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Leserbrief von Abraham Melzer an die FAZ vom 22.05.2015


Bis auf weiteres ohne Juden

Die Juden in Frankfurt, aber
es gilt auch für die Juden in ganz Deutschland, sind wohl irgendwann und
irgendwo in der Zeit vor der Aufklärung und der Französischen Revolution stehen
geblieben. Der Verdienst der Aufklärung und  insbesondere der Französischen Revolution war
immerhin der, dass man auch in Europa anfing zwischen Staat, also Politik, und
Kirche, also Religion, zu unterscheiden.
Darauf basiert auch unser
Grundgesetz, der ja für alle Deutsche gilt, aber offensichtlich für die Juden
und deren Zentralrat nicht. Sie, die Juden, können nicht nur nicht „zwischen
Politik und Religion nicht trennen“, sie identifizieren sich auch mit dem Staat
Israel, der für sie „der jüdische Staat“ ist und wenn dieser Staat kritisiert
wird, was für diese Juden „beschimpft“ heißt, dann heißt es „sind auch wir
Frankfurter Juden gemeint.“
Dazu passen die Worte von
Erzbischof Tutu: „Hütet euch vor Antisemitismus und allen anderen Formen von
Rassismus, aber hütet euch auch genauso davor, zum Schweigen gebracht zu werden
von jenen, die euch wegen der Kritik an der unterdrückerischen Politik Israels
als Antisemiten abstempeln wollen.“
Quelle: badische Zeitung
Insofern stimmt was Ünal Kaymakci
vom Vorstand des „Rat der Religionen“ in Frankfurt entgegnet, dass der Vorwurf
seitens der jüdischen Gemeinde „infam“ sei. Ich würde noch hinzufügen, dass er
dumm und für die Juden kontraproduktiv sei. Immerhin steht der Entschluss der
Jüdischen Gemeinde ihre Mitgliedschaft im Rat ruhenzulassen, seit August 2014.
Eine Kritik des
völkerrechtswidrigen Krieges des Staates Israel (und nicht der jüdische Staat),
ist keine Kritik am Judentum und auch kein Zeichen für Antisemitismus. Immerhin
leben in Israel mehr als 25% Nichtjuden und Israel ist auch ihr Staat. Und es
sollte auch nicht vergessen und unterdrückt werden, dass selbst unter den
jüdischen Bürgern des Staates der völkerrechtswidrige Krieg Kritik verursacht.
Noch ist diese Kritik möglich, aber schon melden sich Koalitionspartner von
Benjamin Netanjahu, die solche Kritik verbieten möchte und die (jüdischen)
Kritiker als Landesverräter beschimpft. Wir erleben es diese Tage mit den
Organisatoren der „Breaking the Silence“ Ausstellung in Zürich, die in der
rechten israelischen Presse als Landesverräter und Antisemiten diffamiert
werden. 

Es ist höchste Zeit, dass
auch die Juden in Deutschland im 21. Jahrhundert ankommen. Dazu gehört, dass
sie sich auch harte Kritik an der Politik des Staates Israel anhören müssen,
ohne gleich die Antisemitismus-Keule, die sie offensichtlich immer im Gepäck
haben, hervorzuholen. Der Frankfurter Rat der Religionen hat einen Ruf. Zu
diesem Ruf gehört, dass sich der Rat von Anfang an al ein Forum verstanden hat,
in dem auch harte Auseinandersetzungen möglich sein können. Die Jüdische
Gemeinde macht aber daraus einen „Kindergarten“ und spielt die Beleidigten,
obwohl es gar nicht um sie ging und geht, sondern um einen souveränen Staat,
dessen Bürger zwar zu ¾ Juden sind, der aber 4000 Kilometer von Frankfurt
entfernt liegt.
Wenn die Frankfurter Juden
aber den Dialog verweigern und alle Muslime für eine Kritik an Israel
verantwortlich machen, zumal die Kritik berechtigt war, dann sollte der Rat der
Religionen so viel Mut und Stolz haben und auf die rückwärtsgewandten Juden
verzichten.
Abraham Melzer
Den Rat der Religionen Frankfurt finden Sie hier:
http://rat-der-religionen.de/
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Dankend
Dr. phil. Milena Rampoldi von ProMosaik e.V.