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ProMosaik e.V. im Gespräch mit Dr. Bittner über den Ukraine-Konflikt


Liebe Leserinnen und Leser,
vor einigen Tagen hatten wir bereits die Rezension von Dr. Bittners Buch “Der Ukraine-Konflikt und die Strategie der USA, Eine Strategie der Destabilisierung, Eskalation und
Militarisierung am Beispiel der Ereignisse in der Ukraine
präsentiert.
Anbei der Link zum Nachlesen:
http://promosaik.blogspot.com.tr/2015/05/die-eroberung-europas-durch-die-usa.html
Es freut uns sehr, dass sich Herr Dr. Bittner zu einem Interview mit unserer Redaktion bereit erklärt hat.
Wir freuen uns auf Ihre Kommentare zu seinen mutigen Äußerungen an info@promosaik.com
Dankend
Dr. phil. Milena Rampoldi – ProMosaik e.V.  


Der
Ukraine-Konflikt und die Strategie der USA
Dr. phil. Milena Rampoldi: Warum ist es heute wichtig aufzuzeigen, wie der Ukraine-Konflikt ein Ergebnis
des US-Imperialismus ist?
Dr. Wolfgang Bittner: Ein großer Teil der
Bevölkerung ist durch die einseitige Politik und Berichterstattung zu Lasten
Russlands vollkommen indoktriniert. Viele Menschen sehen Russland inzwischen
als Feind und den Präsidenten Wladimir Putin als bösartigen Kriegstreiber an;
angeblich hat er den Ukraine-Konflikt zu verantworten. Obwohl zu Russland seit
mehr als zwei Jahrzehnten gute wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen
gewachsen waren, hat es die US-Regierung geschafft, Westeuropa erneut durch
einen „Eisernen Vorhang“ von Russland zu trennen und eine akute Kriegsgefahr in
Europa heraufzubeschwören. Das entspricht einer Langzeitstrategie, die zum
Beispiel der Präsidentenberater Zbigniew Brzezinski in seinem Buch „Die einzige
Weltmacht: Amerikas Strategie der Vorherrschaft“ schon 1997 genauestens
beschrieben hat.
Brzezinski: „Inwieweit die USA ihre globale Vormachtstellung geltend
machen können, hängt aber davon ab, wie ein weltweit engagiertes Amerika mit
den komplexen Machtverhältnissen auf dem eurasischen Kontinent fertig wird –
und ob es dort das Aufkommen einer dominierenden, gegnerischen Macht verhindern
kann.“
Für die einzige
Supermacht USA sei – so Brzezinski – Eurasien „das Schachbrett, auf dem sich
auch in Zukunft der Kampf um die globale Vorherrschaft abspielen wird“. In
diesem Kontext ist auch die Äußerung Henry Kissingers am 2. Februar 2014 in
einem CNN-Interview zu sehen, wonach der Regime Change in Kiew sozusagen die
Generalprobe für das sei, „was wir in Moskau tun möchten“.
Noch deutlicher wird einer der Bellizisten der Republikaner, George
Friedman. Er ist Direktor des einflussreichen
US-Think Tanks
STRATFOR (Strategic Forecasting Inc.) und sagte am 4. Februar 2015 am Chicago
Council on Global Affairs: „Das Hauptinteresse der US-Außenpolitik während des
letzten Jahrhunderts, im Ersten und Zweiten Weltkrieg und im Kalten Krieg,
waren die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland. Weil sie vereint die
einzige Macht sind, die uns bedrohen kann. Unser Hauptziel war,
sicherzustellen, dass dieser Fall nicht eintritt.“ Die Hauptsorge der USA sei –
so Friedman –, dass „deutsches Kapital und deutsche Technologie sich mit
russischen Rohstoff-Ressourcen und russischer Arbeitskraft zu einer
einzigartigen Kombination verbinden.“ Diese „deutsch-russische Kombination“
werde dadurch verhindert, „dass die USA ein ‚Cordon Sanitaire‘, einen
Sicherheitsgürtel um Russland herum aufbauen“.
In der Tat zeichnet
sich mehr und mehr die aktuelle Strategie der westlichen Allianz unter Führung
der USA ab, Russland als Machtfaktor in der internationalen Politik
auszuschalten und durch Wirtschaftssanktionen, Beeinflussung der Kapital- und
Energiemärkte sowie die aufgebürdeten Kosten für Nachrüstung zu ruinieren. Ganz
offensichtlich ist das Ziel, Osteuropa einschließlich Russland den westlichen Kapitalinteressen
aufzuschließen und den imperialen Zielen der USA unterzuordnen. Wer sich nicht
beugt, wird bekanntlich entweder bombardiert oder ruiniert. (Antiamerikanismus?
Es gibt keine kollektive Identität!)
Dr. phil. Milena Rampoldi: Warum sprechen Sie hinsichtlich der Ukraine von einem „Jahrhundertdesaster“?
