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ProMosaik e.V. im Gespräch mit Frau Ingrid Rumpf von Flüchtlingskinder im Libanon e.V.


Liebe Leserinnen und Leser,
wir freuen uns sehr, Ihnen heute das Interview unserer Redaktion mit Frau Ingrid Rumpf des Vereins “Flüchtlingskinder im Libanon e.V.”.
Die Informationen über den Verein finden Sie hier:

ProMosaik e.V. freut sich, wenn Sie den Verein unterstützen.
Denn es liegt uns am Herzen, dass sich die Situation der vertriebenen palästinensischen Kinder im Nachbarland Libanon nachhaltig verbessert.
Danke!!!
Dr. phil. Milena Rampoldi – ProMosaik e.V. 

Dr. phil. Milena Rampoldi: Welche Hauptziele verfolgen
Sie mit der Libanonhilfe und warum?
Frau Ingrid Rumpf: Unser Motto „Eine Zukunft
für die Kinder Palästinas“ unterstreicht, dass es uns bei unseren Projekten um eine
langfristige und nachhaltige Verbesserung der Lage der palästinensischen
Flüchtlingskinder im Libanon geht. Unser Schwerpunkt liegt deshalb auf
Bildungs- und medizinischen Projekten, die vor allem Kindern und Jugendlichen
zugute kommen. Da für deren Entwicklung ein
gedeihliches Umfeld unerlässlich ist, finanzieren wir auch Projekte zur
Förderung, Aus- und Weiterbildung von Frauen und Mädchen.

Mit unseren Projekten möchten den sozialen Zusammenhalt in den
palästinensischen Flüchtlingslagern stärken und die Menschen in die Lage
versetzen, ihre Zukunft eigenverantwortlich und selbstbewusst in die Hände zu
nehmen.


Dr. phil. Milena Rampoldi: Wie sehr sind
die Schicksale der Länder Palästina und Libanon miteinander verbunden?
Frau Ingrid Rumpf: Schon allein durch die
mehr als 400.000 palästinensischen Flüchtlinge, die über 10% der libanesischen
Bevölkerung ausmachen, ist das Schicksal beider Länder seit 1948 auf besondere
Weise verknüpft. Zahlreiche Kriege mit Israel haben das auf traurige Weise
unter Beweis gestellt. Auch am 16-jährigen Bürgerkrieg im Libanon hatten die
Palästinenser einen erheblichen Anteil.




Dr. phil. Milena Rampoldi: Wie können wir
die Kinder in beiden Ländern am besten unterstützen? Was brauchen Sie am
meisten?
Frau Ingrid Rumpf: Das Wichtigste ist, den
Kindern die Rechte zu geben, die ihnen laut Kinderrechtskonvention zustehen.
Dazu gehört als erstes das Recht auf eine Staatsangehörigkeit, die ihnen einen
sicheren Platz in der Welt zuweist. Unabhängig davon steht ihnen das Recht auf
Gesundheit, soziale Sicherheit, Erziehung und Bildung, Freizeit und Erholung
zu. Diese Rechte müssen von uns für die palästinensischen Flüchtlingskinder
eingefordert werden. Solange die Rechte nicht auf politischer verantwortlicher
Ebene verwirklicht sind, müssen wir dafür sorgen, sie so weit wie möglich zu
umzusetzen.




Dr. phil. Milena Rampoldi: Wie wichtig ist
die Wanderausstellung über die Nakba und warum?
Frau Ingrid Rumpf: Wir halten es für unsere
Aufgabe, bei der Öffentlichkeit in Deutschland Verständnis zu wecken für die
Anliegen und berechtigten Erwartungen der Palästinenser und Palästinenserinnen,
für ihre Hoffnung auf eine selbstbestimmte und gerechte Zukunft. Verständnis
erfordert aber zuallererst Wissen, in diesem Fall das Wissen um die Nakba, die
Katastrophe, wie die Palästinenser ihre Flucht und Vertreibung von 1948 nennen.

In Israel werden die Ereignisse um 1948, die mit der
Ausrufung des israelischen Staates verbunden waren, als Wiedergeburt nach
zweitausendjährigem Exil und nach Jahrhunderte langer Verfolgung gefeiert. Den
überwiegenden Teil der Palästinenser haben diese Ereignisse dagegen zu einem
Volk von Flüchtlingen gemacht, die sich ihrer Heimat und ihres Besitzes beraubt
sehen, ohne Aussicht auf nationale Selbstbestimmung, geschweige denn auf
Entschädigung oder gar Rückkehr. Die aus der Ermordung von Millionen Juden im
Nationalsozialismus erwachsene deutsche Schuld hat dazu geführt, dass
Gesellschaft, Politik und Medien ganz überwiegend das israelische Verständnis
dieses Zeitabschnitts verinnerlicht haben. Dadurch wurde der Blick auf das Leid
des palästinensischen Volkes verstellt. Die Thematisierung der Flucht und
Vertreibung dieser Menschen, erst recht ihrer Forderungen nach Rückkehr und
Entschädigung, gilt bis heute vielfach als Tabubruch. Wir sind  überzeugt,
dass ohne die Kenntnis und ohne eine gebührende Anerkennung dieser Seite des
Konflikts Aussöhnung, Gerechtigkeit und Frieden im Nahen Osten keine Chance
haben werden. Mit unserer Ausstellung wollen wir hierzu einen Beitrag leisten.

Dr. phil. Milena Rampoldi: Wie wichtig ist
die Unterstützung der Kriegskinder in Nahost im Allgemeinen und welche sind die
wichtigsten Prinzipien Ihrer Arbeit mit den Flüchtlingen?
Frau Ingrid Rumpf: Angesichts der
politischen, wirtschaftlichen und sozialen Marginalisierung der Kriegskinder in
Nahost ist deren Unterstützung auf allen Ebenen unerlässlich, auch weil wir an
den Ursachen für diese Zustände erheblichen Anteil haben. Am Wichtigsten ist
es, für Frieden, Gerechtigkeit und Teilhabe zu sorgen und dies von der Politik
einzufordern. Gleichzeitig ist es unerlässlich, die Not vor Ort zu lindern und
die Menschen in einer eigenständigen, selbstbestimmten Entwicklung zu unterstützen.




Dr. phil. Milena Rampoldi: Was hat Ihr
Verein bereits erreicht und was wünschen Sie sich für die nächste Zukunft?
Frau Ingrid Rumpf: Wir haben in den fast 20
Jahren unseres Bestehens weit mehr 2 Millionen Euro für Projekte in den
palästinensischen Flüchtlingslagern im Libanon zur Verfügung stellen können und
damit Kindern, Jugendlichen und Frauen Zuversicht und Entwicklungschancen geben
können. Durch unsere Öffentlichkeitsarbeit, allen voran durch die
Wanderausstellung “Die Nakba – Flucht und Vertreibung der Palästinenser
1948” haben wir Zehntausenden Menschen den Nahostkonflikt und das
Verständnis für dessen historischen Kern näher bringen können. Da sie
inzwischen auch in französischer und englischer Sprache vorliegt, haben wir
über Deutschland hinaus auch Menschen in Frankreich, der Schweiz, Österreich,
Luxemburg, England und USA erreichen können.