtlich, dass Raziyye, die durch
die vorherige Akzeptanz, „Ahd“,
nicht mehr den Thron besteigen konnte, dieses Recht durch den Sieg, „Galebe“, erhielt.
Der Grund, wofür Rukneddin nur achtundzwanzig Tage herrschte und dann abgesetzt
wurde, hing mit seinem vollkommenen Desinteresse für die staatlichen Belange
und mit seiner Hingabe an die Musiker und Künstler zusammen. Er ritt auch
betrunken auf dem Elefanten aus, indem er Geld und Silber in den Märkten und
Läden verprasste und die Elefantenzüchter mit Geschenken überschüttete. Dazu
kam sein mitleidvoller Charakter, der es nicht zulassen konnte, dass einem
Lebewesen Leid zugefügt wurde. Seine Vorliebe für Homosexuelle führte dann
dazu, dass er das Sultanat und sein Leben verlor (47)[36].
4- Das Reich von
Raziyye Hatun, ihr Tod und ihre Persönlichkeit:
Raziyye Hatun bestieg
1236 den Thron des Sultanats und erweckte die Traditionen und Prinzipien der
Dynastie der Shemssiyye, die zu Lebzeiten des Sultans Ruknuddin vernachlässigt
und gar zerstört worden waren, erneut zum Leben; sie ließ auch die
Gerechtigkeit walten. Sie war auch sehr freigiebig zu ihrem Volk (48)[37]. Im Laufe der ersten
Jahre ihres Reiches wurden die Münzen mit der folgenden Inschrift geprägt: „Ehre für die Frauen, Königin der Zeiten,
Sultan[38]
Raziyye, Tochter von Shemsuddin Iltutmush
“. 
Nachdem sie den Thron bestiegen hatte, musste
sich diese hervorragende Frau, welche die Titel „Raziyye ud-Dunya v’ed-Din“ und
„Belkis-i cihan[39]

 trug, den Herausforderungen verschiedener
Geschehnisse stellen, die einen unaufhörlichen und unermüdlichen Kampf
forderten (49). Einer der wichtigsten bestand im Aufstand von Nur-Türk, der anscheinend auf
religiösen Fanatismus zurückzuführen war. Die Qarmaten und Melahiden aus
Indien, die aus der Blumenregion des Son und Ganges stammten, wurden von einem
Türken namens Nureddin zum Aufstand
angespornt und versammelten sich in Delhi. Sie hatten sich im Geheimen die
Treue geschworen. Nur-Türk war ein sehr kultivierter Mann, der es liebte,
Menschen um sich zu scharen und sich mit ihnen zu unterhalten. Er hetzte die
Bevölkerung gegen die hanafitischen und
schafiitischen Gelehrten
auf und zeigte sich ihnen als der „Mürcie“. Die Partisanen von Nuruddin,
die auf seine Provokationen hin bereits zu den Waffen gegriffen hatten, drangen
am Freitag, 6. Rejep 634/5. März 1237, mit Säbeln und Schilden bewaffnet, in
der „Djami-i Mesdjid“ der Stadt von Delhi ein. Diese Streitkräfte, deren Anzahl
tausend Menschen betrug, teilten sich in zwei Gruppen auf: eine Gruppe drang
durch das Nordtor ein, das auch als die Seite von Yeni Hisar bezeichnet wurde,
während die andere über die „Bazar-i Bazzazan“ in die Medrese von Muizzi
eindrang und dabei der Meinung war, sie würde in die Moschee „Djam-i Mesdjid“ eindringen. Gemeinsam
stürzten sie sich auf die Muslime. Diejenigen, die überrascht wurden, starben
als Märtyrer unter den Säbelschlägen oder von der Menge zertrampelt. Über
diesen gnadenlosen Angriff waren Beschwerden aus Delhi gekommen. Nasiruddin
Egitim, Emir Shair, Imam Nasiri und andere Kämpfer der Hauptstadt überfielen
gepanzert die aufständischen und wütenden Qarmaten. Die Muslime, die sich auf
dem Dach der „Djami-i Mesdjid
befanden, schlossen sich diesem Unterdrückungsakt an, indem sie Steine und
Dachziegel auf sie warfen, die ihnen auf die Hand fielen. Am Ende aber waren
viele Qarmaten, Anhänger von Nur, über die Klinge gesprungen, und
der Aufstand wurde niedergeschlagen[40].

Zu dem Zeitpunkt, in dem die Sultanin Raziyye
in Delhi mit der Unterdrückung des Aufstandes dieser Gelegenheitsspäher
beschäftigt war, stand der Wesir des Landes, Nizam ul-Mulk Djuneydi, im heimlichen Einverständnis mit den Prinzen
Melik Alauddin Djani, Melik Seyfuddin
Kudji, Melik Izzuddin Kebir Han Ayaz
und Melik Izzuddin Mehmed Salari, die Raziyye als Herrscherin
zurückwiesen, vor den Toren von Delhi. Da der Aufstand weiter andauerte, hatte
die Sultanin Raziyye Melik Nusreteddin Tayesai (Muizzi), dem
damaligen Lehnsherrn von Avad befohlen, sich mit seinen Streitkräften in
Richtung Delhi zu begeben. Nusretuddin
hatte gerade den Ganges überquert und sich Delhi genähert, als ihn Raziyyes  Feinde plötzlich angriffen und gefangen
nahmen. Melik, ein Mann treuen und sensiblen Charakters, hielt die
Gefangenschaft nicht aus und starb vor Leid (50). Die Belagerung von Delhi
dauerte lange an; aber die Sultanin Raziyye ließ sich nicht unterkriegen und
verließ nach den Vorbereitungen Delhi. Sie hatte angeordnet, dass das
Herrscherzelt an einem Ort am Ufer des Flusses Djemne aufgestellt werden
sollte. Und an diesem Ort kämpfte sie unter Prinzen und Partisanen gegen ihre
Feinde. Am Ende liefen Melik Izzuddin Mehmed Salari und Melik Izzuddin Kebir
Han Ayaz, die durch zu verlockende Versprechen verleitet worden waren, zur
Sultanin über und trafen sie eines Abends geheim vor dem Sultanszelt, um eine
Vereinbarung zu treffen: nachdem der Plan von diesen beiden Prinzen klug
ausgearbeitet worden war, wurden Melik Djani, Melik Seyfuddin Dudji und Nizam
ul-Mulk Djuneydi gerufen, um den Aufruhr niederzuschlagen. Diese wurden dann
überwacht und gefangen genommen, um den Aufstand niederzuschlagen (51)[41].
Die feindlichen Prinzen, die von diesem Komplott
erfuhren, ergriffen die Flucht, indem sie ihr Hauptquartier hinter sich ließen.
Aber die Reiter von Raziyye folgten ihnen: Melik Seyfuddin Kudji und sein
Bruder wurden gefasst. Sie wurden im Gefängnis umgebracht. Auch Melik Alauddin
Djani wurde im Dorf von Nakavan geköpft, von wo aus sein Kopf nach Delhi
gebracht wurde.
Nizam ul-Mulk Djuneydi, der sich in die Berge
von Sir-Mur-Bardar zurückgezogen
hatte, starb nach einiger Zeit dort. Die Sultanin Raziyye, die nun Hodja Muhezzeb mit dem Namen Nizam
ul-Mulk zum Wesir ernannt hatte, hatte die Situation unter Kontrolle gebracht.
Der neue Wesir war zugleich auch der Auftraggeber des vorherigen Nizam ul-Mulk.
Was Melik Seyfuddin Aybek angeht,
dessen gute Dienste von der Sultanin sehr geschätzt waren, so wurde dieser zum
Führer der Streitkräfte ernannt und mit dem Titel Kutluk Han ausgezeichnet. Melik
Kebir Han Ayaz
erhielt zwecks Anerkennung der von ihm erbrachten Dienste
die Stadt Lahore. Somit hatte das Land der Sultanin Raziyye nicht nur den
Frieden gefunden, sondern den Ruf ihrer Macht auch überall verbreitet. Von
Laknavati bis nach Dival und Damrilah, hatten ihr alle Prinzen und Emire
gehuldigt und Treue geschworen (52).
Melik Seyfuddin Aybek, der Führer der
Streitkräfte, starb kurze Zeit danach. Diesmal wurde Melik Kutbuddin Husein,
Sohn von Ali Ghuri, zum Führer der Streitkräfte ernannt. Diese Stellung hatte
er mit dem Befehl erlangt, die Festung von Rantabur auszuliefern, deren
Belagerung, die zum Zeitpunkt des Todes von Iltutmush begonnen hatte, schon seit
einiger Zeit andauerte. Melik Kutbuddin
Husein
begab sich an der Führung seiner Armee in Richtung Rantabur und rettete die
eingeschlossenen Emire in der umzingelten Festung. Nachdem er die Festungen
hatte umstürzen lassen (53), kehrte er sofort nach Delhi zurück, ohne sich weiterhin um den Schutz der Festung zu
kümmern (54).
Melik Ikhtiyaruddin
Altuniyye

