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Die Verhaftung von Mohamed Mansour – unser Kommentar


Mohamed Mansour, der Star-Journalist des bekannten
arabischen Senders al-Jazeera wird in Berlin festgenommen, am Flughafen, als er
nach Doha zurückfliegen möchte. Die Zeitung „Der Spiegel“ spricht von einer
heiklen Angelegenheit. Das ist wohl untertrieben, wenn man an den vor kurzem
von Seiten des ägyptischen Diktators Abdulfattah al-Sisi denkt, der in Berlin
empfangen wurde, obwohl er ein Putschist ist, der in Ägypten mit Gewalt und
Unterdrückung der Meinungsfreiheit der Muslimbrüder herrscht. Die Zeitung NRHZ
spricht von der vierten Gewalt, die in Deutschland dem „nationalen“, von
Interpol in Zweifel gezogenen Haftbefehl des ägyptischen Regimes Folge leistet
und Mansour in Berlin-Tegel einfach festnimmt.
Seit dem Beginn dieser Schande
frage ich mich: was wäre, wenn Mohamed Mansour kein Star von al-Jazeera,
sondern ein einfacher engagierte Journalist einer kleinen Zeitung aus dem
Hinterland Alexandria wäre, der nach dem Putsch im Ausland lebt? Todesstrafen
werden im ägyptischen Regime vollkommen willkürlich verhängt, gegen Menschen,
die nach der gewaltvollen Absetzung des frei gewählten Präsidenten der
Muslimbruderschaft gezwungenermaßen zur Opposition und dann ungewollt zum
„Untergrund“ wurden.
 al-Sisi verteufelt die Muslimbruderschaft und ihre
Anhänger, verbietet ihre Partei, verurteilt Hunderte von Unschuldigen zum Tode,
führt eine Schulbuchreform ein, um das Regime zu rechtfertigen und dämonisiert
die Bruderschaft als Terrororganisation, die nicht Teil einer Demokratie sein
darf. Aber Demokratie weist etymologisch schon darauf hin, dass es sich um die
Beteiligung des Volkes an der Regierung eines Staates bedeutet. Und die
Muslimbruderschaft war seit ihrer Gründung durch Hassan al-Banna Ende der
1920er Jahre eine antikolonialistische und dann eine pädagogisch-soziale
Volkbewegung, die fortlaufend von den ägyptischen Diktaturen verfolgt wurde. 
Katar
ist das Golfemirat, das sehr viele Muslimbrüder aufgenommen hat und gilt daher
als der Sündenbock von al-Sisi in seinem blinden Feldzug gegen den Islam und
sein politisch-soziales Modell. Aber im Unterschied zu Al-Nasser geht es hier
nicht um die Bekämpfung einer anti-kolonialistischen, islamischen
Untergrundorganisation, die vom Volk als soziale Reformbewegung im Rahmen einer
Militärdiktatur willkommen geheißen wird, sondern wohl eher um das negative
Spiegelbild dessen. Denn in diesem Fall ging es um einen demokratisch gewählten
Präsidenten, Mohamed Morsi, der durch einen Militärputsch abgesetzt wurde und
dann von einer Diktatur verurteilt wurde. al-Sisi sucht natürlich zwecks
Legitimierung seiner Machtposition auch nach ausländischen Verbündeten. Will
Deutschland wirklich dazugehören? Ich hoffe nicht. 
Die Freilassung Mansours ist
ein positives, wegweisendes Symbol dessen, aber wir dürfen die Verhaftung des
Journalisten nicht vergessen. Denn in der arabischen Welt haben es sich die Deutschen
damit ganz arg verspielt. Die Freilassung des Journalisten ist ja nur ein
Funken Hoffnung nach einem fatalen Fehler der Bundesregierung, die dem
Haftbefehl eines Diktators blind Folge geleistet hat, und dies auch noch
schnell, effektiv und nach al-Sisis Staatsbesuch. Die Frage, warum Deutschland
dieser Diktatur hofiert, ist wohl nicht darin zu suchen, dass al-Sisi die
Region „stabilisiert“, indem er das Volk und seine islamisch-sozialen Ziele
begräbt, sondern wohl eher, wie in den meisten eklatanten Fällen der
Außenpolitik, auf wirtschaftliche Motive zurückzuführen. Ein Milliardengeschäft
für Siemens? 
