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„Verbindungsglieder zum Glauben“ – Susan Youssef

by Sumaya Mohammed Wegenstein, Islamische Zeitung, 29.09.2015. Sumaya Mohammed Wegenstein sprach mit der US-amerikanischen Filmemacherin Susan
Youssef, „Verbindungsglieder zum Glauben“
Foto: Filmszene “Habibi” – Lincoln Film Center

Susan
Youssef, eine Filmemacherin mit libanesisch-syrischen Wurzeln, geboren in
Brooklyn, hat ihren eigenen Weg eingeschlagen, anfänglich gegen die
traditionell ausgerichtete Weltsicht ihrer Familie. Ein Weg, den sie selbst als
„wach und befreit“ beschreibt. Ihr erster Film, „Habibi“ hat – neben anderen
Auszeichnungen – den Preis für den Besten Arabischen Feature Film am 8.
Internationalen Film Festival in Dubai gewonnen.
Susan ordnet ihr Oeuvre einerseits als „semiautobiographisch“ ein, fühlt sich
aber inhaltlich von großen Werken wie „Laila und Majnoun“ oder Wagners
„Ringparabel“ inspiriert und zeigt auch – offensichtliche – Anlehnung an
Richard Linklaters Produktionen. Für ihren nächsten Film „Marjoun and the
Flying Headscarf“ hat sie ein Crowdfunding lanciert, das Ende dieses Monats
ausläuft.

Islamische Zeitung: Das Thema Liebe innerhalb vertrackter gesellschaftlicher
oder politischer Umstände ist Subjekt Ihres letzten Films „Habibi“. Empfinden
Sie, dass innerhalb der muslimischen Gemeinschaften der Gegenwart alles, was
mit dem Begriff Liebe zu tun hat, vergleichsweise eher bewahrt und gefördert
oder eher behindert und zerstört wird?

Susan Youssef: Es ist interessant, die öffentliche Wahrnehmung bezüglich der
Einschätzung von Liebe in muslimischen Gemeinschaften mit der Wirklichkeit zu
vergleichen. Wir haben „Habibi“, die Geschichte einer verbotenen Liebe in Gaza
City, ohne jegliche Proteste oder negative Folgen drehen können. Es hat zwei
Jahre gedauert, eine Örtlichkeit zu finden, in der der Film gezeigt werden
konnte; aus Gründen, die mit der Besetzung zu tun hatten. Als wir ihn dann
vorführten, sah das Publikum darin ausnahmslos das Bestreben zweier Liebender,
zusammenzukommen.

Fürs Kino gilt: Menschen lieben die Liebe in allen Gesellschaften
gleichermaßen. Viele Familien der muslimischen Bevölkerung in Gaza
beispielsweise haben im familiären Bereich die Sorge, ihre Kinder sicher zu
verheiraten, sie vor Fehltritten zu bewahren. Gleichzeitig aber hat sich jeder
der Zuschauer auf persönlicher Ebene mit dem Kampf dieser beider Liebenden
identifiziert, die sich den Wünschen und Vorstellungen ihrer Familien
widersetzen und sogar Dinge tun, die als Fehler eingestuft werden.

Islamische Zeitung: Der politische Aspekt war Ihnen auch ein wichtiger. Beim
Crowdfunding für Ihren letzten Film haben manche Produzenten oder auch mögliche
Geldgeber „zu wenig Erotik und zu viel Politik“ beanstandet. Wie möchten Sie
Ihren kommenden Film in dieser Hinsicht gestalten?

Susan Youssef: „Marjoun“ spielt in den USA und handelt von einer Teenagerin,
die fast unter dem Druck, eine bestimmte Art von junger Frau zu werden,
zugrunde geht. Allerdings denke ich nicht, dass ich genanntes Thema weiter
ausreize, als in „Habibi“. Es ist nicht meine Absicht, den weiblichen Körper
als Objekt oder gar Fetisch darzustellen. Auch fühle ich mich nicht bemüßigt,
zerstörerische oder negative Vorstellungen zu bedienen. Was immer an Intimität
oder Sexualität im Film gezeigt wird, hat mit der Sehnsucht der Darstellerin
nach Verwirklichung ihres „höheren Selbst“ zu tun, allem dem zum Trotz, was die
amerikanische Gesellschaft jungen Mädchen antun kann.

ls ich ein junges Mädchen war, sind mir Dinge widerfahren, über die ich damals
nicht sprechen konnte. „Marjoun“ soll den jungen Frauen das Gefühl eines
„sicheren Ortes“ vermitteln, an dem oder durch den sie gewisse Dinge ansprechen
und aufarbeiten können. Ich werde also mein Bestes tun, um authentische Bilder
und Sprache zu liefern und das heißt, herausfordernde Themen werden wohl
berührt.

Politisch will der Film den Hintergrund des amerikanischen Rechtssystems
hinterfragen, welches arabische und muslimische Amerikaner zu Sündenböcken
macht, aber es wird hier durch die Erfahrungsbrille einer jungen Frau gesehen,
die darin lebt.

Islamische Zeitung: Ist Ihr Anliegen – vor allem im neuen Film – das der
Darstellung der Befreiung einer oder „der“ westlichen, als Muslimin geborenen,
Frau? Und wenn ja, inwiefern erfährt diese Gewalt und welches Ziel strebt die
Befreiung an?

Susan Youssef: Wenn ich über Befreiung spreche, meine ich: die Freiheit, zu
sein wer immer man sein will im Westen, Osten und ganz für sich selbst. In
diesem Film sieht sich die junge Frau einerseits mit den Anforderungen des
„amerikanischen Teenager-Daseins“ konfrontiert, aber auch mit dem Druck, den
die eigene Familie auf sie ausübt, eine Tochter nach deren Vorstellung zu sein.
Ich bete dafür, dass alle unsere Mädchen die „bestmögliche Version“ von sich
selbst werden mögen. Dass sie sich das Ziel der Bildung, der Mutterschaft, setzen,
oder was immer es ist, was sich für sie stimmig und echt anfühlt.

