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Obama muss aufhören, Israels Apartheid zu unterstützen

by Verschiedene Autoren, Electronic Intifada vom 3. September 2015, übersetzt von Ellen Rohlfs, herausgegeben von Milena Rampoldi von ProMosaik e.V. – Ein schockierender Artikel, der genau beschreibt, warum Israel keine Demokratie ist. Wie Obama noch daran glauben kann! Wann wird er umdenken und aufhören, Israel mit Militärhilfe zu versorgen?

Von
Radhika Balakrishnan, Karma R. Chávez, Ira Dworkin, Erica Caple James,
J. Kēhaulani Kauanui, Doug Kiel, Barbara Lewis und Soraya Mekerta,
Electronic Intifada – See more at:
http://www.tlaxcala-int.org/article.asp?reference=15930#sthash.M3wGgSvQ.dpuf


Von Radhika Balakrishnan, Karma R. Chávez, Ira Dworkin, Erica Caple James, J. Kēhaulani Kauanui, Doug
Kiel
, Barbara Lewis und Soraya Mekerta

In einem Interview mit Jeffrey Goldberg von „The
Atlantic“ bestätigte US-Präsident Barack Obama seine Unterstützung und Liebe
für Israel, weil – wie er behauptet – „ es eine echte Demokratie sei und
man seine Meinung äußern könne.“ Er beteuerte außerdem Israel als „jüdischen
Staat“ durch die Gewährleistung einer „jüdischen Mehrheit“ zu schützen. 
Die
Unterstützung des jüdischen Staates durch die US-Regierung ist schon viel mehr
als reine Rhetorik, denn es fließen Milliarden von Dollar militärischer Hilfen
ins Land. Außerdem werden auch dauernde pro-israelische Vetos vor dem
UN-Sicherheitsrat ausgesprochen.
Wir sind
eine Gruppe von US-Akademikern unterschiedlicher ethnischer, kultureller und
nationaler Herkunft, die vor kurzem Palästina besuchten. Es gelang uns, uns ein
tatsächliches Bild aus erster Hand von dem zu machen, was Obama in seinem
Interview als „Jüdische Demokratie“ beschreibt und konnten auch sehen, welche
Art von Infrastruktur unsere Steuergelder unterstützen, und zwar Mauern,
Checkpoints und moderne Waffentechnologie.

Wir hatten das Privileg, durch einen Teil der
besetzten Gebiete – das Westjordanland, einschließlich Ost-Jerusalem – zu
reisen, wo wir Palästinenser trafen.

Palästinenser klettern auf eine Leiter,
um die von den Israelis errichtete Trennmauer zwischen dem besetzten Dorf Abu
Dis im Westjordanland zu überwinden, um nach Jerusalem zu gelangen. 17.
November 2014. Muammar Awad APA Images

Doppelmoral

Wir sehen
uns gezwungen, einige Erfahrungen mit Ihnen zu teilen, die wir während unseres
Besuches mit palästinensischen Wissenschaftlern, Politikern, Aktivisten,
Künstlern und anderen Beschäftigten im Westjordanland gemacht haben. Wir
beobachteten mehrfache Beispiele einer Doppelmoral hinsichtlich der
palästinensischen Rechte, die in uns die Fragen aufkommen ließen, ob denn
Israel wirklich eine Demokratie sei.

Wir sind
davon überzeugt, dass die Behauptungen unserer Regierung, Israel sei eine
Demokratie, den Zustand, in dem die Palästinenser unter der Besatzung leben,
verdunkeln. Denn ihre Lebensbedingungen sprechen für einen Apartheidstaat, der
vom Siedlerkolonialismus geprägt ist.

Wir machten
uns schon vor unserer Ankunft Sorgen, denn auf der Suche nach einer
Website des US-Außenministeriums mit Informationen über Israelreisen fanden wir
sehr spärliche Informationen.

Die
US-Regierung warnt Reisende, ihre PCs abzusichern, weil die israelischen
Grenzkontrollbeamten alles löschen könnten. Und dies geschah einem von uns in
Tel Aviv vor dem Rückflug in die USA.

Die Website
warnt auch die Reisenden, dass ihre persönlichen E-Mails oder ihre Konten auf
den sozialen Medien durchsucht werden könnten. Somit sollten „sich die
Reisenden keinerlei Datenschutz für ihre auf solchen Geräten oder in solchen
Konten gespeicherten Daten erwarten“. Auch das gesamte Gerät könnte nämlich
beschlagnahmt werden.

Das
Auswärtige Amt machte auch darauf aufmerksam, dass muslimische US-Bürger oder
US-Bürger palästinensischer oder arabischer Herkunft beträchtliche
Schwierigkeiten bei der Ein- oder Ausreise über die von Israel kontrollierten
Grenzen haben könnten. Und auch dies geschah einem von uns, der kurz vor seiner
Ankunft Kontakte über Handy hatte und gleich bei seiner Ankunft in Tel Aviv
durchsucht wurde.