Dass so wenig ausreicht, um Menschenrechtsverletzungen und
Diktatoren zu tolerieren? Ein Bild, das perfekt in die neokolonialistische
Ordnung des Nahen Ostens passt. Was aber noch dazukommt, sind die Scheinheiligkeit
und der doppelte Standard zum Thema Pressefreiheit. Islamfeindliche Redakteure
und Schriftsteller wie die von Charlie Hebdo oder Pamela Geller und Ayyan Hirsi
Ali dürfen alles, aber Ahmed Mansour gilt als ein Verbrecher, den man vorab in
Gewahrsam halten sollte. Die Pressefreiheit von al-Jazeera ist nicht dieselbe
wie die von Charlie Hebdo. Aber es gibt noch Menschenrechtsorganisationen und
einige wenige Politiker, die nicht wegsehen können.             
Al-Jazeera Journalisten fragen sich, warum das deutsche
Justizministerium so schnell auf die Anfrage eines diktatorischen Regimes wie
dem von Kairo reagieren konnte und Mansour auf die Liste derjenigen zu stellen,
die einfach in Haft kommen können, um sie dann nach Ägypten zu senden. Mansour
wurde in Ägypten in Abwesenheit verurteilt. Ägypten verstößt regelmäßig und
systematisch gegen die Menschenrechte. Im Bericht darüber vermutet al-Jazeera
auch ein islamophobes Motiv im Fall Mansour.
Eine Lobby, die im Ausland einen Journalisten zum Schweigen
bringen will, spielt hinter den Kulissen ein schmutziges Spiel, vor allem, wenn
es um Journalisten aus der arabisch-islamischen Welt geht. Verkauft Deutschland
wirklich ausländische Journalisten an Diktaturen, um große Verträge für Siemens
zu schließen? Wenn sich das bewahrheitet, dass eine solche Lobby am Werk war,
so ist das eine Schande für Deutschland und den Westen.
Demokratie und willkürliche Verhaftungen widersprechen sich
vollkommen. Ich wünsche mir, dass die deutschen Behörden sich bei den Muslimen
dafür entschuldigen. 
Deutschland hat ein Interesse, Ägypten in der Region zu
unterstützen, um islamfeindliche, volksfeindliche Tendenzen durchzusetzen. Steht
die Geldgier denn wirklich immer über den Menschenrechten? Der Westen muss
dafür sorgen, dass sich ein solcher Fall wie der von Mansour nicht mehr
wiederholt, so al-Jazeera, denn er ist der klare Ausdruck eines doppelten
Standards. Denn die Tatsache, dass Ahmed Mansour Muslim ist, hat sehr wohl mit
dem Fall zu tun. Mansour ist ein Fall von Mobbing, ein faschistischer Akt.
Diese ist Schlussfolgerung von al-Jazeera und auch meine. Denn Interpol hatte
gegenüber den deutschen Behörden klar geäußert, dass es sich um einen
nationalen und politisch bedenklichen Haftbefehl handelte. Ich hoffe
persönlich, dass Deutschland Mansour entschädigen wird und dringend umdenken
wird. Denn Demokratie und Diktator können keine Kooperationspartner sein, auch
nicht wenn es um Milliarden geht. Oder zweifeln Sie auch schon an der deutschen
demokratischen Ordnung, wenn es um muslimische Bürger geht?  
Wir freuen uns auf Ihre Kommentare hierzu an info@promosaik.com
Dankend
Dr. phil. Milena Rampoldi von ProMosaik e.V.  


Anbei ein aussagekräftiges Bild von spiegel.de: Mansour nach seiner Freilassung aus der deutschen Haft