Als ich mich dem Filmemachen zuwenden wollte, hatte ich ein großes Problem mit
meinen Eltern. Die wollten, dass ich bald heirate. Sie liebten mich, aber
konnten sich nicht vorstellen, dass Hollywood ein Ort für mich wäre. Zehn Jahre
später haben sie sich dazu durchgerungen, mich großartig zu unterstützen, aber
das war ein langer Kampf. Auf gewisse Weise hatten sie recht: Wie passt eine
Frau wie ich zum kommerziellen Kino? Aber in meinem Herzen wusste ich, dass ich
dazu imstande bin, mir diesen Platz zu schaffen.

Wenn ich also über „Befreiung“ spreche, meine ich Geschichten, wie die meinige.
Ich möchte, dass Frauen für sich selbst herausfinden können, wer sie sind und
darauf zusteuern. Meine Überzeugung ist, dass wir eine höhere Berufung im Leben
haben und dass wir Gott unseren besten Möglichkeiten gemäß dienen sollen.

Und eigentlich kommt das „Befreiungsthema“ insofern als Überraschungspaket
daher, als ich meine Zuschauer dazu anspornen möchte, ihre eigene zu
realisieren. Aber ich verspreche, dass ich in keiner Weise Anbiederung an
westliche Vorstellungen von „Befreiung“ anstrebe. Es geht um eine tief
persönliche Sache.

Islamische Zeitung: In Ihrem letzten Film fiel die Feststellung: „This religion
(Islam) is about love“. Glauben Sie, dass Liebe, als eine/die tiefste und
stärkste spirituelle Kraft zentraler Bestandteil der Genesung unserer
gegenwärtigen persönlichen, gesellschaftspolitischen sowie auch religiösen
Angelegenheiten sein muss?

Susan Youssef: Ich bin tief geprägt durch den Sufismus und den Anspruch, über
die Liebe eine möglichst dauerhafte Verbindung mit dem Göttlichen anzustreben.
In „Habibi“ arbeite ich mit der Majnoun-Laila-Parabel als Metapher für die
verzweifelte Suche der beiden Darsteller Qais und Layla, in einer
hoffnungslosen Situation Lebensinhalt und Hoffnung durch ihre Liebe zu finden.

Verbindungsglieder zum Glauben durchziehen den gesamten Film; überdies hoffte
ich, dass die Romanze, die schon Shakespeares „Romeo und Julia“ inspiriert hat,
die Menschen in Gaza auf sehr grundlegende Art und Weise auf ihr Menschsein
hinweist.

In „Marjoun“ wird die Suche nach dem Göttlichen direkter thematisiert, da
unsere Teenagerin immer wieder über ihren Glauben reflektiert; nichtsdestotrotz
ist die Metapher immer noch präsent. Das Thema Liebe kann dabei helfen,
arabische und muslimische Menschen im Westen „normalisierend“ einzuordnen.
Gerade jetzt, in Zeiten der Furcht betreffs der Flüchtlingskrise, ist dies
besonders wichtig.

Islamische Zeitung: Was möchten Sie möglichen Sponsoren für Ihr Projekt sagen?

Susan Youssef: Ich gehöre zur ersten Generation arabisch-amerikanischer
Filmemacher. Das heißt, dass diese Arbeit Pionierarbeit und somit schwierig
umzusetzen ist. Es gibt eine gewisse Faszination für unsere Arbeit, aber sie
wird als publikumsschwach eingestuft, was heißt, dass sie schwer zu finanzieren
ist.

Gleichzeitig habe ich in meinem letzten Feature „Habibi“ gezeigt, dass solche
Filme der Möglichkeit längerfristig positiver Veränderungen, sowohl in der
Medienkultur als auch hinsichtlich des gesellschaftlichen Diskurses, die Tür
öffnen.

„Habibi“ ist weltweit Teil von Facharbeiten an Universitäten: Von Harvard bis
zur Universität in Sydney. „Habibi“ war die erste Dreharbeit in Gaza seit
Jahrzehnten und dennoch: es gab da schon ein Publikum, das darauf gewartet
hatte. Dieses Publikum musste es außerhalb der traditionellen
Hollywood-Kassenschlager geben, dennoch hat es uns gefunden und wir haben es
bedient.

Obwohl der Film vor vier Jahren seine Premiere hatte, wird er immer noch an
Filmfestivals ausgestrahlt, an Universitäten gezeigt und ist auch online
verfügbar. „Majnoun“ kann das auch erreichen, aber unser Ziel ist diesmal, ein
noch breiteres Publikum anzusprechen. Der Beweis ist das Drehbuch. Marjoun auf
dem Motorrad provoziert Erinnerungen an James Dean. Ihr „Road Trip“ und ihre
Rolle als amerikanische Rebellin der Neuzeit machen ihre Geschichte auf breiter
Basis zugänglich.

Wie auch immer – wir sind auf das Crowdfunding angewiesen. Wir schaffen es
nicht, die gängigen Investoren zu gewinnen, obwohl wir das versucht haben. So
möchten wir jeden, den wir kennen, darum bitten, ein wenig beizusteuern, auch
wenn es nur ein Dollar ist, damit wir den Film machen können. Und wir wollen,
dass die Leute verstehen – sie finanzieren nicht nur „Marjoun“, sondern auch
einen Ansatz für gleichwertige Darstellung von Arabern und Muslimen im Westen.
Das amerikanische System stellt nicht all die Subventionen bereit, die im
europäischen Raum vorhanden sind und so hoffen wir, dass die Europäer uns
beistehen mögen.