Profiling

Aber diese
Sorgen sind nichts im Verhältnis zu den Einschränkungen gegenüber den
US-Bürgern palästinensischer Herkunft, sowie allen anderen Palästinensern mit
Personalausweisen aus dem besetzten Westjordanland und Gaza.

Vor unserer
Abreise verstanden die meisten von uns nicht, dass es für Palästinenser unter
Besatzung verschiedene Arten der Identifizierung und des Profiling gibt und
jeder seinen eigenen Einschränkungen der Bewegungsfreiheit unterliegt.

Die
Palästinenser aus Jerusalem haben einen Ausweis, den sie in einem blauen Heft
tragen müssen, während die Bewohner des Westjordanlandes ihren Ausweis in einem
grünen Heft bei sich haben müssen (dieses wird von der Palästinensischen
Behörde mit der Genehmigung der israelischen Regierung erlassen).

Leute, die
diesen Ausweis haben, dürfen normalerweise Jerusalem oder das gegenwärtige
Israel ohne vorherige Genehmigung gar nicht betreten, und dies nicht einmal für
einen Visumantrag zwecks Teilnahme an einem akademischen Treffen in den USA.
Viele Leute, die wir trafen, hatten die heilige Stadt Jerusalem nur einmal
besucht, obwohl sie nur wenige Fahrtminuten von ihr entfernt sind.

Im übrigen
Westjordanland muss ein US-Bürger palästinensischer Herkunft, der dort längere
Zeit leben möchte, ein Visum beantragen, auf dem steht „Nur Westjordanland“. Es
wird ihm nicht erlaubt, das Westjordanland zu verlassen und dann wieder einzureisen.
Er unterliegt denselben Kontrollpunkten wie die anderen Palästinenser. Diese
Personen dürfen die besetzten Gebiete als US-Bürger nicht verlassen, wie das
Auswärtige Amt der USA auf seiner Webseite warnt.

Ein
Palästinenser im Westjordanland mit US-Staatsbürgerschaft kann nicht einfach
von Tel Aviv aus ein Flugzeug nehmen wie jeder andere US-Bürger – nur weil er
oder sie einen palästinensischen Ausweis hat. Und hierzu gibt es einen eigenen
Stempel im US-Reisepass.

Es wird
ihnen auch nicht wie den anderen US-Bürgern erlaubt, die Checkpoints nach
Jerusalem oder jeden anderen Kontrollpunkt zu betreten. Diese Einschränkung
 gilt aber nicht für die wachsende Zahl jüdischer Siedler – Tausende von
ihnen sind US-Bürger, die sich dafür entscheiden, in den besetzten Gebieten des
Westjordanlandes innerhalb der illegalen Siedlungen zu leben, die teilweise von
US-Organisationen steuerfrei finanziert werden.

Akademische Freiheit

Als
Wissenschaftler waren wir neben vielen verwirrenden Dingen auch Zeugen der
begrenzten akademischen und Meinungsfreiheit der Palästinenser (und vieler
Israelis, die Reisebeschränkungen im Westjordanland unterliegen) durch die
israelische Regierung.

Wir
erfuhren, dass es ein Verbot für die meisten Bücher gibt, die in Syrien, dem
Iran und im Libanon veröffentlicht wurden, obwohl Beirut das Verlagszentrum für
arabische Literatur in der Region ist. Das Verbieten von Büchern ist aus
unserer Sicht ein schwerer anti-demokratischer Akt.

Die
israelische Mauer, die das Westjordanland, einschließlich Jerusalem, umgibt,
und sich im Westjordanland durch tiefe Einschnitte durch viele Ortschaften
schlängelt, führt auch zu Einschränkungen der akademischen Freiheit.

Eines der
besten Beispiele findet sich in Bethlehem, wo die Mauer die Stadt durchtrennt
und den Zugang zur Bildung an der Universität in Betlehem vor allem für
diejenigen sehr erschwert, die zufällig auf der anderen Seite der Mauer leben
und deshalb große Umwege machen müssen.

Auch der Abu
Dis-Campus der Universität von al-Quds ist vollständig von der Mauer umgeben.
Wer dorthin will, muss unglaublich lange Wege gehen, obwohl sich dieser in
Jerusalem befindet.

Eine
Dozentin beschrieb uns die Schwierigkeiten, mit denen sie zu kämpfen hat, um an
einem normalen Tag den Campus zu erreichen. Sie muss durch Checkpoints, wo sie
nicht nur von israelischen Soldaten durchsucht wird, sondern unzählige Formen
von Schikanen erleiden muss. Im Westjordanland waren wir über die getrennten
Straßen für Palästinenser und Israelis geschockt. Nicht nur die Pässe, sondern
auch die Autokennzeichen haben verschiedene Farben.