Dr. Wolfgang Bittner: Es geht in erster Linie
um das Verhältnis Westeuropas zu Russland. Falls es wieder zu einer
Verständigung kommt, was zu wünschen ist, wird es Jahre, wenn nicht Jahrzehnte
dauern, bis erneut ein Vertrauensverhältnis hergestellt werden kann. Was da
geschehen ist und weiter geschieht, ist unverantwortlich. Die Ukraine-Krise ist
nachweislich eine jahrelang vorbereitete Inszenierung des Westens; das habe ich
in meinem Buch „Die Eroberung Europas
durch die USA
“ eingehend dargestellt. Jetzt stehen sich in der Ukraine zwei
Atommächte gegenüber und wir haben seit Mitte 2014 eine hochgefährliche Situation
in Europa, was die Mehrheit der Bevölkerung kaum zur Kenntnis nimmt, da sie
nicht darüber aufgeklärt wird.
Dr. phil. Milena Rampoldi: Welche Aufgabe haben wir als Intellektuelle heute, die Wahrheit zu verbreiten?
Dr. Wolfgang Bittner: Es ist existenziell
wichtig, dass den Kriegsvorbereitungen (Nato-Speerspitze, provokative Manöver, Stationierungen
von immer mehr Militär und schweren Waffen an den Grenzen Russlands etc.) und
einer gezielten Kriegshetze Einhalt geboten wird. George Friedman sagt: „Die
Vereinigten Staaten kontrollieren aus ihrem fundamentalen Interesse alle Ozeane
der Welt; keine andere Macht hat das jemals getan. Aus diesem Grund
intervenieren wir weltweit bei den Völkern, aber sie können uns nicht
angreifen. Das ist eine schöne Sache.“
Welch eine Anmaßung,
welch eine unglaubliche Hybris! Die Bevölkerung muss über solche wahnsinnigen
Vorstellungen US-amerikanischer Politiker und über die wahren Hintergründe der
weltweiten Konflikte und Kriege aufgeklärt werden. Da die Politiker das nicht
tun und die bürgerlichen Medien das in ihrer Mehrheit verhindern, müssen neue
Wege zur Verbreitung der Fakten und verbrecherischen Strategien beschritten
werden, unter anderem durch das Internet. Ich kann mich des Eindrucks nicht
erwehren, dass wir mehr und mehr von der realen Idiotie umgeben sind, und wenn
wir dem nicht begegnen, geht unsere Welt zugrunde.
Dr. phil. Milena Rampoldi: Welches Spiel spielen die deutschen Medien in diesem schmutzigen Konflikt?
Dr. Wolfgang Bittner: Die Medien nehmen schon
des Längeren ihre Aufgabe als „vierte Gewalt“ im Staat nicht mehr wahr. Dazu
gibt es wissenschaftliche Untersuchungen (z.B. Uwe Krüger: „Meinungsmacht“ oder
Daniele Ganser: „Nato-Geheimarmeen in Europa“), wonach viele der maßgebenden
Politiker und Journalisten den vom US-Außenministerium, der CIA oder sonstigen
interessierten Organisationen und Konzernen initiierten Think Tanks nahestehen
oder angehören, was gravierende Folgen für die europäische Politik und
Medienberichterstattung hat.
Dr. phil. Milena Rampoldi: Welche Zukunft bzw. Lösung sehen Sie für die Ukraine heute?
Dr. Wolfgang Bittner: Innerstaatliche
Konflikte wie zwischen der Kiewer Regierung und den Aufständischen in der
Ostukraine (die sich nicht von einer Ihnen feindlich gesinnten Kamarilla
regieren lassen wollten) können nicht mit militärischen Mitteln gelöst werden.
Es sind Tausende umgekommen, mehr als eine Million Menschen geflüchtet, Städte
und Dörfer im Donbass zerstört. Das ist ein ungeheures Verbrechen, und die
dafür verantwortlichen Kiewer Politiker gehören vor den internationalen
Strafgerichtshof.
Da eine Aussöhnung der Bevölkerung
nach allem, was geschehen ist, in absehbarer Zeit nicht mehr stattfinden kann,
sehe ich als Lösung des Problems ein föderatives System für die Ukraine mit
weitgehender Selbständigkeit der ostukrainischen Gebiete. Dazu bedürfte es in
dieser Frage direkter Verhandlungen mit den Separatisten, was unter der durch
Putsch an die Regierung gelangten Kiewer Politiker (sie haben 2014 eine
gewählte Regierung gestürzt) bisher nicht geschieht.
Dr. phil. Milena Rampoldi: Wie sehr hat der US-Imperialismus heute mit den Waffenlobbys zu tun und wie
wenig mit der Verbreitung der sogenannten US-Demokratie? 
Dr. Wolfgang Bittner: Der
„militärisch-industrielle Komplex“, hinter dem die Wirtschaftseliten
insbesondere in den USA, aber auch in der EU stehen, hat überhaupt nichts mit
demokratischen Verhältnissen gemein. Die Vertreter der Erdöl- und
Waffenindustrie kennen keine Skrupel, sie gehen für ihre Interessen über Leichen,
auch im eigenen Land. In den USA herrschen katastrophale Verhältnisse, und
spätestens nach dem 11. September 2001 ist eine Schranke der
Rechtsstaatlichkeit gefallen. Die US-amerikanische Gesellschaft ist zerrüttet,
ihre Regierung schon lange nicht mehr in der Lage, Wohlstand für die Mehrheit
zu schaffen und Gerechtigkeit für alle möglich zu machen. Die Politiker in den
USA sollten endlich ihr eigenes Land als Interventionsfall erkennen, statt
überall in der Welt Chaos und Unglück zu verbreiten.