Islamische Zeitung: Wir danken sehr für das Gespräch und wünschen Ihnen alles
Gute!
– See more at: http://www.islamische-zeitung.de/?id=19546#sthash.IROcPOCO.dpuf

29.09.2015 Sumaya Mohammed Wegenstein sprach mit der US-amerikanischen Filmemacherin Susan Youssef

„Verbindungsglieder zum Glauben“

Hauptbild

Foto: Filmszene «Habibi» | Lincoln Film Center

Susan
Youssef, eine Filmemacherin mit libanesisch-syrischen Wurzeln, geboren
in Brooklyn, hat ihren eigenen Weg eingeschlagen, anfänglich gegen die
traditionell ausgerichtete Weltsicht ihrer Familie. Ein Weg, den sie
selbst als „wach und befreit“ beschreibt. Ihr erster Film, „Habibi“ hat –
neben anderen Auszeichnungen – den Preis für den Besten Arabischen
Feature Film am 8. Internationalen Film Festival in Dubai gewonnen.

Werbung

Susan
ordnet ihr Oeuvre einerseits als „semiautobiographisch“ ein, fühlt sich
aber inhaltlich von großen Werken wie „Laila und Majnoun“ oder Wagners
„Ringparabel“ inspiriert und zeigt auch – offensichtliche – Anlehnung an
Richard Linklaters Produktionen. Für ihren nächsten Film „Marjoun and
the Flying Headscarf“ hat sie ein Crowdfunding lanciert, das Ende
dieses Monats ausläuft.

Islamische Zeitung:
Das Thema Liebe innerhalb vertrackter gesellschaftlicher oder
politischer Umstände ist Subjekt Ihres letzten Films „Habibi“. Empfinden
Sie, dass innerhalb der muslimischen Gemeinschaften der Gegenwart
alles, was mit dem Begriff Liebe zu tun hat, vergleichsweise eher
bewahrt und gefördert oder eher behindert und zerstört wird?

Susan Youssef:
Es ist interessant, die öffentliche Wahrnehmung bezüglich der
Einschätzung von Liebe in muslimischen Gemeinschaften mit der
Wirklichkeit zu vergleichen. Wir haben „Habibi“, die Geschichte einer
verbotenen Liebe in Gaza City, ohne jegliche Proteste oder negative
Folgen drehen können. Es hat zwei Jahre gedauert, eine Örtlichkeit zu
finden, in der der Film gezeigt werden konnte; aus Gründen, die mit der
Besetzung zu tun hatten. Als wir ihn dann vorführten, sah das Publikum
darin ausnahmslos das Bestreben zweier Liebender, zusammenzukommen.

Fürs
Kino gilt: Menschen lieben die Liebe in allen Gesellschaften
gleichermaßen. Viele Familien der muslimischen Bevölkerung in Gaza
beispielsweise haben im familiären Bereich die Sorge, ihre Kinder sicher
zu verheiraten, sie vor Fehltritten zu bewahren. Gleichzeitig aber hat
sich jeder der Zuschauer auf persönlicher Ebene mit dem Kampf dieser
beider Liebenden identifiziert, die sich den Wünschen und Vorstellungen
ihrer Familien widersetzen und sogar Dinge tun, die als Fehler
eingestuft werden.

Islamische Zeitung:
Der politische Aspekt war Ihnen auch ein wichtiger. Beim Crowdfunding
für Ihren letzten Film haben manche Produzenten oder auch mögliche
Geldgeber „zu wenig Erotik und zu viel Politik“ beanstandet. Wie möchten
Sie Ihren kommenden Film in dieser Hinsicht gestalten?

Susan Youssef:
„Marjoun“ spielt in den USA und handelt von einer Teenagerin, die fast
unter dem Druck, eine bestimmte Art von junger Frau zu werden, zugrunde
geht. Allerdings denke ich nicht, dass ich genanntes Thema weiter
ausreize, als in „Habibi“. Es ist nicht meine Absicht, den weiblichen
Körper als Objekt oder gar Fetisch darzustellen. Auch fühle ich mich
nicht bemüßigt, zerstörerische oder negative Vorstellungen zu bedienen.
Was immer an Intimität oder Sexualität im Film gezeigt wird, hat mit der
Sehnsucht der Darstellerin nach Verwirklichung ihres „höheren Selbst“
zu tun, allem dem zum Trotz, was die amerikanische Gesellschaft jungen
Mädchen antun kann.

ls ich ein junges Mädchen war, sind mir Dinge
widerfahren, über die ich damals nicht sprechen konnte. „Marjoun“ soll
den jungen Frauen das Gefühl eines „sicheren Ortes“ vermitteln, an dem
oder durch den sie gewisse Dinge ansprechen und aufarbeiten können. Ich
werde also mein Bestes tun, um authentische Bilder und Sprache zu
liefern und das heißt, herausfordernde Themen werden wohl berührt.

Politisch
will der Film den Hintergrund des amerikanischen Rechtssystems
hinterfragen, welches arabische und muslimische Amerikaner zu
Sündenböcken macht, aber es wird hier durch die Erfahrungsbrille einer
jungen Frau gesehen, die darin lebt.

Islamische Zeitung:
Ist Ihr Anliegen – vor allem im neuen Film – das der Darstellung der
Befreiung einer oder „der“ westlichen, als Muslimin geborenen, Frau? Und
wenn ja, inwiefern erfährt diese Gewalt und welches Ziel strebt die
Befreiung an?

Susan Youssef: Wenn ich
über Befreiung spreche, meine ich: die Freiheit, zu sein wer immer man
sein will im Westen, Osten und ganz für sich selbst. In diesem Film
sieht sich die junge Frau einerseits mit den Anforderungen des
„amerikanischen Teenager-Daseins“ konfrontiert, aber auch mit dem Druck,
den die eigene Familie auf sie ausübt, eine Tochter nach deren
Vorstellung zu sein. Ich bete dafür, dass alle unsere Mädchen die
„bestmögliche Version“ von sich selbst werden mögen. Dass sie sich das
Ziel der Bildung, der Mutterschaft, setzen, oder was immer es ist, was
sich für sie stimmig und echt anfühlt.