(Altunaba), ein türkischer Sklave des mächtigen Sultans Iltutmush, hatte
gehorchsam seine Dienste in der Küche und für den Chef des Herrscherzeltes
erbracht. So hatte er das Vertrauen der Sultanin Raziyye gewonnen und die
Hochburg von Pren und die Festung von Taberhind erhalten. Raziyye hatte auch Melik Ikhtiyaruddin
Aytekin
den Rang des „Emir-i Hadjib“ zugesprochen. Aber trotz all dieser
Titel, die sie den türkischen Bey zugesprochen hatte, hatte sie auch die
Habgier anderer türkischer Emire erweckt, die eine Gefahr für sie darstellten,
weil sie auch Melik Djemaluddin Yakut
Khabeshi
den Titel von „Emir ul-umera“ zugesprochen hatte. Sie stellten in
der Tat eine Gefahr dar, weil sich alle Staatsposten, v.a. die Schlüsselposten
und die Regierung der Provinzen, in den Händen der türkischen, von Iltutmush erworbenen Sklaven befanden.
Und diese Sklaven schlossen sich, obwohl es des Öfteren Auseinandersetzungen aufgrund
persönlicher Interessen unter ihnen gab, bei einer lauernden Gefahr zu einer
einheitlichen Macht zusammen. Eine solche Situation hatte die Sultanin Raziyye
dazu gezwungen, ihre weiblichen Kleidungsstücke abzulegen, um sich als Mann zu
kleiden und so in der Menge aufzutreten (55). Sie hatte immer Boden und Köcher
bei sich, wenn sie auf dem Rücken des Elephanten die Stadt durchquerte, und
diese Menschen konnten sie immer aus der Nähe sehen, da sie niemals daran
gedacht hatte, sich ihren Blicken zu entziehen. Obwohl im Tabakat-i Ekberi angeführt wird, dass Yakut Khabeshi Raziyye,
sobald sie sich auf ihr Reittier schwenkte, um die Achseln genommen und somit
die Eifersucht und Gerüchte unter den Emiren hervorgerufen hatte, nimmt Minhadjuddin, ein Zeitgenosse von
Raziyye, vielleicht aus Respekt, in seinem Buch keinen Bezug darauf (56)[42].
Es ist sehr wahrscheinlich, dass es gar keine
Intimität zwischen der Sultanin Raziyye
und Yakut Khabeshi, den sie zum Emir ul-Umera ernannt hatte, gab, wie
die Emire aber behaupteten. Durch die Ernennung von Yakut Khabeshi zu diesem
höheren Posten hatte die Sultanin Raziyye durch diese so unschuldige Politik an
sich nur das Ziel verfolgt, die Macht der ungefähr vierzig türkischen Emire,
Prinzen und Gouverneure einzudämmen; aber dadurch erreichte sie am Ende nur, ihren
tragischen Tod und den von Yakut Khabeshi vorzubereiten.
Die Sultanin Raziyye, welche die erste und
mächtigste Herrscherin des Islam war und deren Beispiel, bis auf wenige
Ausnahmen, im christlichen Europa bis zum 13. Jahrhundert unübertrefflich
gelten wird, befahl ihren Streitkräften, nach Gwalior zu ziehen. Geflissentlich
verteilte sie unter ihnen Geschenke und Trinkgelder. Der Kadi von Gwalior,
Minhadq-i Siradj und die Emire wie Melik ul-Umera Ziyauddin Djuneydi und andere
verließen die Stadtfestung von Gwalior. Im Jahre 635 (1238) eroberte Raziyye am ersten Tag des Monats Shaban
(57) die aufständische Stadt Gwalior und
kehrte daraufhin nach Delhi zurück.
Im selben Monat ernannte sie den Autor des Werkes Minhadj-i Siradj, auf das wir uns hier in unserem Buch beziehen,
zum Kadi von Gwalior und auch zum Leiter der Medrese von Nasiriyye in Delhi. Im
Jahre 637 (1239-1240) nahm der König
Izuuddin Kebir Han Ayaz
eine Haltung ein, die einem Aufstand ähnelte. Die
Sultanin sendete ihre Armee gegen ihn und folgte ihr persönlich. Melik Kebir
Han Ayaz, der einsah, nicht in der Lage zu sein, den Feind zu besiegen, begab
sich zu ihr, um ihr einen Vorschlag zu unterbreiten, um den Konflikt zu klären.
Nach der geschlossenen Vereinbarung wurde die Provinz von Multan, die Melik
Ikhtiyaruddin Karakoush Han Aytekin gehörte, Melik Izzuddin Kebis Khan Ayaz
übergeben. Nach dem Abschluss dieses Geschäftes, gewann Raziyye am 10. Shaban
637 ihre Hauptstadt zurück.
Unter den Bey, deren Habgier und Neid niemals
befriedigt werden konnte, befand sich Ikhtiyaruddin
Altuniyye
, dem Raziyye seit
ihrer Thronbesteigung Pren und die
Festung von Taberhind anvertraut
hatte. Er hatte sich zumindest aufgelehnt. Bedauerlicherweise unterstützten
einige Emire, unter anderem Emir-i Hadjib Ikhtiyaruddin Aytekin, diesen von
Altuniyye ins Leben gerufenen Aufstand. Nach diesem Geschehnis versammelte
Raziyye zwanzig Tage nach der Rückkehr aus dem letzten Feldzug eine große
Anzahl von Soldaten und sah sich gezwungen, in die Hauptstadt zu ziehen
(Mittwoch, 9. Ramadan 637). Sie war gerade in Taberhind eingetroffen, als die
türkischen Emire sich plötzlich feindselig verhielten (nach Ravzatus Safa, IV, S. 217) und ihren
Heeresführer, den Emir Djemaluddin Yakut
Khabeshi
fassten und töteten.
Die Sultanin Raziyye, die nun ihre treusten
Heeresführer und die Treue ihrer Emire verloren hatte, wurde von den
aufständischen Prinzen gefangen genommen und in die Zittadelle von Taberhind entsendet,
um dort eingesperrt zu werden (58). Die Neuigkeit über die Einkerkerung der Sultantin Raziyye war auf Initiative
von Melik Ikhtayaruddin Altuniyye
nach Delhi gelangt. Die Bey, die sich dort befanden, verfolgten das Ziel, einen
der Söhne des Sultans Iltutmush, Muizzuddin
Behram Shah
, auf den Thron zu bringen. Aber die Emire, die am Feldzug
teilgenommen hatten, teilten nach ihrer Rückkehr nach Delhi mit, dass sie
Behram Shah nur unter der Voraussetzung akzeptierten, dass Ikhtiyareddin Aytekin zu seinem Regenten ernannt würde. Dieser
Vorschlag wurde angenommen. Um die Situation zu kräftigen, hatte Aytekin die Schwester von Behram Shah
zur Ehefrau genommen; er hatte sich auch erlaubt, die Fanfare spielen zu lassen