Theoretisch
dienen diese Straßen der Sicherheit der israelischen Siedler, die in den im
Westjordanland nach dem Völkerrecht illegal errichteten  Siedlungen leben.
Praktisch schaffen diese Straßen ein Apartheid-Reise-System, in dem die
Palästinenser Tag für Tag durch mehrere Checkpoints müssen. Manche können auch
„fliegende Checkpoints“ sein, die an nicht vorhersehbaren Stellen errichtet
werden.

Unsere
Kollegin erklärte uns, wie ein sonst sehr kurzer Weg zwischen ihrem Dorf und
der Universität über drei Checkpoints mehr als anderthalb Stunden dauert. So
kommt sie oft zu spät in ihre Klasse, und an manchen Tagen ist sie überhaupt
nicht in der Lage, zur Arbeit oder wieder nach Hause zu gehen.

Ihre
Studenten werden oft verhaftet und kommen ohne Anklage und ohne
Gerichtsverhandlung auf unbestimmte Zeit in Verwaltungshaft, weil sie an
irgendwelchen politischen Tätigkeiten teilgenommen haben oder einfach nur, weil
sie zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort waren. Wir haben erfahren, dass
diese Prozedur während der Prüfungszeiten intensiviert wird.

Dadurch entsteht ein extrem angespanntes
akademisches Umfeld, wenn irgendwann israelische Soldaten Studenten und Lehrer
festnehmen, die einfach nur auf dem Weg zur Uni sind.

 


Straflosigkeit
Wir
erkennen zwar an, dass sich jedes Volk ein sicheres Leben wünscht. Und die
Unterstützer Israels verteidigen seine Politik und seine Handlungen im Namen
seiner nationalen Sicherheit. Während unseres Besuches erlebten wir, wie die
„Sicherheit“ als Begründung fast jeglichen störenden Verhaltens oder
jeglicher invasiven Politik vorgeschoben wurde.
 Wir sind
im Namen der sogenannten Sicherheit Zeugen einer langsamen, aber
absichtlichen Erweiterung der israelischen Besatzung, wachsender Siedlungen,
des Raubs landwirtschaftlich genutzter Ländereien und der Verbreitung von
Industrie-Parks im Westjordanland, einschließlich wesentlicher Bereiche
Ost-Jerusalems.
Die
Vereinigten Staaten, die auch ein kolonialer Siedlerstaat mit ihrer eigenen
Besatzung, polizeilichen Gewalt, Gefängnisgewalt, einer de facto Apartheid
und ihrer eigenen Art von Grenzgewalt sind, haben mit Sicherheit ihre eigenen
Schwächen als Demokratie. Und gerade diese Schwächen zeigen wir in unserer
intellektuellen und politischen Arbeit dauernd auf.
Wir
stellen keine hohen, moralischen Ansprüche. Aber eine Ethnokratie ist keine
Demokratie; der Staat Israel zwingt dem palästinensischen Volk durch den
Kolonialismus, die Besatzung und Apartheid eine gewalttätige Herrschaft auf –
drei Zargen brutaler Unterdrückung, die das genaue Gegenteil einer
Demokratie sind.
Als
Akademiker, die die Versuche beobachten, jegliche Kritik an Israel zu
unterdrücken, wie es im Falle unseres Kollegen Prof. Steven Salaita der Fall
ist und das Westjordanland besuchen, sehen wir uns veranlasst, uns öffentlich
gegen die israelischen Ungerechtigkeiten aufzulehnen.
Wir flehen
Präsident Obama an, seine Rhetorik und Politik zu überdenken und so auch
seine finanziellen Fördermittel in Frage zu stellen, die nur die
Straflosigkeit Israels unterstützen.
Radhika
Balakrishnan ist Professorin für Frauen- und Genderstudien an der Rutgers
University.
Karma R.
Chávez ist Associate Professor für Kommunikationswissenschaften an der
University of Wisconsin, Madison.
Ira
Dworkin ist Assistentin für English an der A&M University in Texas.
Erica
Caple James ist Associate Professor für Anthropologie am Massachusetts
Institute of Technology.
J.
Kēhaulani Kauanui ist Associate Professor Amerikanischer Studien und
Anthropologie an der Wesleyan University.
Doug Kiel
ist Assistentin für Amerikanische Studien am Williams College.
Barbara
Lewis ist Associate Professor für Englisch an der University of
Massachusetts, Boston.
Soraya
Mekerta ist Direktorin des Afrikanischen Diaspora- und Weltprogramms und
Associate Professor für Französisch und Frankophone Studien am Spelman
College.

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