Als ich mich dem
Filmemachen zuwenden wollte, hatte ich ein großes Problem mit meinen
Eltern. Die wollten, dass ich bald heirate. Sie liebten mich, aber
konnten sich nicht vorstellen, dass Hollywood ein Ort für mich wäre.
Zehn Jahre später haben sie sich dazu durchgerungen, mich großartig zu
unterstützen, aber das war ein langer Kampf. Auf gewisse Weise hatten
sie recht: Wie passt eine Frau wie ich zum kommerziellen Kino? Aber in
meinem Herzen wusste ich, dass ich dazu imstande bin, mir diesen Platz
zu schaffen.

Wenn ich also über „Befreiung“ spreche, meine ich
Geschichten, wie die meinige. Ich möchte, dass Frauen für sich selbst
herausfinden können, wer sie sind und darauf zusteuern. Meine
Überzeugung ist, dass wir eine höhere Berufung im Leben haben und dass
wir Gott unseren besten Möglichkeiten gemäß dienen sollen.

Und
eigentlich kommt das „Befreiungsthema“ insofern als Überraschungspaket
daher, als ich meine Zuschauer dazu anspornen möchte, ihre eigene zu
realisieren. Aber ich verspreche, dass ich in keiner Weise Anbiederung
an westliche Vorstellungen von „Befreiung“ anstrebe. Es geht um eine
tief persönliche Sache.

Islamische Zeitung:
In Ihrem letzten Film fiel die Feststellung: „This religion (Islam) is
about love“. Glauben Sie, dass Liebe, als eine/die tiefste und stärkste
spirituelle Kraft zentraler Bestandteil der Genesung unserer
gegenwärtigen persönlichen, gesellschaftspolitischen sowie auch
religiösen Angelegenheiten sein muss?

Susan Youssef:
Ich bin tief geprägt durch den Sufismus und den Anspruch, über die
Liebe eine möglichst dauerhafte Verbindung mit dem Göttlichen
anzustreben. In „Habibi“ arbeite ich mit der Majnoun-Laila-Parabel als
Metapher für die verzweifelte Suche der beiden Darsteller Qais und
Layla, in einer hoffnungslosen Situation Lebensinhalt und Hoffnung durch
ihre Liebe zu finden.

Verbindungsglieder zum Glauben durchziehen
den gesamten Film; überdies hoffte ich, dass die Romanze, die schon
Shakespeares „Romeo und Julia“ inspiriert hat, die Menschen in Gaza auf
sehr grundlegende Art und Weise auf ihr Menschsein hinweist.

In
„Marjoun“ wird die Suche nach dem Göttlichen direkter thematisiert, da
unsere Teenagerin immer wieder über ihren Glauben reflektiert;
nichtsdestotrotz ist die Metapher immer noch präsent. Das Thema Liebe
kann dabei helfen, arabische und muslimische Menschen im Westen
„normalisierend“ einzuordnen. Gerade jetzt, in Zeiten der Furcht
betreffs der Flüchtlingskrise, ist dies besonders wichtig.

Islamische Zeitung: Was möchten Sie möglichen Sponsoren für Ihr Projekt sagen?

Susan Youssef:
Ich gehöre zur ersten Generation arabisch-amerikanischer Filmemacher.
Das heißt, dass diese Arbeit Pionierarbeit und somit schwierig
umzusetzen ist. Es gibt eine gewisse Faszination für unsere Arbeit, aber
sie wird als publikumsschwach eingestuft, was heißt, dass sie schwer zu
finanzieren ist.

Gleichzeitig habe ich in meinem letzten Feature
„Habibi“ gezeigt, dass solche Filme der Möglichkeit längerfristig
positiver Veränderungen, sowohl in der Medienkultur als auch
hinsichtlich des gesellschaftlichen Diskurses, die Tür öffnen.

„Habibi“
ist weltweit Teil von Facharbeiten an Universitäten: Von Harvard bis
zur Universität in Sydney. „Habibi“ war die erste Dreharbeit in Gaza
seit Jahrzehnten und dennoch: es gab da schon ein Publikum, das darauf
gewartet hatte. Dieses Publikum musste es außerhalb der traditionellen
Hollywood-Kassenschlager geben, dennoch hat es uns gefunden und wir
haben es bedient.

Obwohl der Film vor vier Jahren seine Premiere
hatte, wird er immer noch an Filmfestivals ausgestrahlt, an
Universitäten gezeigt und ist auch online verfügbar. „Majnoun“ kann das
auch erreichen, aber unser Ziel ist diesmal, ein noch breiteres Publikum
anzusprechen. Der Beweis ist das Drehbuch. Marjoun auf dem Motorrad
provoziert Erinnerungen an James Dean. Ihr „Road Trip“ und ihre Rolle
als amerikanische Rebellin der Neuzeit machen ihre Geschichte auf
breiter Basis zugänglich.

Wie auch immer – wir sind auf das
Crowdfunding angewiesen. Wir schaffen es nicht, die gängigen Investoren
zu gewinnen, obwohl wir das versucht haben. So möchten wir jeden, den
wir kennen, darum bitten, ein wenig beizusteuern, auch wenn es nur ein
Dollar ist, damit wir den Film machen können. Und wir wollen, dass die
Leute verstehen – sie finanzieren nicht nur „Marjoun“, sondern auch
einen Ansatz für gleichwertige Darstellung von Arabern und Muslimen im
Westen. Das amerikanische System stellt nicht all die Subventionen
bereit, die im europäischen Raum vorhanden sind und so hoffen wir, dass
die Europäer uns beistehen mögen.