und immer einen Elefanten vor seiner Tür zu haben (59). Aber diese Privilegien
waren dem Herrscher vorbehalten. Diese Einstellung von Ikhtiyareddin Aytekin, der zum Rang des Regierenden erhoben wurde,
als er nur Emir-i Hadjib war und seine Art, sich die Symbole der Macht
anzueignen, hatte den Zorn von Muizzuddin Behram Shah auf sich gezogen, der ihn
eines Tages in seinem Palast töten ließ und ernannte Bedreddin Sungur Rumi an seiner Stelle zum Emir-i Hadjib. Was den
Wali von Taberhind Ikhtiyaruddin
Altuniyye
angeht, so hatte dieser die Sultantin Raziyye einen Monat nach
der Verhaftung geheiratet. Das reicht aber nicht, um zu beweisen, dass die
Gerüchte gegen die Sultantin Raziyye
vollkommen gegenstandslos waren.
Denn sie hatte im Sinne der Ordnung und
Gerechtigkeit ein Land regiert, das so groß war wie ein Kontinent. Denn in der
Tat dachte Raziyye, die mit Bogen und Köcher auf dem Rücken von einer Grenze
zur anderen lief, an nichts anderes als daran, die hinduistischen Angriffe zurückzuschlagen, die aufständischen
Prinzen zu unterdrücken und die perfekte Verwaltung und das Recht und die
Gerechtigkeit wieder herzustellen, die zur Zeit der Herrschaft ihres Vaters
vorhanden waren. Das Interesse, da Djemaluddin
Yakut Khabeshi Raziyye
als Frau entgegengebracht und dem diese Sultanin
eine besondere Bedeutung geschenkt hatte, indem sie das Ziel verfolgte, die
Stärke der türkischen Emire zu zerstören, erklärt sich nur durch den Ausdruck
einer tiefen Treue gegenüber einer außerordentlichen Frau in der Geschichte.
Diese eifersüchtigen Bey, die sei es für sich
selbst als auch für ihre Herrscher gerne schandhafte Neigungen tolerierten,
hatte diese unwahrscheinliche Neigung in der Person dieser intelligenten und
mutigen Herrscherin  als unverzeihlichen
Fehler bezeichnet und nicht gezögert, sie zu verlassen, als sie gerade
besonders ihre Unterstützung brauchte. Raziyye, die sich vor nichts fürchtete,
sendete Mitteilungen in alle Richtungen, um den Thron von Delhi zurückzuerobern.
Altuniyye hatte sich nach der Eheschließung mit Raziyye auch um ihre Belange gekümmert.
Er ließ sich dabei auch von den beiden Emiren aus Kehukehran, Jatvan und
anderen Städten unterstützen, die ihre Truppen versammelten. Zu jener Zeit
erhoben sich Melik Izzuddin Mehmet
Salari
und Melik Karakush,
Vasallen von Behram Shah und verließen Delhi, um die Armee von Raziyye zu erreichen, welche die
notwendigen Befehle erteilte, um die Armee in diese Stadt zu entsenden. Im
Gegenzug hatte Behram Shah seine Armee aus Delhi geführt und den Befehl Melik
Tekin aufgetragen. Auf dem Weg stießen die beiden Armeen aufeinander. Die Sultanin Raziyye wurde besiegt und
kehrte daraufhin nach Taberhind zurück. Einige Zeit später begab sie sich
erneut mit der neu organisierten und kriegsbereiten Armee nach Delhi. Behram Shah, Raziyyes Halbbruder, hatte
Melik Tekin zum Befehlshaber einer
noch größeren Armee als zuvor benannt und hatte diese gegen die Sultanin
geschickt. Die beiden Heere stießen in Kaytahl
aufeinander. Wie zuvor, wurden Raziyye
und ihr Ehemann Melik Ikhtiyaruddin
Altuniyye
von einigen Einheiten im Stich gelassen. So verloren sie die
Schlacht von 638 (1240). Am 24. Rebi ul-evvel (13. Oktober) wurden Altuniyye in
der Nähe von Mansurpur und Raziyye in Kaytahl gefasst. Am darauffolgenden Tag,
an einem Sonntag, fanden sie den Tod als Märtyrer (60).
Dies erfahren wir von Minhadjuddin über seine
Zeitgenossin Raziyye. Er berichtet aber nichts Weiteres. Der Chronik Tabakat-i Ekberi (S. 68), Ibn Battuta
und den darauffolgenden Historikern zufolge fiel Raziyye in die Hände der
Hindus und wurde von diesen ermordet[43]. Nach Ibn Battuta (II.,
S. 37) war die Sultanin nach der verlorenen Schlacht gegen ihren Halbbruder
Behram Shah vor der Gefangennahme (61) geflohen; da sie aber auf dem Weg
hungrig und sehr übermüdet war, hielt sie an, als sie einen Bauern sah, der
gerade sein Feld pflügte, und bat ihn, ihr etwas zum Essen zu geben; das
trockene Brot, das er ihr anbot, hatte sie ermüdet und sie schlief an jener
Stelle ein; während sie schlief, merkte der Bauer, dass es sich bei diesem
mutmaßlichen Mann eigentlich um eine Frau handelte und sich unter ihren
Kleidern ein gestickter Kaftan aus Edelsteinen befand. Daraufhin brachte er sie
aus reiner Habgier, im Gedanken an das Geld, das er aus dem Erlös des Kaftans
erhalten könnte, um. Nachdem er das Pferd von Raziyye in eine andere Richtung
verleitet hatte, begrub er ihren Leichnam in seinem Feld und begab sich dann
zum Markt, um das Stoffstück, das er vom Kaftan der Sultanin abgerissen hatte,
zu verkaufen. Die Leute auf dem Markt wunderten sich über den Anblick eines so
reich bestickten Stoffstückes in den Händen eines armen hinduistischen Bauern,
verdächtigten ihn des Diebstahls und brachten ihn vor den Kadi; nach den ihm
verhängten Hieben hätte der bösartige und unsensible Bauern dann den begangenen
Mord gestanden und den Ort gezeigt, an dem er den Leichnam begraben hatte.
Die religiösen Zeremonien fanden erst nach der
Exhumierung des Leichnams statt. Dieser wurde erneut an derselben Stelle
begraben, an der auch ein Denkmal mit einer Kuppel errichtet wurde. Einer
anderen Erzählung des Werkes Tabakat-i
Ekberi
(S. 68) zufolge hätte man Raziyye vor Behram Shah gebracht, der sie
dann ermordete. Während sich Ibni Battuta in Indien befand, wurde das Grab der
Sultanin am Ufer des Flusses Son (Djemne) zu einer Pilgerstätte.
Auf der Münze, die unter der Herrschaft der
Sultanin Raziyye geprägt wurde, findet sich die folgende Legende:

 
Es handelt sich hierbei um den Text, den der
Numismatiker Wright (62) [44] auf der Münze von Raziyye
vorgefunden hat. Man könnte aber die Worte auch besser wie folgt lesen “Anta Sultan”,
indem man bei

 „das Wort“ 

“Iltutmush” auf die rechte und „nicht auf die linke Seite
stellt“.

Die Sultanin Raziyye, deren militärischen und
Verwaltungstalente wir versucht haben aufzuzeigen, war auch künstlerisch auf
einem nicht zu unterschätzenden Niveau begabt. Dies ist anhand ihre Gedichten
klar ersichtlich, die sie mit dem Pseudonym Shirin-i Dihlevi oder Shirin-i
Guri
verfasste. Die vier Distichen aus dem Perdensinan-i Suhenguy im Werk Mage-i
Rahmani
offenbaren sehr klar ihr Talent:

Ich habe eine Nachtigall
im Munde, die mich durch ihren Gesang bezaubert; Im Vergleich zu mir haben die
anderen Dichter Raben im Mund.

Wir sind die Ursache all
dessen, was uns zustößt. Geschieht. Warum sollte sich dann das arme Herz irren?
Der Armeselige ist der Grund für unsere unbegründete Melancholie.
 
Ich verbreite den
Überfluss durch meine Füße, verwandle das Schicksal in einen Thron und
verscheuche die Fliegen mit den Flügeln von Huma.

Komm Shirine, beschreite
nicht den Weg der Liebe. Hast du das Schicksal von Ferhat auf ihrem Wege
vielleicht vergessen?
Die folgenden Distichen aus dem Buch von Ali
Ekber-Mushi-i Selimi mit dem Titel Zenan-i
Suhenver
(III, S. 156) stammen auch von Raziyye Hatun:

Sein Gesicht ist mir
unbekannt, aber gleich wie eine Pupille befindet es sich in meinem Auge.

Ich habe weder deinen
Namen gehört, noch dein Gesicht gesehen, aber trotzdem liebe ich dich wie die
Pupille meiner Augen.

Was nutzt der Glanz der
Sonnenstrahlen, wenn (die Sonne) nicht unter unserem Blick, der zornig ist wie
ein Schwert, zittert?
Die Sultanin Raziyye war eine wohltätige,
mächtige und beispielhafte Herrscherin für ihr Land, dessen Größe der eines wahren
Reiches gleichkam. Sie regierte es in der Tat offiziell über einen Zeitraum von
fast vier Jahren[45].
Nach dem Tod von Raziyye ließen die sehr ehrgeizigen, türkischen Beys ihren
Nachfolgern Behram Shah, Izzuddin Balaban, Alauddin Mesud Shah und Nasiruddin
Mahmud keine Atempause. Jedes Mal, wenn diese Herrscher, wie schon Raziyye vor
ihnen, versuchten, die Solidarität unter diesen türkischen Emiren zu
zerschlagen, stifteten diese Unruhen; so entthronten diese Emire zwei Sultane
und töteten diese. Die Aufstände der Bey und die Einfälle der mongolischen
Stämme einerseits und der Einfall der Hindu in die ungeschützten Regionen
(1266) andererseits, hatten die Shemsiyye-Dynastie
geschwächt und öffentlichen Aufruhr mit sich gebracht: auch jetzt war die Macht
auf zwei Eunuchen übergegangen. Während des Reiches von Nasiruddin Mahmud war der Terror, den der Eunuch Reyhan auslöste,
so groß, dass sogar Kadi Minhajduddin
mehr als anderthalb Monate sein Haus nicht verlassen konnte. Am Ende erlangte
die Dynastie der Balban durch die
Erbfolge die Macht. Aber das Land, das diese regierte, war nun weniger
ausgedehnt als zur Zeit des Sultans
Iltutmush
und seiner Tochter, Sultanin
Raziyye
[46].
Dies war das Zeitalter, das diese berühmte
Familie durchlebte. Ihr Name glänzt noch ganz besonders in den historischen
Werken ihrer Zeitgenossen.
Der Stammbaum von Sultanin Raziyye


[1]
Über die Sultanin Raziyye habe ich einen interessanten Artikel auf www.akademikperspektif.com
gefunden, den ich anbei ins Deutsche übersetzen möchte, vgl. hierzu Zenginoğlu
Samet, Der Stellenwert der Frauen in der
türkischen Geschichte: das Beispiel der Sultanin Raziye
vom 22.02.2012: „Die Rolle der Frau in der
türkischen Geschichte und in der heutigen Gesellschaft wird des Öfteren auf ein
Mindestmaß heruntergespielt. Es herrscht ein allgemeines Unwissen. Wir können
die falschen Vorurteile beobachten, nach denen die türkische Frau in der
Geschichte nichts hervorgebracht haben soll und ihr demnach kein Ruhm gebührt.
Dieser falsche Gedankengang findet aber keine Bestätigung, wenn man die
Geschichte gründlich studiert.
Es ist sehr fraglich, dass die Frauen in der
Geschichte keinen Stellenwert hatten. Um es mit Kafesoğlus Worten
zusammenzufassen: In den türkischen Staaten hatten die Frauen Mitspra-cherechte.
Unter den türkischen Frauen gab es
einige, die das Amt der Staatsoberhäupter oder Regentinnen (bei den Sabaren,
Göktürken, Uyguren und Oguzen) innehatten. 
Zwischen 585 und 726 haben türkische Hatun (Frauen hohen Status) der
Göktürken als Beauftragte chinesische Botschafter empfangen. Diese Frauen
hatten ihre eigenen Paläste und ihr eigenes Gefolge und nahmen an den
Staatsversammlungen teil. Des Öfteren hielten sie auch hohe Audienzen. Die
Hatun waren die Mütter der türkischen Khane. Daher achtete man darauf, dass sie
Adelige und Hauptfrauen waren.
Hürrem Sultan und Kösem Sultan
dominierten ihr Zeitalter und beteiligten sich direkt an der Politik des
Staates. Wir halten es nicht für korrekt, uns auf irgendwelche Theorien zu berufen, um diese bedeutenden Frauen auf
Einzelfälle ihres Zeitalters herunterstufen. In diesem Rahmen ist es sehr
bedeutsam, die zweite Hälfte des türkischen XIII. Jahrhunderts genauer zu
beobachten, denn zu dieser Zeit herrschte eine bemerkenswerte Herrscherin, Sultanin
Raziye. Das erste türkische Sultanat in Delhi wurde im Jahre 1206 von Aybeg
gegründet. Später wurde es als das türkische Reich von Delhi bekannt. Der
Zeitraum des Gründungsjahres wird unbestritten bleiben, aber der Niedergang ist
nicht ganz klar. Man kann aber mit großer Sicherheit behaupten, dass er im 15.
Jahrhundert erfolgte. Als eine der Sultane des türkischen Reiches von Delhi
herrschte die Sultanin Raziye, die Tochter des Sultans Şemsettin Iltutmuş. Nach
dem Tod von Sultan Iltutmuş wurde der Halbbruder von Raziye, Rüknettin Firuz
Şah, der neue Sultan. Obwohl die Macht an Rükneddin ging, wird in einigen
Quellen berichtet, dass Iltutmuş in Wirklichkeit sein begabtestes Kind Raziye
zu seinem Nachfolger und Sultan ernannt haben soll. Die Idee von Iltutmuş ging
aufgrund verschiedener Unstimmigkeiten nicht auf. Nachdem Rükneddin an die
Macht kam, ließ Türkan Hatun, die Frau von Iltutmuş, viele Personen, die sie
als Bedrohung betrachtete, ermorden. Zu diesen Opfern zählte Kutbuddin, der
Bruder von Raziye. Bevor er durch einen Befehl von Türkan Hatun sterben musste,
höhlte man seine Augen heraus. Nach einiger Zeit wollte Türkan Hatun, die
älteste Tochter von Iltutmuş, Sultanin Raziye ermorden. Nachdem  Sultanin Raziye von allem gewarnt worden war,
hielt sie eine Ansprache an die Gläubigen, die sich in der Nähe des Alten
Palastes zum Freitagsgebet versammelt hatten. Sie ging zum Balkon und erzählte
dem Volk, dass Türkan Sultan vorhatte, sie wie auch schon ihren jüngeren Bruder
zu ermorden. Das Volk stürmte den Herrscherpalast und nahm Türkan Hatun
gefangen. Nach diesen Ereignissen  nahmen
die türkischen Emire und Könige Rükneddin gefangen und brachten ihn zur
Sultanin Raziye. Das Leben von Rükneddin endete am 29. November 1236 nach einer
Herrschaft von sechs Monaten und neunundzwanzig Tagen. Trotz aller Hindernisse
schaffte es  Sultanin Raziye, in ihren
jungen Jahren an die Macht des türkischen Sultanats von Delhi zu kommen. Auf
dem Pfad ihres Vaters wurde sie eine der bedeutendsten Sultane des türkischen
Sultanats von Delhi und erzielte große Erfolge. Als ihr Vater bekannt gab, er wollte
sie zur Thronfolgerin ernennen, brachten einige hohe Notablen des Staates
Einwände vor. Er sagte zu ihnen: „Meine Söhne vergeuden ihre Zeit mit
weltlichen Vergnügungen. Keiner von ihnen besitzt die Fähigkeit, ein Reich zu
regieren. Sie werden es auch nach meinem Tod einsehen, dass nur meine Tochter
Raziye diese Gabe besitzt. Raziye ist in aller Hinsicht ihren Brüdern
überlegen. Physisch ist sie zwar eine Frau, aber ihre Intelligenz und ihr Wille
sind denen eines Mannes ebenbürtig“. Die Geschichte hat uns bewiesen, dass
diese Schlussfolgerung des Vaters völlig richtig war. Die Herrschaft der
Sultanin Raziye dauerte von 1236 bis 1240 an und endete nach 3 Jahren, sechs
Monaten und sechs Tagen. Es ist bemerkenswert, dass sie nicht von einem
islamischen Frauenfeind, sondern von einem orthodoxen Hindu getötet wurde. Die
Beispiele aus der türkischen Geschichte, wie das der Sultanin Raziye, fallen
oft falschen Vorwürfen zum Opfer. Wir
nähern uns der historischen Forschung ohne romantische Absichten.
Wir
sollten nicht an den Tatsachen vorbeisehen und versuchen, die Geschichte zu
Ungunsten der Frauen umzuschreiben oder mit Details zu schmücken und auch nicht
zulassen, dass die Geschichte der Frauen pauschal kritisiert wird“.

