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ProMosaik interviewt die Bundestagsabgeordnete Annette Groth von Die Linke

Liebe Leserinnen und Leser,

anbei ein wichtiges Interview mit der Bundestagsabgeordneten Annette Groth von die Linke.

Wer diese engagierte und realistische Frau noch nicht kennt, findet hier einige Informationen über sie:

http://www.annette-groth.de/
https://www.bundestag.de/bundestag/abgeordnete18/biografien/G/groth_annette/258370

Annette Groth ist für mich persönlich sehr mutig, wenn es um Palästina geht.
Sie setzt sich für die Menschenrechte in Palästina ein und plädiert dafür, dass über Palästina gesprochen wird.

Wir haben Frau Groth über den Nahostkonflikt befragt. 
Und über all das, was damit zusammenhängt.

Wir freuen uns auf Ihre Kommentare hierzu.

dankend

Dr. phil. Milena Rampoldi von ProMosaik e.V.

Bevor ich Frau Groth das Wort übergebe, möchte ich Ihnen noch diese beiden Photos zeigen, die mir Frau Groth zugesendet hat.

Hierzu schreibt Frau Groth:

Hier ein Photo in der
frz. Fussballzentrale in Paris, als ich am 15.9. mit Frz. AktivistInnen die Verhaftung von pal. Fussballern verurteilt habe und Israels Rausschmiss von der
FIFA verlangte
.


Hierzu schreibt Frau Groth:
Das ist wohl das Beste, wg dem
TShirt!
Neben mir Ronnie Kasrils, ehemaliger südafrikanischer Minister für
Nachrichtendienste und aktiver Palästina-Aktivist, 1.11. 2014 in Paris, großes
Kulturfest  in Solidarität für Palästina mit 6000 Leuten!

 

 


Dr. phil. Milena Rampoldi: In welchem Rahmen kann die Partei
„Die  Linke“ heute zum Aufbau des
palästinensischen Staates beitragen?
Frau Annette Groth: Wir können eigentlich gar nichts
beitragen. Da sind andere Akteure, die dies tun müssen.
Was wir aber machen können: wir können den Antrag zur
Anerkennung des palästinensischen
Staates stellen. Und was auch sehr wichtig ist: wir können
die Diskussion anstacheln und befördern,
damit die Menschen über Palästina sprechen und die Probleme
kennenlernen. Das Schweigen über die
täglichen Menschenrechtsverletzungen in Palästina
und in Gaza ist einfach schrecklich. Wie lange das noch so weitergehen 
kann, wird man sehen. 