Islamische Zeitung: Wir danken sehr für das Gespräch und wünschen Ihnen alles Gute! – See more at: http://www.islamische-zeitung.de/?id=19546#sthash.IROcPOCO.dpuf

29.09.2015 Sumaya Mohammed Wegenstein sprach mit der US-amerikanischen Filmemacherin Susan Youssef

„Verbindungsglieder zum Glauben“

Hauptbild

Foto: Filmszene «Habibi» | Lincoln Film Center

Susan
Youssef, eine Filmemacherin mit libanesisch-syrischen Wurzeln, geboren
in Brooklyn, hat ihren eigenen Weg eingeschlagen, anfänglich gegen die
traditionell ausgerichtete Weltsicht ihrer Familie. Ein Weg, den sie
selbst als „wach und befreit“ beschreibt. Ihr erster Film, „Habibi“ hat –
neben anderen Auszeichnungen – den Preis für den Besten Arabischen
Feature Film am 8. Internationalen Film Festival in Dubai gewonnen.

Werbung

Susan
ordnet ihr Oeuvre einerseits als „semiautobiographisch“ ein, fühlt sich
aber inhaltlich von großen Werken wie „Laila und Majnoun“ oder Wagners
„Ringparabel“ inspiriert und zeigt auch – offensichtliche – Anlehnung an
Richard Linklaters Produktionen. Für ihren nächsten Film „Marjoun and
the Flying Headscarf“ hat sie ein Crowdfunding lanciert, das Ende
dieses Monats ausläuft.

Islamische Zeitung:
Das Thema Liebe innerhalb vertrackter gesellschaftlicher oder
politischer Umstände ist Subjekt Ihres letzten Films „Habibi“. Empfinden
Sie, dass innerhalb der muslimischen Gemeinschaften der Gegenwart
alles, was mit dem Begriff Liebe zu tun hat, vergleichsweise eher
bewahrt und gefördert oder eher behindert und zerstört wird?

Susan Youssef:
Es ist interessant, die öffentliche Wahrnehmung bezüglich der
Einschätzung von Liebe in muslimischen Gemeinschaften mit der
Wirklichkeit zu vergleichen. Wir haben „Habibi“, die Geschichte einer
verbotenen Liebe in Gaza City, ohne jegliche Proteste oder negative
Folgen drehen können. Es hat zwei Jahre gedauert, eine Örtlichkeit zu
finden, in der der Film gezeigt werden konnte; aus Gründen, die mit der
Besetzung zu tun hatten. Als wir ihn dann vorführten, sah das Publikum
darin ausnahmslos das Bestreben zweier Liebender, zusammenzukommen.

Fürs
Kino gilt: Menschen lieben die Liebe in allen Gesellschaften
gleichermaßen. Viele Familien der muslimischen Bevölkerung in Gaza
beispielsweise haben im familiären Bereich die Sorge, ihre Kinder sicher
zu verheiraten, sie vor Fehltritten zu bewahren. Gleichzeitig aber hat
sich jeder der Zuschauer auf persönlicher Ebene mit dem Kampf dieser
beider Liebenden identifiziert, die sich den Wünschen und Vorstellungen
ihrer Familien widersetzen und sogar Dinge tun, die als Fehler
eingestuft werden.

Islamische Zeitung:
Der politische Aspekt war Ihnen auch ein wichtiger. Beim Crowdfunding
für Ihren letzten Film haben manche Produzenten oder auch mögliche
Geldgeber „zu wenig Erotik und zu viel Politik“ beanstandet. Wie möchten
Sie Ihren kommenden Film in dieser Hinsicht gestalten?

Susan Youssef:
„Marjoun“ spielt in den USA und handelt von einer Teenagerin, die fast
unter dem Druck, eine bestimmte Art von junger Frau zu werden, zugrunde
geht. Allerdings denke ich nicht, dass ich genanntes Thema weiter
ausreize, als in „Habibi“. Es ist nicht meine Absicht, den weiblichen
Körper als Objekt oder gar Fetisch darzustellen. Auch fühle ich mich
nicht bemüßigt, zerstörerische oder negative Vorstellungen zu bedienen.
Was immer an Intimität oder Sexualität im Film gezeigt wird, hat mit der
Sehnsucht der Darstellerin nach Verwirklichung ihres „höheren Selbst“
zu tun, allem dem zum Trotz, was die amerikanische Gesellschaft jungen
Mädchen antun kann.

ls ich ein junges Mädchen war, sind mir Dinge
widerfahren, über die ich damals nicht sprechen konnte. „Marjoun“ soll
den jungen Frauen das Gefühl eines „sicheren Ortes“ vermitteln, an dem
oder durch den sie gewisse Dinge ansprechen und aufarbeiten können. Ich
werde also mein Bestes tun, um authentische Bilder und Sprache zu
liefern und das heißt, herausfordernde Themen werden wohl berührt.

Politisch
will der Film den Hintergrund des amerikanischen Rechtssystems
hinterfragen, welches arabische und muslimische Amerikaner zu
Sündenböcken macht, aber es wird hier durch die Erfahrungsbrille einer
jungen Frau gesehen, die darin lebt.

Islamische Zeitung:
Ist Ihr Anliegen – vor allem im neuen Film – das der Darstellung der
Befreiung einer oder „der“ westlichen, als Muslimin geborenen, Frau? Und
wenn ja, inwiefern erfährt diese Gewalt und welches Ziel strebt die
Befreiung an?

Susan Youssef: Wenn ich
über Befreiung spreche, meine ich: die Freiheit, zu sein wer immer man
sein will im Westen, Osten und ganz für sich selbst. In diesem Film
sieht sich die junge Frau einerseits mit den Anforderungen des
„amerikanischen Teenager-Daseins“ konfrontiert, aber auch mit dem Druck,
den die eigene Familie auf sie ausübt, eine Tochter nach deren
Vorstellung zu sein. Ich bete dafür, dass alle unsere Mädchen die
„bestmögliche Version“ von sich selbst werden mögen. Dass sie sich das
Ziel der Bildung, der Mutterschaft, setzen, oder was immer es ist, was
sich für sie stimmig und echt anfühlt.