[2] Hier meint die Autorin Prithvi Raj
III, auch Prithviraj Chauhan (1149-1192) genannt, der im 12. Jahrhundert die
hinduistische Dynastie der Chauhamana und das Königreich von Ajmer und Delhi
beherrschte, bis er von der muslimischen Armee der Eroberer 1191-1192
vernichtend geschlagen wurde.
Vgl. hierzu: Chandra S., Medieval India, From Sultanat
to the Mughals, Delhi Sultana (1206-1526),
Har-Anand Publications, New
Delhi 1997, S. 22-26.
Der Niedergang von
Prithvi Raj hatte vor allem politische Gründe: er hatte sich mit den anderen hinduistischen
Königreichen so verfeindet, dass ihm dann die Verbündeten fehlten, als die
muslimischen Heere einbrachen. Seine Niederlage erlitt er in der zweiten
Schlacht gegen die Muslime in Tarain im Jahre 1192, da er einerseits politisch
isoliert als auch militärisch schlecht organisiert war, wie Chandra schreibt.
Vgl. S. 25-26: “As we have seen,
Prithviraj had alienated all his powerful neighbours by his militaristic
politics… Prithviraj’s forces included many of his feudatories… This was a
source of weakness rather than strength because these feudal levies lacked any
central direction or leadership, unlike the armies of Muizzuddin. The battle of
Tarain was more a war of movement than of position. The lightly armed mounted
archers of Muizzuddin kept harassing the slow moving forces of Prithviraj, and
attacked from all sides when they had created confusion in his ranks.” Vgl.
auch S. 30: “This lack of strategic consciousness may be explained by lack of
political unity, or by the absence of a dominant power in north-west India.”
So war das indische Königreich im
Verhältnis zu den muslimischen Erorberern einfach politisch schwach, wie der
Historiker abschließend anmerkt. Vgl. des Weiteren zur Geschichte und Kultur
von Delhi: Brijbhushan J., Sultan Raziya,
Her Life and Times,
Manohar Publications, New Delhi 1990, S. 56-63. 

[3] Hierbei geht es um Muizzuddin
Muhammed, der 1206 verstarb und ab 1173 regiert hatte. Er war der letzte Sultan
der Dynastie der Ghuriden, die dann definitv 1215 von Kharezm Shah geschlagen
wurde.
Vgl. hierzu
eine interessante Quelle: Nizami K.A., “The Ghurids”, in: History of
Civilizations of Central Asia, Vol. IV – The age of achievement: AD 750 to the
end of the fifteenth century – Part One: The historical, social and economic
setting
, Hrsg: Muhammad Seyfeydinovich Asimov und Clifford Edmund Bosworth,
Paris 1998 (Online Edition auf http://www.unesco.org/culture/asia, letzter
Abruf 31.05.2013, 16.55 Uhr).  

[4] Die Sultantin Raziye fällt in die
erste Periode des Sultanats von Delhi, das damals von Sklaven geführt wurde.
Das Sultanat von Delhi gilt als das erste islamische Reich Indiens und als der Vorläufer
des Mogul-Reiches, von dem es erst 1526 abgelöst wurde. Zum historischen Rahmen
des Sultanats, vgl. Hardy P., Historians
of Medieval India
, Luzac and Co., London 1960 und Encyclopedia Iranica, Band VII, Teil 2,
S. 242-250.

[5] Ranthambore befindet sich in der
Region von Rajasthan im Nordwesten von Indien.

[6] Die Stadt Gwalior befindet sich im
Süden von Agra und durchlebte aufgrund ihrer konstanten strategischen Bedeutung
den Wechsel verschiedener Dynastien, von den Tomaras über die Mogulen bis zu
den Maratha und Scindia. Vgl. hierzu den geschichtlichen Überblick auf der
Webseite der Stadt: http://gwaliormunicipalcorporation.org/gwalior_history.aspx,
letzter Abruf 02.07.2013, 17.28 Uhr.

[7] Hier handelt es sich um die Stadt
Varanasi, die auch Benares oder Kashi genannt wird. Sie befindet sich im
Nordosten von Indien und gilt als eines der Zentren des Hinduismus. Vgl.
hierzu: Rana P.B. Singh, Banāras (Vārā
asī). Cosmic order, sacred city, Hindu
traditions.
Tara Book Verlag,
Varanasi 1993.

[8] Hierbei handelt es sich um die Stadt
Ajmer in Rajasthan, die zum Sultanat von Delhi und dann von Mewar gehörte, bis
sie 1559 vom Mogul Akbar erorbert wurde.
Vgl. zur Geschichte und Kultur
dieser Stadt: Wright H.N., Catalogue of
the Coins in the Indian Museum, Calcutta – Mughal, Emperors of India,
University
of Oxford, Oxford 1907, Band 3, S. XXIV-XXV.    
 

[9] Patna ist die Hauptstadt des indischen
Staates von Bihar.

[10] Kalinjar liegt
heute im indischen Staat von Madhya Pradesh.

[11] Vgl. hierzu: Sarkar J. N., The History of Bengal, Muslim Period
1200-1757
, Academia Asiatica, Patna 1973.

[12] Das Spiel hieß im Mittelalter chaugan und ist dem modernen Polospiel
ähnlich.
Vgl. hierzu: Chandra S., Medieval India, From Sultanat tot he Mughals, Delhi Sultana (1206-1526), op. cit.,
S. 38.

[13] Zu Aram Shah, vgl. Ahmad M.A., Political History & Institutions of the
Early Turkish Empire of Delhi (1206-1290 A.D.)
, Research Society of
Pakistan, Lahore 1987, S. 152-155.
Sein Reich war unbedeutend und von Rivalitäten und
Kämpfen um den Thron gekennzeichnet. Diese politische Situation erklärt Dr.
Ahmad im Rahmen der islamischen Theorie des Kalifats, in der das Königreich im
weltlichen Sinne gar keinen Platz hat.
Vgl. S. 153: “As there was no place
for Sultanate in the Islamic political theory, there was consequently no
provision fort he devolution of the crown. The result was an interminable war
of succession, and an appeal to arms was the only possible remedy to solve the
riddle”.
Dieselbe Situation
politischer Intrigen und Machtkämpfe im Sinne der Realpolitik werden wir auch
im Reich von Raziyye wiederfinden, der es aber durch ihre Intelligenz und List
gelang, die Macht länger zu halten.

