General

Die jüdischen Terroranschläge schließen die Schlinge enger um die Palästinensische Behörde


Amira Hass أميرة هاس עמירה הס


Übersetzt von 
Ellen Rohlfs اِلِن رُلفس



Herausgegeben von 
Milena Rampoldi
 – 
Fausto Giudice Фаусто Джудиче فاوستو جيوديشي


Während
der ersten Intifada wagten es die Siedler nicht, Duma,  das Dorf des
tödlichen Brandanschlags am letzten Wochenende, zu betreten. Doch seit
zwei Jahrzehnten sind die Einheimischen schutzlos. 


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Die palästinensischen Mitglieder der nationalen Sicherheitskräfte von
Präsident Mahmoud Abbas nehmen an einem Training in Jenin im
Westjordanland teil, am 29. März 2012. AP 






In den Stunden nach dem Mord in Duma und während des Begräbnisses des
18 Monate alten Ali Dawabsheh teilten sich die geschockten Dorfbewohner
in zwei Lager: auf einer Seite standen diejenigen, die vom Erscheinen
der bewaffneten palästinensischen Sicherheitskräfte in Uniform empört
waren und auf der anderen diejenigen, die sie bemitleideten.

Mit ihren glänzenden Fahrzeugen konnten sie auf der Allonstraße in
das Dorf fahren (das sich im Bereich B unter vollständiger, israelischer
Sicherheitskontrolle befindet), ohne sich mit den israelischen
Verteidigungskräften abzustimmen.

Die palästinensischen Sicherheitskräfte umstellten die Moschee
während der Gebete, an denen der palästinensische Ministerpräsident Rami
Hamdallah teilnahm, vor der Beisetzung des kleinen verbrannten
Leichnams. Seinem Onkel Nasser zufolge hatte das Feuer Alis Hände und
Füße vollkommen verbrannt.

Die außergewöhnliche Präsenz der palästinensischen Sicherheitstruppen
wenige Stunden nach dem tödlichen Brandanschlag betonte ganz besonders
die Abwesenheit jedweden Schutzes nur 10 Stunden zuvor. Ihr kurzer
Auftritt brachte die Leichtigkeit zum Ausdruck, mit der die Mörder sich
nicht mit einem Haus am Rande des Dorfes begnügten: sie wagten selbst
ins Dorf einzudringen. Die Anwesenheit der bewaffneten und
herausgeputzten Truppe betonte nur die krankhafte Schwäche der
Palästinensischen Behörde.

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Er wurde lebendig verbrannt

Nach dem Internationalen Recht ist die IDF für die Sicherheit der
Palästinenser im gesamten besetzten Gebiet und nach den Oslo-Abkommen
mindestens in den B- und C-Gebieten verantwortlich. Aber ihre erklärte
Aufgabe und in der Tat ihre Praxis besteht im Schutz der Siedler und des
Siedlungsunternehmens.

Nach den von der Palästinensischen Behörde unterzeichneten Abkommen
ist es dieser untersagt, in den B- und C-Gebieten zu agieren und somit
ihre eigenen Bürger zu schützen. Falls private Bürger es wagen, eigene
Waffen zur Selbstverteidigung gegen die israelischen Angreifer zu
besitzen und zu nutzen, werden sie von den israelischen
Verteidigungskräften oder vom israelischen Geheimdienst Shin Bet
verhaftet.

Über die kleine Gruppe junger Leute, die mit der grünen Hamas-Flagge
zum Begräbnis kamen, bemerkte jemand zynisch: „Morgen werden sie im
Gefängnis der Palästinensischen Behörde landen.“ Und ein anderer fügte
hinzu: „Während der ersten Intifada wagte es kein einziger Siedler, das
Dorf zu betreten. Seit es die Palästinensische Behörde gibt, sind wir
ihnen schutzlos ausgeliefert.“

Ein Dritter brachte es auf den Punkt: „Die Sicherheitskräfte kamen,
um den Ministerpräsidenten Hamdallah zu schützen und nicht uns.“ Er
fügte noch hinzu: „Sie führen nur noch israelische Befehle aus“.

Diese waren die Gründe der Gegner der Palästinensischen Behörde, die
an diesem Tag von deren Sicherheitskräften angewidert waren, während die
Befürworter der Palästinensischen Behörde sie bemitleideten, weil sie
davon ausgingen, dass ihnen ihre Machtlosigkeit auch peinlich war.