Als ich mich dem
Filmemachen zuwenden wollte, hatte ich ein großes Problem mit meinen
Eltern. Die wollten, dass ich bald heirate. Sie liebten mich, aber
konnten sich nicht vorstellen, dass Hollywood ein Ort für mich wäre.
Zehn Jahre später haben sie sich dazu durchgerungen, mich großartig zu
unterstützen, aber das war ein langer Kampf. Auf gewisse Weise hatten
sie recht: Wie passt eine Frau wie ich zum kommerziellen Kino? Aber in
meinem Herzen wusste ich, dass ich dazu imstande bin, mir diesen Platz
zu schaffen.

Wenn ich also über „Befreiung“ spreche, meine ich
Geschichten, wie die meinige. Ich möchte, dass Frauen für sich selbst
herausfinden können, wer sie sind und darauf zusteuern. Meine
Überzeugung ist, dass wir eine höhere Berufung im Leben haben und dass
wir Gott unseren besten Möglichkeiten gemäß dienen sollen.

Und
eigentlich kommt das „Befreiungsthema“ insofern als Überraschungspaket
daher, als ich meine Zuschauer dazu anspornen möchte, ihre eigene zu
realisieren. Aber ich verspreche, dass ich in keiner Weise Anbiederung
an westliche Vorstellungen von „Befreiung“ anstrebe. Es geht um eine
tief persönliche Sache.

Islamische Zeitung:
In Ihrem letzten Film fiel die Feststellung: „This religion (Islam) is
about love“. Glauben Sie, dass Liebe, als eine/die tiefste und stärkste
spirituelle Kraft zentraler Bestandteil der Genesung unserer
gegenwärtigen persönlichen, gesellschaftspolitischen sowie auch
religiösen Angelegenheiten sein muss?

Susan Youssef:
Ich bin tief geprägt durch den Sufismus und den Anspruch, über die
Liebe eine möglichst dauerhafte Verbindung mit dem Göttlichen
anzustreben. In „Habibi“ arbeite ich mit der Majnoun-Laila-Parabel als
Metapher für die verzweifelte Suche der beiden Darsteller Qais und
Layla, in einer hoffnungslosen Situation Lebensinhalt und Hoffnung durch
ihre Liebe zu finden.

Verbindungsglieder zum Glauben durchziehen
den gesamten Film; überdies hoffte ich, dass die Romanze, die schon
Shakespeares „Romeo und Julia“ inspiriert hat, die Menschen in Gaza auf
sehr grundlegende Art und Weise auf ihr Menschsein hinweist.

In
„Marjoun“ wird die Suche nach dem Göttlichen direkter thematisiert, da
unsere Teenagerin immer wieder über ihren Glauben reflektiert;
nichtsdestotrotz ist die Metapher immer noch präsent. Das Thema Liebe
kann dabei helfen, arabische und muslimische Menschen im Westen
„normalisierend“ einzuordnen. Gerade jetzt, in Zeiten der Furcht
betreffs der Flüchtlingskrise, ist dies besonders wichtig.

Islamische Zeitung: Was möchten Sie möglichen Sponsoren für Ihr Projekt sagen?

Susan Youssef:
Ich gehöre zur ersten Generation arabisch-amerikanischer Filmemacher.
Das heißt, dass diese Arbeit Pionierarbeit und somit schwierig
umzusetzen ist. Es gibt eine gewisse Faszination für unsere Arbeit, aber
sie wird als publikumsschwach eingestuft, was heißt, dass sie schwer zu
finanzieren ist.

Gleichzeitig habe ich in meinem letzten Feature
„Habibi“ gezeigt, dass solche Filme der Möglichkeit längerfristig
positiver Veränderungen, sowohl in der Medienkultur als auch
hinsichtlich des gesellschaftlichen Diskurses, die Tür öffnen.

„Habibi“
ist weltweit Teil von Facharbeiten an Universitäten: Von Harvard bis
zur Universität in Sydney. „Habibi“ war die erste Dreharbeit in Gaza
seit Jahrzehnten und dennoch: es gab da schon ein Publikum, das darauf
gewartet hatte. Dieses Publikum musste es außerhalb der traditionellen
Hollywood-Kassenschlager geben, dennoch hat es uns gefunden und wir
haben es bedient.

Obwohl der Film vor vier Jahren seine Premiere
hatte, wird er immer noch an Filmfestivals ausgestrahlt, an
Universitäten gezeigt und ist auch online verfügbar. „Majnoun“ kann das
auch erreichen, aber unser Ziel ist diesmal, ein noch breiteres Publikum
anzusprechen. Der Beweis ist das Drehbuch. Marjoun auf dem Motorrad
provoziert Erinnerungen an James Dean. Ihr „Road Trip“ und ihre Rolle
als amerikanische Rebellin der Neuzeit machen ihre Geschichte auf
breiter Basis zugänglich.

Wie auch immer – wir sind auf das
Crowdfunding angewiesen. Wir schaffen es nicht, die gängigen Investoren
zu gewinnen, obwohl wir das versucht haben. So möchten wir jeden, den
wir kennen, darum bitten, ein wenig beizusteuern, auch wenn es nur ein
Dollar ist, damit wir den Film machen können. Und wir wollen, dass die
Leute verstehen – sie finanzieren nicht nur „Marjoun“, sondern auch
einen Ansatz für gleichwertige Darstellung von Arabern und Muslimen im
Westen. Das amerikanische System stellt nicht all die Subventionen
bereit, die im europäischen Raum vorhanden sind und so hoffen wir, dass
die Europäer uns beistehen mögen.