[14] Ein wichtiger Hinweis zum
missverstandenen Begriff des Sklavenherrschers wird von Dr. Muhammad Aziz Ahmad
in seiner Dissertation von 1949 mit dem Titel Political History & Institutions of the Early Turkish Empire of Delhi
(1206-1290 A.D.)
, Research Society of Pakistan, Lahore 1987, 2.
Ausgabe, auf S. 1, gegeben: “a slave
is no longer slave when he is manumitted by his master, and no slave could
ascend a throne unless he had obtained a letter of manumission (khatt-i-azadi) from his master”.

[15] Iltutmush regierte, nachdem er mit
Gewalt die Macht an sich gerissen hatte, von 1211 bis 1236 über Indien. 1229
ließ er sich offizielle vom abbasidischen Kalifen als Sultan anerkennen.
Iltutmish vereinigte Nordindien vom Indus bis zum Golf von Bengalen unter der
Oberhoheit Delhis. Außerdem soll er das arabische Münzsystem
(Tanka-Silbermünzen) in Indien eingeführt haben. Seine Tochter Raziyye
(1236–1240), wie wir in diesem Kapitel sehen werden, und seine Söhne Firoz
(1236), Bahram (1240–42), Masud (1242–46), Mahmud (1246–66) regierten noch bis
zum Jahre 1266, als dann der Sklave und Schwiegersohn von Iltutmush, Balban,
die Macht an sich riss. Das Verdienst von Iltutmush besteht im Aufbau des
indischen Sultanats als Staat.
Vgl. hierzu: Chandra S., Medieval India, From Sultanat
tot he Mughals, Delhi Sultan (1206-1526),
op. cit., S. 39.
Siehe S. 45: “It was under Iltutmish
that the Delhi Sultanat can be called a truely independent state, not tied up
to a foreign sovereign livign at Ghazni or Ghur… Iltutmish can be credited with
making Delhi the political, administrative, and cultural centre of Turkish rule
in India”.
Und genau in
diesen politisch gestärkten und vereinheitlichten Staat der Muslime in Indien
trat Raziyye, seine Tochter, auf die politische Bühne ihrer Zeit.

[16] Vgl. historische Informationen über
die Ghaznaviden in: Encyclopedia Iranica,
Band X, Teil 6, S. 578-583 von C.E. Bosworth und seine Monografien zum
Thema.
Zur Episode des
Zeltes vgl. Jackson P., The Delhi
Sultanate: A Political and Military History,
Cambridge University Press,
Cambridge 1999, S. 91.

[17] Denn Iltutmish war es gelungen, das
Sultanat von Delhi vollkommen unabhängig von den Ghazneviden zu machen. Das
Geheimnis seiner Macht ist aber mit höchster Wahrscheinlichkeit in der
Loyalität seiner Sklaven zu suchen.
Wie Jackson P. in The
Delhi Sultanate: A Political and Military History,
Cambridge University
Press, Cambridge 1999, S. 43, schreibt, “Iltutmish took care to build up a
corps of Turkish slaves (…), known as the “Shamsis”, whose loyalty was focused
on him alone. Under his successors, they would come to play a more prominent
role in the government of the Sultanate”,
wie wir auch bei unserer Herrscherin
Raziyye feststellen werden.   

[18] Siehe Ahmad M. A., Political History & Institutions of the
Early Turkish Empire of Delhi (1206-1290 A.D.)
, Research Society of
Pakistan, Lahore 1987, S. 158-185, der Iltutmush wegen seiner Schönheit,
Intelligenz, seines militärischen Talents und seiner Weisheit mit dem Propheten
Yusuf (as) vergleicht, der von seinen Brüdern auch so beneidet wurde. Er war
kalkulatorisch, grausam mit den Feinden und Rebellen und im dauernden Kampf mit
Nasir ud-Din Kabaca und angetrieben von seiner Idee der politischen Expansion.
Nach Ahmad stellte das Reich von Iltutmush in seiner Expansion und
gleichzeitigen Konsolidierung der Macht durch die realpolitische Ausschaltung
seiner Feinde und Rivalen den Höhepunkt der türkischen Herrschaft in Indien
dar, auf die dann ihr Verfall folgte. Die Eigenschaften von Iltutmush finden
sich in seiner Tochter Raziyye ganz klar wieder.   

[19] Vgl. hierzu: Brijbhushan J., Sultan Raziya, Her Life and Times, Manohar
Publications, New Delhi 1990, S. 9. Sie bezeichnet Tarain als “the historic
battlefield… where Muizuddin’s victory had led to the establishment of
kingdom of Hindustan. This meant not only the removal of a dangerous rival from
Iltutmish’s path but the final break with Ghazni, giving an independent status
to the kingdom of Delhi”.
Vgl. des Weiteren den Bericht über die Schlacht auf S. 94-95.

[20] Hierzu schreibt Brijbhushan, op.
cit., S. 11:
“Iltutmish was
a brave warrior and a shrewd, cautious and far-seeing statesman. It was his
energy and application to carefully chosen objectives that converted fragmented
pieces of conqured land into the compact and well-knit Sultanate of Delhi”
.

[21] Vgl. hierzu Ahmad M. A., Political History & Institutions of the
Early Turkish Empire of Delhi (1206-1290 A.D.)
, Research Society of Pakistan,
Lahore 1987, S. 172: “The Firman, in
political theory, was the only proceess, which could legitimise a monarchy not
know tot he shari’at. Sultan Shams
ud-din Iltutmush was, therefore, extremely pleased on his recongnition as the
Sultan of Hindustan by the ‘Abbasid Calif.”

[22] Hierbei handelt es sich um Minhaj-i
Siraj Juzjani, den Sohn eines Kadis, der 1193 geboren wurde und dann in die
Fußstapfen seines Vaters trat. Nach der Besetzung von Multan durch Sultan
Iltutmush begab er sich dann nach Delhi.
Vgl. hierzu Siddiqui I.H., Indo-Persian Historiography up to the
Thirteenth Century,
Primus Books, Delhi 2010, S. 93ff.
Er begann in der indo-persischen
Tradition der Geschichtsschreibung, die sehr stark von der arabischen
beeinflusst war, die Tendenz durchzusetzen, die Geschichte einer Dynastie in
Form des Genres der tabaqat zu
verfassen. Die Geschichte der muslimischen Herrschaft in Bengalen wird hier
einzigartig beschrieben, und dies auch unter ihren kulturellen und religiösen
und nicht nur unter den militärischen Aspekten.  

[23] Jamila Brijbhushan kritisiert den
Historiker und Politiker, weil er in seinem Werk der Sultanin Raziyya viel zu
wenig Bedeutung beimisst.
Vgl. hierzu: Brijbhushan J., Sultan Raziya, Her Life and Times, Manohar Publications, New Delhi
1990, S. VIII: “… he has devoted a total of only 12 pages to her reign”.

[24] Die Qarmaten sind eine radikale
schiitische Gruppe, die zu den Ismailiten zählt und auf den irakischen
Missionar Hamdan Qarmat (890-906) zurückgeht und sich u.a. im Bahrein und in
der syrischen Stadt von Salamiyya niederließ. In ihren Lehren finden sich altiranische,
dualistische Anschauungen und ein stark ausgeprägter Mahdi-Glaube. Im 11.
Jahrhundert waren die Qarmaten als Bewegung fast erloschen, da sie größtenteils
wieder in die Ismailitenbewegung zurückgegangen waren. Watt W.M., Islamic Philosophy and Theology,
Edinburgh University Press, Edinburgh 1962, S. 56, betont, wie nahe sich die
Ismailiten und Qarmaten ideologisch, politisch und religiös stehen. In Indien
wurde auch der Qarmatenstaat in Multan errichtet. Vgl. hierzu:
Westphal-Hellbusch S., Vestphal H., Zur
Geschichte und Kultur der Jat,
in: Forschungen
zur Ethnologie und Sozialpsychologie,
herausgegeben von Hilde Thurnwald,
Band 7, Duncker & Humblot, Berlin 1968. Vgl. S. 52: „Multan unterstand
damals einem Herrscher arabischer Abstsammung, dessen aus Oman kommendes
Geschlecht offenbar in Indien eine neue Heimat sah und der darum neben der
mohammedanishen Moschee auch Hindutempel duldete. Gegen ihn zogen die Qarmaten
regelrecht zu Felde, plünderten den reichen Hindutempel und zerstörten auch die
unter umaiyadischer Herrschaft errichtete Moschee“.
Infos dazu auch in The Cambridge History of India, Turks and
Afghans,
herausgegeben von Wolfseley Haig, Cambridge University Press,
Cambridge 1928, Kapitel III.     

