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Die zionistische Erfindung der iranischen Bedrohung – Ein Interview mit Prof. Yakov Rabkin

Guten Abend aus der Redaktion von ProMosaik
e.V.,


wir haben bereits über den historischen Irandeal in Wien, der nach den
Bemühungen, die 12 Jahre angedauert haben, am 14. Juli endlich geschlossen
wurde, berichtet. Der einzige Staat, der sich diesem Deal widersetzt und davon
spricht, wie gefährlich der Iran ist, ist der zionistische Staat.




Über diese Erfindung einer
iranischen Bedrohung und über die Kultur der Pseudoangst haben wir uns mit Prof.
Yakov Rabkin der Universität Montreal unterhalten. Möchte ihm an dieser Stelle
nochmal für seine Zeit danken.


Zum Thema hatten wir bereits seinen großartigen Artikel rund ums Thema des
Irandeals veröffentlicht:


http://promosaiknews.com/2015/03/netanyahu-and-iran-must-read-by-prof.html



Den Artikel hatten wir veröffentlicht, als Netanyahu vor dem US-Kongress über
die sogenannte „iranische Bedrohung“ sprach.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit. Sie können Ihre Kommentare und Anregungen zu
diesem wichtigen Interview an
info@promosaik.com senden.

Dankend

Dr. phil. Milena Rampoldi

ProMosaik
e.V.









Dr. phil.
Milena Rampoldi:

Wie hat
Israel die iranische Bedrohung erfunden und mit welchen Mitteln versucht
Israel, diese Bedrohung aufrechtzuerhalten?
Prof. Yakov
Rabkin:

In einem
vorherigen Artikel habe ich die Geschichte dieser Erfindung aufgegriffen (
http://www.acjna.org/acjna/articles_detail.aspx?id=575 ). Israel benutzte seine Verbündeten
und Agenten, um für diese Erfindung zu werben und sie in eine internationale
Angelegenheit zu verwandeln. Auf diese Weise gelang es Israel, von den
Palästinensern abzulenken, um diese ganz ungestraft unterdrücken zu können.
Nicht weniger wichtig ist, dass diese Erfindung der israelischen Gesellschaft
eine andere „Bedrohung ihrer Existenz“ lieferte. Offensichtlich wurde die imaginäre
iranische Bombe nun durch eine andere „Existenzbedrohung“ ersetzt, und zwar  BDS, die internationale, friedliche Kampagne
zwecks Anwendung von Boycott, Divestment und Sanktionen, um Israel dazu zu
bringen, seine Politik gegenüber den Palästinenser zu ändern. Manche Israelis
vertreten die Meinung, ihre Gesellschaft würde ohne diese existentiellen
Bedrohungen implodieren. Angst ist das, was die Gesellschaft zusammenhält.
Dr. phil.
Milena Rampoldi:

Wie sind die
konkreten Beziehungen zwischen Juden und Iranern in der relativ großen
jüdischen Gemeinde im Iran?

Prof. Yakov
Rabkin:

Ich verfüge
über keine direkten Kenntnisse über die Situation der Juden im Iran, aber es
scheint so, als ginge es ihnen auf keinen Fall schlechter als den anderen
Iranern. Es gibt keinerlei Berichte über Gewalt oder Repressalien gegen sie.

Dr. phil.
Milena Rampoldi:

Wie kann uns
heute die Zurückweisung der zionistischen Ideologie die Möglichkeit bieten, die
Freundschaft zwischen Juden und Muslimen im Allgemeinen und den Iranern im
Besonderen zu fördern?