Islamische Zeitung: Wir danken sehr für das Gespräch und wünschen Ihnen alles Gute! – See more at: http://www.islamische-zeitung.de/?id=19546#sthash.ihINccQ6.dpuf

29.09.2015 Sumaya Mohammed Wegenstein sprach mit der US-amerikanischen Filmemacherin Susan Youssef

„Verbindungsglieder zum Glauben“

Hauptbild

Foto: Filmszene «Habibi» | Lincoln Film Center

Susan
Youssef, eine Filmemacherin mit libanesisch-syrischen Wurzeln, geboren
in Brooklyn, hat ihren eigenen Weg eingeschlagen, anfänglich gegen die
traditionell ausgerichtete Weltsicht ihrer Familie. Ein Weg, den sie
selbst als „wach und befreit“ beschreibt. Ihr erster Film, „Habibi“ hat –
neben anderen Auszeichnungen – den Preis für den Besten Arabischen
Feature Film am 8. Internationalen Film Festival in Dubai gewonnen.

Werbung

Susan
ordnet ihr Oeuvre einerseits als „semiautobiographisch“ ein, fühlt sich
aber inhaltlich von großen Werken wie „Laila und Majnoun“ oder Wagners
„Ringparabel“ inspiriert und zeigt auch – offensichtliche – Anlehnung an
Richard Linklaters Produktionen. Für ihren nächsten Film „Marjoun and
the Flying Headscarf“ hat sie ein Crowdfunding lanciert, das Ende
dieses Monats ausläuft.

Islamische Zeitung:
Das Thema Liebe innerhalb vertrackter gesellschaftlicher oder
politischer Umstände ist Subjekt Ihres letzten Films „Habibi“. Empfinden
Sie, dass innerhalb der muslimischen Gemeinschaften der Gegenwart
alles, was mit dem Begriff Liebe zu tun hat, vergleichsweise eher
bewahrt und gefördert oder eher behindert und zerstört wird?

Susan Youssef:
Es ist interessant, die öffentliche Wahrnehmung bezüglich der
Einschätzung von Liebe in muslimischen Gemeinschaften mit der
Wirklichkeit zu vergleichen. Wir haben „Habibi“, die Geschichte einer
verbotenen Liebe in Gaza City, ohne jegliche Proteste oder negative
Folgen drehen können. Es hat zwei Jahre gedauert, eine Örtlichkeit zu
finden, in der der Film gezeigt werden konnte; aus Gründen, die mit der
Besetzung zu tun hatten. Als wir ihn dann vorführten, sah das Publikum
darin ausnahmslos das Bestreben zweier Liebender, zusammenzukommen.

Fürs
Kino gilt: Menschen lieben die Liebe in allen Gesellschaften
gleichermaßen. Viele Familien der muslimischen Bevölkerung in Gaza
beispielsweise haben im familiären Bereich die Sorge, ihre Kinder sicher
zu verheiraten, sie vor Fehltritten zu bewahren. Gleichzeitig aber hat
sich jeder der Zuschauer auf persönlicher Ebene mit dem Kampf dieser
beider Liebenden identifiziert, die sich den Wünschen und Vorstellungen
ihrer Familien widersetzen und sogar Dinge tun, die als Fehler
eingestuft werden.

Islamische Zeitung:
Der politische Aspekt war Ihnen auch ein wichtiger. Beim Crowdfunding
für Ihren letzten Film haben manche Produzenten oder auch mögliche
Geldgeber „zu wenig Erotik und zu viel Politik“ beanstandet. Wie möchten
Sie Ihren kommenden Film in dieser Hinsicht gestalten?

Susan Youssef:
„Marjoun“ spielt in den USA und handelt von einer Teenagerin, die fast
unter dem Druck, eine bestimmte Art von junger Frau zu werden, zugrunde
geht. Allerdings denke ich nicht, dass ich genanntes Thema weiter
ausreize, als in „Habibi“. Es ist nicht meine Absicht, den weiblichen
Körper als Objekt oder gar Fetisch darzustellen. Auch fühle ich mich
nicht bemüßigt, zerstörerische oder negative Vorstellungen zu bedienen.
Was immer an Intimität oder Sexualität im Film gezeigt wird, hat mit der
Sehnsucht der Darstellerin nach Verwirklichung ihres „höheren Selbst“
zu tun, allem dem zum Trotz, was die amerikanische Gesellschaft jungen
Mädchen antun kann.

ls ich ein junges Mädchen war, sind mir Dinge
widerfahren, über die ich damals nicht sprechen konnte. „Marjoun“ soll
den jungen Frauen das Gefühl eines „sicheren Ortes“ vermitteln, an dem
oder durch den sie gewisse Dinge ansprechen und aufarbeiten können. Ich
werde also mein Bestes tun, um authentische Bilder und Sprache zu
liefern und das heißt, herausfordernde Themen werden wohl berührt.

Politisch
will der Film den Hintergrund des amerikanischen Rechtssystems
hinterfragen, welches arabische und muslimische Amerikaner zu
Sündenböcken macht, aber es wird hier durch die Erfahrungsbrille einer
jungen Frau gesehen, die darin lebt.

Islamische Zeitung:
Ist Ihr Anliegen – vor allem im neuen Film – das der Darstellung der
Befreiung einer oder „der“ westlichen, als Muslimin geborenen, Frau? Und
wenn ja, inwiefern erfährt diese Gewalt und welches Ziel strebt die
Befreiung an?

Susan Youssef: Wenn ich
über Befreiung spreche, meine ich: die Freiheit, zu sein wer immer man
sein will im Westen, Osten und ganz für sich selbst. In diesem Film
sieht sich die junge Frau einerseits mit den Anforderungen des
„amerikanischen Teenager-Daseins“ konfrontiert, aber auch mit dem Druck,
den die eigene Familie auf sie ausübt, eine Tochter nach deren
Vorstellung zu sein. Ich bete dafür, dass alle unsere Mädchen die
„bestmögliche Version“ von sich selbst werden mögen. Dass sie sich das
Ziel der Bildung, der Mutterschaft, setzen, oder was immer es ist, was
sich für sie stimmig und echt anfühlt.