[25] Vgl. hierzu: The
Cambridge History of India, Turks and Afghans,
herausgegeben von Wolfseley
Haig, Cambridge University Press, Cambridge 1928, Kapitel III zu dieser
Episode: “After the king’s return from
Malwa a serious religious disturbance broke out at Delhi, where a large
community of fanatics of the Ismaili sect had gradually established itself.
They may have been irritated by persecution but they appear to have believed
that if they could compass the king’s death they might be able to establish
their own faith as the state religion. They plotted to assassinate Iltutmush
when he visited the great mosque for the Friday prayers, which he was wont to
attend unostentatiously and without guards. One Friday, accordingly, while the
congregation was at prayers, a large body of Ismailis ran into the mosque
armed, drew their swords, and attempted to cut their way through the kneeling
multitude to the Sultan, but before they could reach him he made his escape
and, the alarm having been given, the people crowded the roofs, walls, and
gateways of the mosque and with a shower of arrows and missiles annihilated the
heretics. Such adherents of the sect as remained were diligently sought and
were put to death”.      

[26] In diesem Zusammenhang bezieht sich
die Autorin mit höchster Wahrscheinlichkeit auf den Minister von Iltutmush,
Kamal ud-din Muhammad Junaidi, der den Titel Nizam ul-Mulk erhielt.

[27] Mit höchster Wahrscheinlichkeit
bezieht sich Bahriye Üçok hier auf die Institution des Diwan-i-risalat, vgl. Ahmad M. A., Political History & Institutions of the Early Turkish Empire of
Delhi (1206-1290 A.D.)
, Research Society of Pakistan, Lahore 1987, S.
357-8, die mit dem Diwan-ul-mazalim zur
Zeit der Abbasiden vergleichbar ist, wo das gesamte Volk dem Kalifen bzw.
Sultan Beschwerden vorbringen konnte. Vgl. den folgenden interessanten Artikel
zum Thema der Gerechtigkeit und politischen Autorität im muslimischen Indien
des Mittelalters: Haider N., “Justice and Political Authority in Medieval
Indian Islam” in Justice, Political,
Social, Juridical,
herausgegeben von R. Barghava, M. Dusche, H. Reifeld,
Sage, New Delhi 2008, S. 75-93, in dem es um die komplexe Dialektik zwischen
Islam und Politik, göttlicher Gerechtigkeit und politischen Institutionen im
Sultanat geht. Interessant ist in diesem Zusammenhang, zutreffend auf Iltutmush
und seine Darstellung in der islamischen Geschichtsschreibung, die Theorie des
gerechten Königs von Barani, S. 87-88.

[28] Dazu findet sich eine sehr schöne Beschreibung
dieser Episode in Sand E., Woman Ruler,
Woman Rule, 
iUniverse.com Verlag,
Lincoln 2001, S. 322, in der die Autorin Raziyya autobiografisch erzählen
lässt, wie sie zur Nachfolgerin ihres Vaters ernannt wurde, was wiederum meine
These des weiblichen Zugangs über die Biografie und das biografische Schreiben
verstärkt, wenn Frauen über Frauen in der Geschichte und in der politischen
Geschichte der Macht schreiben: “My father the Sultan discerned in my
countenance the signs of power and bravery, and although I was a girl and lived
in retirement, when my father returned two years later from the conquest of
Gwalior, he directed his secretary to put my name in writing as heir oft he
kingdom and successor to the throne.
I was adorned with every qualification required in the
ablest kings and strictest scrutineers of my actions could find in me no fault
but that I was a woman.”
 

[29] Vgl. hierzu:  Brijbhushan J., Sultan Raziya, Her Life and Times, Manohar Publications, New Delhi
1990, S. 115-116: Die Autorin geht hier davon aus, dass die Schwierigkeiten und
die Herausforderungen, denen sich die Sultanin Raziyya zu stellen hatte, mehr
mit den Intrigen der machtsüchtigen türkischen Emire zusammenhingen als mit
ihrem weiblichen Geschlecht.
Sie schreibt hierzu: “However, a study of Raziya’s
reign gives no indication of the fact that her sex was any real handicap to
her. Two of her brothers, one preceding and one succeeding her, fared much
worse than she did and lasted for a lesser time than her. She suffered not
because of her gender, but because she was determined to curb the power of the
Turkish nobles who had become king makers and were constantly intriguing to
keep themselves predominant, and were therefore opposed to any sovereign, male
or female, who was in any position to threaten their power.”

[30] Vgl. hierzu: Guida Jackson M., Women Rulers throughout the Ages, An
Illustrated Guide,
Abc-Clio, Santa Barbara, Denver, Oxford 1999, S. 142:
“She was endowed with all the
qualities befitting a king, but she was not born of the right sex, and so, in
the estimation of men, all these virtues are worthless.”

[31] Wie uns M.A. Ahmad berichtet, war sie
während des Reiches von Iltutmush religiös erzogen worden und genoss auch die
beste kulturelle Einweisung durch den Gelehrtenkreis des Herrschervaters, der
um sich Gelehrte und Literaten scharte (vgl. op. cit., S. 193).

[32] Es handelt sich hierbei um den Sohn
von Iltutmush und Bruder von Raziyye, der sich laut der Chronik jener Zeit, Tabaqat i-Nasiri von Minhaj Siraj
Juzjani, Biblioteca Indica, Calcutta 1864, S. 184, den weltlichen
Leidenschaften hingab und materielle Güter verschwendete. Die digitale Version
dieses bedeutenden Werkes findet sich unter: https://download.digitale-sammlungen.de/pdf/1370123702bsb10248696.pdf,
letzter Abruf, 01.6.2013 23.57 Uhr. Das Werk enthält eine Chronik der
Weltgeschichte vom Propheten Adam (as) bis zum Herrscher des Sultanats von
Delhi Iltutmush, dem Vater der Herrscherin Raziyye.   

[33] Nach M.A. Ahmad, op. cit., S. 188,
war es eigentlich die Mutter des Herrschers, welche die Zügel der Macht in der
Hand hatte: “His mother Shah Turkan, the chief wife of the late Sultan’s harem, now assumed the royal powers and
directed the affairs of government on her own responsibility”.

[34] Vgl. hierzu parallel in The Cambridge History of India, Turks and
Afghans,
op. cit., S. 57: “
The incompetence and sensuality of Firuz and the mischievous activity of
his mother excited the disgust and indignation of all, and passive disaffection
developed into active hostility when the mother and son barbarously destroyed
the sight of Qutb-ud-din, the infant son of Iltutmish”.
 

[35] Vgl. hierzu parallel in The Cambridge History of India, Turks and
Afghans,
op. cit.: “
His mother had made preparations for putting to death his half-sister
Raziyya, whose abilities she regarded as a menace to his authority, but the
populace, aware of the high esteem in which the princess had been held by her
father, rose in her defense, and before Firuz could reach Delhi his mother was
a prisoner in the hands of the victorious rebels. Those who had defied his
authority at Taraori deserted him and joined the people of Delhi in raising
Raziyya to the throne, and Firuz, who took refuge in Kilokhri was seized and
put to death on November 9, 1236, after a reign of six months and seven days”.

