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Sonntagspanorama von Claus Folger


Liebe Leserinnen und Leser,
1830 erreichte
Griechenland seine Souveränität. 185 Jahre haben den Griechen nicht
ausgereicht, ein flächendeckendes Kataster zu erstellen, also eine
Liegenschaftskarte sämtlicher Immobilien und Flurstücke eines Landes.
Cicero schreibt: „Bis heute beschäftigt
sich ein Heer von Rechtsanwälten, Notaren und Richtern mit Streitigkeiten um
Grund und Boden. Das Dickicht aus Besitztitel, Erwerb von Immobilien, Bau- und
Immobilienrecht ist so verworren wie die griechische Mythologie. Hinzu kommt
die enge Verflechtung von Politik, Wirtschaft und Kirche.“
Und innerhalb von fünf Tagen organisieren sie einen
Volksentscheid. Eine beachtliche Leistung, gerade wenn man bedenkt, dass der
Frankfurter Bürgerentscheid zum Erhalt der Pferderennbahn einen Vorlauf von
mehreren Monaten hatte.
Wenigstens ist der Abstimmungstext des heutigen
Referendums komplett sinnlos. Er heißt: „Muss der Entwurf einer Vereinbarung
von Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem
Währungsfonds akzeptiert werden, welcher am 25.06.2015 eingereicht wurde und
aus zwei Teilen besteht, die in einem einzigen Vorschlag zusammengefasst
sind?”
Das Angebot ist längst vom Tisch, Schnee von gestern.
Genauso sinnfrei könnte man die Griechen darüber abstimmen lassen, was man
letzte Woche gerne zu essen gehabt hätte oder welche Farbe der Mond haben soll?
Der wichtigste Karikaturist
Griechenlands, Arkas, schlägt folgende Frage für das griechische Referendum
vor: „Wie hoch ist das Pro-Kopf-Einkommen der Einwohner Ugandas? Ja oder Nein?“

Quelle: Süddeutsche Zeitung
Der amerikanische Geheimdienst hat, mit Hilfe seines
englischen Pudels, mindestens seit 1999 die Bundesregierung systematisch
ausgespäht. Ein Skandal!
Aber immerhin wissen wir aufgrund der abgehörten
Gespräche, dass „Angela Merkel noch am 11. Oktober 2011befürchtete, dass
Griechenland selbst bei einem weiteren
Schuldenschnitt nicht in der Lage wäre, seine Probleme zu überwinden, weil es
die übrigbleibenden Schulden nicht bewältigen könne. Mehr noch bezweifelte sie
auch, dass die Entsendung von Finanzexperten nach Griechenland besonders
hilfreich wäre, um das Finanzsystem dort unter Kontrolle zu bringen.“