Als ich mich dem
Filmemachen zuwenden wollte, hatte ich ein großes Problem mit meinen
Eltern. Die wollten, dass ich bald heirate. Sie liebten mich, aber
konnten sich nicht vorstellen, dass Hollywood ein Ort für mich wäre.
Zehn Jahre später haben sie sich dazu durchgerungen, mich großartig zu
unterstützen, aber das war ein langer Kampf. Auf gewisse Weise hatten
sie recht: Wie passt eine Frau wie ich zum kommerziellen Kino? Aber in
meinem Herzen wusste ich, dass ich dazu imstande bin, mir diesen Platz
zu schaffen.

Wenn ich also über „Befreiung“ spreche, meine ich
Geschichten, wie die meinige. Ich möchte, dass Frauen für sich selbst
herausfinden können, wer sie sind und darauf zusteuern. Meine
Überzeugung ist, dass wir eine höhere Berufung im Leben haben und dass
wir Gott unseren besten Möglichkeiten gemäß dienen sollen.

Und
eigentlich kommt das „Befreiungsthema“ insofern als Überraschungspaket
daher, als ich meine Zuschauer dazu anspornen möchte, ihre eigene zu
realisieren. Aber ich verspreche, dass ich in keiner Weise Anbiederung
an westliche Vorstellungen von „Befreiung“ anstrebe. Es geht um eine
tief persönliche Sache.

Islamische Zeitung:
In Ihrem letzten Film fiel die Feststellung: „This religion (Islam) is
about love“. Glauben Sie, dass Liebe, als eine/die tiefste und stärkste
spirituelle Kraft zentraler Bestandteil der Genesung unserer
gegenwärtigen persönlichen, gesellschaftspolitischen sowie auch
religiösen Angelegenheiten sein muss?

Susan Youssef:
Ich bin tief geprägt durch den Sufismus und den Anspruch, über die
Liebe eine möglichst dauerhafte Verbindung mit dem Göttlichen
anzustreben. In „Habibi“ arbeite ich mit der Majnoun-Laila-Parabel als
Metapher für die verzweifelte Suche der beiden Darsteller Qais und
Layla, in einer hoffnungslosen Situation Lebensinhalt und Hoffnung durch
ihre Liebe zu finden.

Verbindungsglieder zum Glauben durchziehen
den gesamten Film; überdies hoffte ich, dass die Romanze, die schon
Shakespeares „Romeo und Julia“ inspiriert hat, die Menschen in Gaza auf
sehr grundlegende Art und Weise auf ihr Menschsein hinweist.

In
„Marjoun“ wird die Suche nach dem Göttlichen direkter thematisiert, da
unsere Teenagerin immer wieder über ihren Glauben reflektiert;
nichtsdestotrotz ist die Metapher immer noch präsent. Das Thema Liebe
kann dabei helfen, arabische und muslimische Menschen im Westen
„normalisierend“ einzuordnen. Gerade jetzt, in Zeiten der Furcht
betreffs der Flüchtlingskrise, ist dies besonders wichtig.

Islamische Zeitung: Was möchten Sie möglichen Sponsoren für Ihr Projekt sagen?

Susan Youssef:
Ich gehöre zur ersten Generation arabisch-amerikanischer Filmemacher.
Das heißt, dass diese Arbeit Pionierarbeit und somit schwierig
umzusetzen ist. Es gibt eine gewisse Faszination für unsere Arbeit, aber
sie wird als publikumsschwach eingestuft, was heißt, dass sie schwer zu
finanzieren ist.

Gleichzeitig habe ich in meinem letzten Feature
„Habibi“ gezeigt, dass solche Filme der Möglichkeit längerfristig
positiver Veränderungen, sowohl in der Medienkultur als auch
hinsichtlich des gesellschaftlichen Diskurses, die Tür öffnen.

„Habibi“
ist weltweit Teil von Facharbeiten an Universitäten: Von Harvard bis
zur Universität in Sydney. „Habibi“ war die erste Dreharbeit in Gaza
seit Jahrzehnten und dennoch: es gab da schon ein Publikum, das darauf
gewartet hatte. Dieses Publikum musste es außerhalb der traditionellen
Hollywood-Kassenschlager geben, dennoch hat es uns gefunden und wir
haben es bedient.

Obwohl der Film vor vier Jahren seine Premiere
hatte, wird er immer noch an Filmfestivals ausgestrahlt, an
Universitäten gezeigt und ist auch online verfügbar. „Majnoun“ kann das
auch erreichen, aber unser Ziel ist diesmal, ein noch breiteres Publikum
anzusprechen. Der Beweis ist das Drehbuch. Marjoun auf dem Motorrad
provoziert Erinnerungen an James Dean. Ihr „Road Trip“ und ihre Rolle
als amerikanische Rebellin der Neuzeit machen ihre Geschichte auf
breiter Basis zugänglich.

Wie auch immer – wir sind auf das
Crowdfunding angewiesen. Wir schaffen es nicht, die gängigen Investoren
zu gewinnen, obwohl wir das versucht haben. So möchten wir jeden, den
wir kennen, darum bitten, ein wenig beizusteuern, auch wenn es nur ein
Dollar ist, damit wir den Film machen können. Und wir wollen, dass die
Leute verstehen – sie finanzieren nicht nur „Marjoun“, sondern auch
einen Ansatz für gleichwertige Darstellung von Arabern und Muslimen im
Westen. Das amerikanische System stellt nicht all die Subventionen
bereit, die im europäischen Raum vorhanden sind und so hoffen wir, dass
die Europäer uns beistehen mögen.

Islamische Zeitung: Wir danken sehr für das Gespräch und wünschen Ihnen alles Gute! – See more at: http://www.islamische-zeitung.de/?id=19546#sthash.ihINccQ6.dpuf