Schließlich arbeiten ein paar Dutzend Dorfbewohner bei den
Sicherheitskräften. Die Verteidigung ihrer eigenen Häuser wird ihnen
aber untersagt.

Duma liegt in einer bestimmten Entfernung von den gewalttätigen
Außenposten des „Shiloh-Tales“, die in den vergangenen 15 Jahren und
auch schon früher das Leben von Dörfern wie Mughayer, Jalud, Kusra und
Krayut zum Alptraum machten. Mit Hilfe der IDF-Waffen vertreiben sie die
Leute von ihrem Land. Vor drei Jahren zündeten unbekannte Angreifer
Autos in Duma an und hinterließen Botschaften auf Hebräisch, so die
Dorfbewohner.

„Wir sind ein ruhiges Dorf. Wir machen keine Probleme“, meinten
einige. Viele arbeiten in den Siedlungen. Sa’ad Dawabsheh, Alis Vater,
der beim Brandanschlag schwer verletzt wurde (und inzwischen verstarb),
arbeitete in Nofim. Andere arbeiten in der Siedlung von Shiloh.
Broterwerb ist wie die eigene Sicherheit: dafür muss man selbst sorgen,
die Palästinensische Behörde kann nichts dafür.

Indem sie die vollkommene Unfähigkeit der Palästinensischen Behörde,
 ihre Bevölkerung  vor Angriffen jeder Art, der Armee und der Siedler,
inklusive der Verletzungen von Menschen und der Ernteschäden zu
schützen,  vertuschten, gaben einige Fatahmitglieder vor dem
Dawabsheh-Haus und auf dem Weg zur Beerdigung protzige Erklärungen ab.

„Wir alle sind schließlich der Widerstand (muqawama)“, meinte
einer. Ein anderer sprach von der Notwendigkeit einer nächtlichen
Nachbarschaftswache,  von der Fatah schon wenigstens seit 3-4 Jahren
redet.

Die leitenden Positionen der Sicherheitskräfte sind von
Fatah-Mitgliedern besetzt. Der Brandanschlag auf die Dawabsheh-Familie
stellt die Fatah, die de facto führende Partei in ihrer ganzen Schwäche
bloß. Die IDF und der israelische Geheimdienst Shin Bet loben die
Sicherheitskräfte der Palästinensischen Behörde dafür, dass sie
Terroranschläge auf Israelis zu verhindern helfen. Aber es wird ihr
untersagt, Terrorangriffe auf die eigene Bevölkerung abzuwehren. Und
ihre Kräfte verstecken sich in ihren Häusern und Büros, wenn IDF-Kräfte
in die Zone A eindringen, wo die Palästinensische Behörde eigentlich die
Polzeigewalt innehat.

Selbst wenn die Palästinensische Behörde hätte beweisen können, dass
die vor kurzem verhafteten Hamas-Mitglieder bewaffnete Angriffe gegen
Israelis planten und diese der palästinensischen Öffentlichkeit 
schadeten, so wäre das eine rein defensive Stellungnahme.

Die Palästinensische Behörde hält  sich gewissenhaft an die
Anweisungen des Oslo-Abkommens (das 1999 auslaufen sollte) und an dessen
wirtschaftlichen, Sicherheits- und territorialen Beschränkungen,
vertritt aber gleichzeitig die Meinung, dass die unaufhaltsame
Ausdehnung der Siedlungen eine grobe Verletzung desselben darstellt.

Jeder jüdische Terrorangriff (einschließlich Angriffe auf die Bauern
und die Früchte ihrer Arbeit)  zieht die Schlinge der Wut und  der
Verlegenheit um die Palästinensische Behörde enger. Irgendwann, auch
wenn es unmöglich ist, vorauszusagen, wann und wie, werden sich diese
Wut und  diese Verlegenheit auf die palästinensische Innenpolitik
auswirken.

Das israelische Regime zeigt sich plötzlich und selbstgerecht
schockiert über einen Mord, den es ermutigte, indem es frühere
Terroranschläge nicht verhinderte und die Angreifer unbestraft ließ.
Dies zeigt, wie stark Israel daran interessiert ist, dass die
Palästinensische Behörde genauso bleibt, wie sie ist.