[36] Vgl. hierzu: Gabrieli F., Poesia e avventura nel Medioevo arabo,
Shanfara-Sindibad-Ibn Battuta,
Le Lettere, Florenz 1988, S. 113-560.
Eine vergleichbare Studie in deutscher
Sprache: Reise des Arabers Ibn Batuta
durch Indien und China,
bearbeitet von Dr. Hans von Mzik, Hamburg 1911.

[37] Ellin Sand, vgl. Hierzu: Sand E., Woman Ruler, Woman Rule, iUniverse.com
Verlag, Lincoln 2001, S. 323, lässt Raziyya in diesem Kontext Folgendes sagen:
“I ruled with absolute authority,
though I asked the people to depose me if I failed to live up to their
expectations. When I ascended the throne, all things reverted to the way they
were before the death of my father… I followed the path of equity and the
principles of justice; set in order the affairs which had remained in
confusion, and set before me the pursuit of beneficence, as the object of my
ambition”.

[38] Es ist sehr kurios, hier in dieser
Formel das Wort Sultan zu finden, obwohl meiner Meinung nach Sultana stehen
sollte. Nach einer langen Recherche bin ich auf meiner Ansicht nach plausible
und scharfsinnige Erklärung hierfür gestoßen.
Vgl. hierzu: Brijbhushan J., Sultan Raziya, Her Life and Times, Manohar
Publications, New Delhi 1990, S. 117: “She was the only woman ever to become a
ruler in India in her own right. That is, she did not replace a deceased
husband or a proxy as regent for a son or nephew. She was not a queen, but a
crowned king and was therefore style Sultan and not Sultana”.
Deutsche Übersetzung: „Sie war die
einzige Frau, die jemals nach ihrem eigenen Recht zur Herrscherin Indiens
wurde. Denn sie ersetzte nicht einen verstorbenen Ehemann oder einen Verwandten
als Regentin für einen Sohn oder Neffen. Sie war auch keine Königin, sondern
ein gekrönter Königin und somit ein Sultan und keine Sultanin.“  

[39] Ins Deutsche übersetzt bedeutet dies
Belkis der Welten, wobei Belkis, die Königin von Saba, hier für das weibliche
Königtum steht, das aber keiner weiblichen morphologischen Differentierung
bedarf.

[40] Vgl. hierzu parallel in The Cambridge History of India, Turks and Afghans, op. cit.: “Notwithstanding the vindictive zeal with which Iltutmish had pursued
Ismailian and Carmathian heretics, some appear to have escaped death, and Delhi
now again harbored large numbers of these turbulent fanatics, who had assembled
from various provinces of the kingdom and were excited by the harangues of a
Turk named Nur-ud-din, a zealous preacher and proselytizer. On Friday, March 5,
1237, the heretics made a second organized attempt to overthrow the established
religion, and to the number of a thousand entered the great mosque from two
directions and fell upon the congregation. Many fell under their swords and
others were killed by the press of those who attempted to escape, but in the
meantime the Turkish nobles assembled their troops and, aided by many of the
congregation who had gained the roof of the mosque and thence hurled missiles
on their foes, entered the courtyard and slaughtered the heretics to a man”. Zur Theologie
der Qarmaten vgl. unter anderem: Houtsma M.Th., Karmatians, in Encyclopedia
of Islam
, Brill, Leiden 1913-1938, Band IV, S. 767. Sie gelten auch als
Vorläufer der Drusen, vgl. hierzu: Wolff P., Die Drusen und ihre Vorläufer, Vogel Verlag, Leipzig 1845, u.a. S.
107ff. Typisch für diese schiitischen Gruppierungen ist die allegorische Deutung
des Korans, die sie auch, wie die Sunniten (worunter auch der Historiker
Makrizi) behaupten, irregeführt haben. Es würde den Rahmen dieser Untersuchung
sprengen, diese schiitische Gruppe hier im Detail zu erörtern, aber im Rahmen
des sunnitischen Weltbildes von Raziyye galt sie als unorthodox im Gegensatz
zum Mehrheitsislam.  

[41] Wie im Falle ihres Vaters hatte auch
Raziyye gegen die Qarmaten und gegen die Rivalen unter den Emiren des Reiches
gekämpft.

[42] Nach Ahmad M.A., Political History & Institutions of the Early Turkish Empire of
Delhi (1206-1290 A.D.)
, Research Society of Pakistan, Lahore 1987, S. 194,
handelt es sich hierbei um eine später Erfindung, um die weibliche Herrscherin
in ein negatives Licht zu rücken, eine androzentrische Hinzudichtung, die der
Autor abwertend wie folgt definiert: “This is, however, a later-day rubbish,
when the seclusion of sexes had become a part of religion”. Somit bezeichnet
der Historiker die weibliche Herrschaft von Raziyye als vollkommen anerkannt zu
jener Zeit und im späteren Islam im Namen der „Abgeschiedenheit“ der
Geschlechter als bekämpft und verdrängt. Die geschlechtliche Identität von
Raziyye war aber in der Tat die einer nicht-zu-verheiratbaren Frau, fast die
eines Mannes, die sehr jung in die politische Führung eingeweiht wurde und die
Regeln der Politik und Herrschaft sehr gut kannte, somit eine Ausnahme, welche
die Regel bestätigt.
In der Chronik Tabaqat-i-Nasiri
wird Raziyye (Radiyah) (S. 185-186) wie folgt beschrieben: “Radiyah is far
better than her brothers; although in the form of a woman, she is a man in
intellect and sagacity”.   

[43] Dazu vertritt Ahmad M.A., Political History & Institutions of the Early
Turkish Empire of Delhi (1206-1290 A.D.)
, Research Society of Pakistan,
Lahore 1987
, S. 203, dieselbe
Meinung.

[44] In diesem Zusammenhang zitiert Bahriye
Üçok den berühmten britischen Numismatiker H. Nelson Wright, der zu Beginn des
20. Jahrhundert eine ausführliche Monografie in 4 Bänden zu den Münzen des
indischen Museums in Kalkutta herausgab. Der dritte Band des Werkes beinhaltet
die Münzen der muslimischen Herrscher Indiens, worunter sich auch die von Raziyye
findet.
Es gibt zu
diesem Thema auch noch einen Artikel von R. Burn: R. Burn, “Review of H. Nelson
Wright ‘The Coinage and Metrology of the Sul
āns of Dehlī’”,
Bulletin of the School of Oriental and African Studies, 1938 (9), S. 786-787.
Vgl. hierzu: Wright H.N., Catalogue of
the Coins in the Indian Museum, Calcutta – Mughal, Emperors of India,
University
of Oxford, Oxford 1907, Band 3.     

[45] Sie war eine von ihrem Volk anerkannte
Herrscherin, was dem Ideal des Islam entspricht. Sie wurde von Seiten ihres
Vaters eingesetzt, worauf das Volk auch seine Zustimmung erteilte (Prinzip der
islamischen Schura).
Vgl. hierzu: Brijbhushan J., Sultan Raziya, Her Life and Times, Manohar
Publications, New Delhi 1990, S. 117: “She always had the people’s support and,
as long as she remained in capital, no revolution could succeed against her.
Moreover, she promised her subjects that if she did not fulfill their
expectations they were free to depose her.
In that way her rule was contractual”. Wir sehen erneut
die besondere Stellung von Raziyye in der Folge der muslimischen, auch
männlichen, Herrscher im Laufe der Geschichte.

[46] Die Dynastie des Sultans Balban wurde
dann durch den Einbruch der Mongolen beendet, die, wie Baron Ohsson in seinem
kolossalen Werk zur mongolischen Geschichte schreibt, “resembles rather some
brute cataclysm of the blind forces of nature than a phenomenon of human
history”. Vgl. hierzu: Baron Ohsson C., Histoire
des Mongols, Depuis Tchinguiz-Khan jusqu’à Timour Bey ou Tamerlan,
Frederik
Muller, Amsterdam 1852, S. 387.