Prof. Yakov
Rabkin:

In diesem
Zusammenhang soll unbedingt darauf hingewiesen werden, dass der Zionismus ein
Bruch und eine Auflehnung gegen das Judentum darstellt. Viele Juden
widersetzten sich dem Zionismus, als er am Ende des 19. Jahrhunderts gegründet
wurde. Man muss sich den antisemitischen Verschwörungstheorien widersetzen und
verstehen, dass die Juden außerhalb Israels, unabhängig davon, wie sie zu
Israel stehen, keinerlei Einfluss auf die israelische Politik ausüben. Sie
dürfen nicht für das, was Israel ist und tut, verantwortlich gemacht werden. Dann
sieht man, dass das Judentum und der Islam die ähnlichsten Religionen sind und
dass die Juden in den islamischen Ländern viel besser lebten als in den
christlichen und dass zahlreiche klassische Werke des Judentums auf Arabisch
verfasst wurden. Des Weiteren können die Juden, dank ihrer Erfahrung mit dem
Antisemitismus in den christlichen Ländern, die Muslime dabei unterstützen, die
wachsende Islamophobie zu bewältigen.


Dr. phil.
Milena Rampoldi:

Was würden
Sie dem Vorstand des Zentralrats der Juden, Dr. Schuster sagen, welcher der
Meinung ist, dass das Abkommen mit dem Iran gefährlich für Israel und die
Stabilität im gesamten Nahen Osten ist?

Prof. Yakov
Rabkin: 

Die
Unterstützer Israels erzählen in der Welt das herum, was ihnen von ihren
israelischen Herren aufgetragen wird. Mit allem Respekt für die Zuständigen der
jüdischen Organisationen in Deutschland: aber sie sind sicherlich schlechter
informiert als ihre Regierungen, die das Abkommen von Wien unterzeichnet haben.
Diese pro-israelische Unterstützung ist aber nicht unschuldig. Denn es kam vor
Kurzem sehr wohl ans Tageslicht (
http://972mag.com/for-the-first-time-in-history-jews-can-take-part-in-war-from-home/109087/), dass die jüdischen Organisationen
als verdeckte Agenten der israelischen Armee benutzt wurden, um ihre Botschaft
während des Gazaangriffs von 2014 zu verbreiten. Natürliche setzen diese
jüdischen Funktionäre, die dies tun, die einfachen Mitglieder ihrer
Organisationen Repressalien, inklusive Gewalt, aus. Das ist besonders
bedauerlich, da viele Juden, zumindest in den USA, das Abkommen von Wien mit
dem Iran befürworten. Zudem unterstützen es die amerikanischen Juden noch mehr
als die durchschnittlichen Amerikaner (
http://www.jpost.com/Diaspora/US-Jews-much-likelier-to-back-Iran-deal-than-non-Jews-poll-410094). Dies zeigt die wachsende
Verfremdung der amerikanischen Juden gegenüber Israel. Und diese untermauert
nur noch meine These in meiner Antwort auf deine vorherige Frage. Angesichts
dessen fragt man sich, wen die Funktionäre der jüdischen Organisationen denn
vertreten: die Juden in ihren Ländern oder den Staat Israel.





Dr. phil.
Milena Rampoldi:

Wie lange
wird es denn noch dauern, bis die Menschen verstehen, dass Netanjahu falsch
liegt? Wie können wir das diesen Leuten denn klarmachen, damit sie ihren
Standpunkt ändern?

  
Prof. Yakov
Rabkin: 

Netanjahu
verlässt sich auf die Unterstützung der Hauptsponsoren an die Republikanische
Partei. Es ist daher zu erwarten, dass seine Glaubwürdigkeit in jenen Kreisen
und deren Medien aufrecht erhalten bleibt. Außerhalb dieser Kreise ist er aber
offensichtlich viel weniger glaubwürdig. Aber es geht nicht um seine
Persönlichkeit. Denn der politische Durchschnitt ist hinter ihm, wenn es darum
geht, sich dem Wiener Abkommen zu widersetzen. Und das ist ein Aspekt der  unaufhaltsamen Verschiebung der israelischen
Gesellschaft nach Rechts (
http://972mag.com/for-the-first-time-in-history-jews-can-take-part-in-war-from-home/109087/). Und dies führt zur wachsenden
Isolation Israels in der Welt, inklusive seiner Isolation von den Diaspora-Juden
in den wichtigsten Ländern.