Quelle: Die Süddeutsche Zeitung zitiert aus dem Abhörprotokoll.
In der Nacht zum 27. Oktober 2011 verständigten sich die
Staats- und Regierungschefs der EU auf einen Schuldenschnitt bei 50 %. Ein
x-tes Beispiel dafür, wie die Kanzlerin innerhalb kurzer Zeit geräuschlos
Positionen räumt, sich von einem breiten Strom wegspülen lässt, um sich
anschließend geschmeidig wie ein Aal in diesem Strom fortzubewegen.
Von ihr kommt aber auch das apokalyptische „Scheitert der Euro, dann scheitert
Europa“
, das sie in diesen Tagen wiederholte. Merkel kämpft bis zum Euro-Endsieg.
Merkel ist nach Schäuble der Deutschen Liebling.
Der US-Ökonom Paul Krugman weiß, wo der Hase langläuft.
Er sagt angemessen zynisch: „Das reale
Risiko für den Euro besteht darin, dass sich Griechenland ein oder zwei Jahre
nach dem Austritt wirtschaftlich erholt und das griechische Beispiel in der
Folge Schule macht.“
Ein Schwenk zu Bier und Buletten. Eine bekannte Berliner
Weissagung geht so: „Erst wenn der
letzte Späti (Spätverkaufsstelle, Anm. d. A.) aufgibt, der letzte Club
schließt, das letzte Scheißkind Finn Pablo Leopold heißt, werdet ihr merken,
dass es Stuttgart schon gibt.“
Quelle: Süddeutsche Zeitung
Die Erträge aus dem Rundfunkbeitrag für das Jahr 2014 sind
für Deutschlandradio, ARD und ZDF im Vergleich zu 2013 um knapp 10% auf einen
neuen Rekordstand von 8,324 Milliarden Euro gestiegen. Angesichts der fetten
Milliarden irgendwie komisch, aber: Der
Anteil dokumentarischer Sendungen am Gesamtprogramm ist in den letzten Jahren
kontinuierlich gesunken und dümpelt  im
einstelligen Bereich
. Die AG Dokumentarfilm / AG DOK, der große
Berufsverband der unabhängigen deutschen Dokumentarfilmschaffenden, rechnet mit
der ARD ab. http://agdok.de/de_DE/das-gebrochene-wort
Das schwarze Schaf der Woche
„Ich verstehe gut,
dass Bundeskanzlerin Merkel Europa in der jetzigen Krise nicht führen will. Zu
Recht. Denn der Versuch, Europa aus der Mitte und aus einer Hand heraus zu
regieren, ist das letzte Mal unter Karl dem Großen geglückt. Das war im Jahr
800 nach Christi Geburt. Das zweite Mal, unter Napoleon 1812, ist dieser
Versuch missglückt. Das dritte Mal, unter Adolf Hitler, ist er innerhalb
weniger Jahre schrecklich schief gegangen.“
Der große Weltendeuter Helmut Schmidt brabbelt in Der Zeit vor sich hin.
In einem etwas anderen Zusammenhang liefert der ehemalige
Direktor des Stockholmer Friedensforschungsinstituts, Walther Stützle, dagegen
einen fundierten historischen Abriss:
„Der Versuch, Russland aus Europa hinauszudrängen, muss aufgegeben werden. Er
ist unhistorisch, unvernünftig und trägt den Keim neuer Konflikte in sich.
Spätestens seit dem Wiener Kongress 1814 gehört Russland zu den anerkannten
Gestaltungsmächten Europas
; alle, die versucht haben, das gewaltsam zu
ändern, sind blutig gescheitert – zuletzt das größenwahnsinnige
Hitler-Deutschland, das 1941 mordend auszog, auch Russland zu unterwerfen (…)
In der Schlussakte
von Helsinki
von 1975 wie auch in der Charta
von Paris für ein Neues Europa
von 1990 ist Russlands Platz am
Vorstandstisch der für die Sicherheit in Europa Verantwortlichen ausdrücklich
anerkannt worden. Diese Rangordnung gilt es wieder herzustellen.“ Quelle: Publik Forum
Einerseits – . Andererseits ist Russland als Reaktion auf
die Sanktionen der Europäischen Union und der USA nach eigenem Verständnis nach
Asien aufgebrochen (Gründung der Eurasischen Wirtschaftsunion 2014, Gründung
einer eigenen Weltbank der Brics-Staaten usw.), es stieß aber auf dem
Petersburger Wirtschaftsforum Ende Juni auf wenig Resonanz. Die Zeit schreibt: „Als ein russischer Teilnehmer schwärmt, die neue Brics-Bank könne die
westlichen Institutionen endlich ersetzen, ärgert sich ein hoher Beamter aus
dem chinesischen Finanzministerium: ‚Wir schätzen diese Institutionen, wir
brauchen ihre Erfahrung, ihre Rechtsordnung, ihre Standards.‘
Und auf die
Behauptung eines russischen Dumaabgeordneten, die Brics seien die geopolitische
Antwort auf westliche Kriegsbündnisse, antwortet ein chinesischer
Wissenschaftler kühl: ‚Das ist ein rein ökonomisches Projekt.‘ Immer wieder
warnen Chinesen die russischen Teilnehmer, die neuen Bündnisse nicht zur
Gegen-Nato und Anti-EU aufzublasen: ‚Wir wollen wirtschaftliche Zusammenarbeit,
keine politische Allianz.‘“
Das weise Schaf der Woche
„Gelernt habe ich allerdings auch, dass
Integration dort
gelingt, wo die
heimische – also auf der Schule meiner Tochter: katholische und kölsche –
Kultur nicht schamhaft in den Hintergrund gerückt, sondern gepflegt und
selbstbewusst vertreten wird. Aus Furcht vor den Reaktionen muslimischer Eltern
nicht mehr Advent zu feiern, wie es in manchen Kindergärten und Schulen
geschieht, ist mit Sicherheit das falsche Signal. Es geht nicht darum, sich
selbst zu verleugnen, sondern den anderen zu achten. Wer sich selbst nicht
respektiert, kann keinen Respekt erwarten.“
Der Islamwissenschaftler und Schriftsteller Navid Kermani
berichtet in der Frankfurter Rundschau
über seine Erfahrungen mit der katholischen Schule in Köln, auf die seine
Tochter geht und deren Migrantenanteil bei über 50% liegt.
Quelle: faustkultur.de
Mein Lektüretipp
der Woche:
Vor 90 Jahren wurde Patrice Lumumba geboren http://www.jungewelt.de/2015/07-02/004.php
Claus Folger
Frankfurt am Main
Wie immer freut sich ProMosaik e.V. auf Ihre Kommentare an info@promosaik.com
dankend
Dr. phil. Milena Rampoldi von ProMosaik e.V.