 
Dr. phil. Milena Rampoldi: Wie wichtig ist eine schnelle
Lösung des Konfliktes zwischen Israel und
Palästina und warum?
Frau Annette Groth: Das ist ja selbstredend. Wenn die Situation so bleibt, sagt Uri
Avnery voraus, dass sich diese Länder selbst abschaffen.
Die gesamte Region ist ein Pulverfass. Hier müsste  der 
UN‐Sicherheitsrat dringend einschreiten.
Die Menschenrechtsverletzungen, die Israel gegen die
Palästinenser begeht,
sind so immens, dass ein sofortiges Handeln unabdingbar ist.
In diesem Zusammenhang möchte ich auf den 
doppelten Standard bei den Menschenrechten hinweisen, der von Vielen zu
Recht kritisiert wird.   Ich kann mir
kein Land vorstellen, dass ein anderes überfällt so wie Israel letzten Sommer
den Gaza-Streifen kaputt gebombt hat und es kein großes Geschrei gibt. Als Putin
sich die Krim „einverleibt“  hat, wurde
es mit Sanktionen bestraft. Und Israel…?
Dr. phil. Milena Rampoldi: Was möchten Sie den Kindern in
Gaza sagen?
Frau Annette Groth: Ich werde alles versuchen und tun, was
in meinen Kräften steht, damit die
Kriegsverbrecher vor den Internationalen Strafgerichtshof in
Den Haag gestellt werden.
Das muss die internationale Gemeinschaft machen, die es den
Menschen in Gaza schuldig ist. Wir haben schon zu lange schweigend zugesehen.
Das muss aufhören.
Die Menschenrechtsverletzungen der Israelis gegenüber der  palästinensischen Bevölkerung müssen auch in
unseren Medien angeprangert werden, aber da ist leider weitverbreitetes
Schweigen.
Um den Druck auf die israelische Regierung zu erhöhen und
mehr Diskussionen in unseren Medien zu initiieren, bin ich für die sofortige
Aussetzung des EU‐Israel‐Assoziierungsabkommens. Denn Artikel 2 verpflichtet alle
Vertragspartner zur Einhaltung der Menschenrechte, die ja seit Jahren mit den
Füßen getreten werden.  Letztes Jahr
haben 63 ParlamentarierInnen des Europäischen Parlaments diese Forderung nach
Aussetzung des Abkommens erhoben und einen entsprechenden Brief an die
EU-Kommission geschrieben. Viele Palästina-Solidaritätsgruppen in Europa haben
sich dieser Forderung angeschlossen und sammeln dafür Unterschriften. Leider
ist insbes. in Deutschland  diese
Initiative noch nicht sehr bekannt, aber ich werbe immer dafür und fordere die
Suspendierung des Assoziierungsabkommens schon seit langem. Dass das Aussetzen
eines Assoziierungsabkommens aufgrund anhaltender Menschenrechtsverletzungen
möglich ist, zeigt das Bespiel Sri Lanka. 
Das EU-Abkommen mit Sri Lanka wurde einige Jahre ausgesetzt, weil die
Regierung nichts gegen die massiven 
Menschenrechtsverletzungen der Tamilen unternommen hat.
Also nochmal, ich möchte den Kindern in Gaza sagen, dass ich
ein sofortiges Ende der Blockade  von
Gaza fordere, wie es der Bundestag bereits 2010 beschlossen hat. Nach dem  Angriff der israelischen Armee  auf die Free Gaza Flotille, an der ich
teilgenommen habe, mit 9 Toten und vielen Schwerverletzen  waren auch die  deutschen PolitikerInnen geschockt und haben
einmütig einen Antrag verabschiedet, der die Aufhebung der Blockade Gazas
fordert.  Leider ist dieser Antrag weithin
unbekannt und ist letztendlich auch erfolglos geblieben, weil  die 
Blockade noch immer besteht und für furchtbares Elend unter der
Bevölkerung verantwortlich ist. Kein im Sommer 2014 zerstörtes Haus konnte
wieder aufgebaut werden, weil es an allen Materalien fehlt, die die israelische
Regierung zurückhält. Es ist eine furchtbare Tragödie, weil die meisten
Menschen keinen Zugang zu sauberem 
Trinkwasser haben, in zerstörten Häusern vegetieren etc.  Das muss sich ändern.Wir müssen  die deutsche Öffentlichkeit über diese
krassen Menschenrechtsverletzungen aufklären und unsere PolitikerInnen
auffordern, endlich Druck auf ihre israelischen Freunde auszuüben, damit sie
ihre menschenverachtende Politik ändern.
Dr. phil. Milena Rampoldi: Wie wichtig ist die Bündelung
aller pazifistischen Kräfte beider Seiten
zwecks Aufbaus eines langfristigen Friedens?
Frau Annette Groth:  Das ist natürlich ganz wichtig. Ich sehe aber
große Probleme auf die Menschenrechts- und Friedensgruppen zukommen. Wenn der
neue Gesetzesentwurf durchkommt, den Nethanjahu 
jetzt von der Knesset verabschieden will,  könnte das 
den Tod für viele NGOs bedeuten. 
Denn die israelische Regierung will den  Menschenrechtsgruppen in Israel verbieten, Gelder
von befreundeten Organisationen wie z.B. Medico aus dem Ausland anderen Ländern
für ihre Arbeit anzunehmen. Wenn die Friedensorganisation Gush Shalom von Uri
Avnery oder  die Coalition gegen
Häuserzerstörung von Jeff Halper keine Finanzspritzen mehr erhalten, wird ihr
Aktionsradius sehr eingeschränkt. Gegen  einen
solchen Gesetzesentwurf muss man auch im Ausland kämpfen. Wir müssen Israel
klar machen: Wenn ihr das macht, verliert ihr auch unsere Unterstützung. 
Dr. phil. Milena Rampoldi: Wie sieht Ihre politische Utopie
für Nahost aus?
Frau Annette Groth: Die Zweistaatenlösung, die auch von der
deutschen Linken propagiert wird,  ist  fast
nicht mehr möglich, wenn man sich die Landkarte Palästinas anschaut. Das Land
ist zerstückelt wie ein Schweizer Käse. Landwirtschaftliche zusammenhängende
Flächen sind durch Strassen oder Zäune getrennt, Wasserbrunnen auf
palästinensischem Gebiet zerstört usw. Nur wenn Palästina ausreichend und
gerecht verteilte Ressourcen  wie Wasser-
und Bodenrechte erhält, könnte er als Staat lebensfähig sein. Da bin ich
allerdings skeptisch. 
Dr. phil. Milena Rampoldi: Wie sehen Sie den Wahlsieg von
Netanyahu?
Frau Annette Groth: Zu diesem Thema möchte ich auf den
besten Artikel verweisen, den ich darüber
gelesen habe, und zwar auf den Artikel vom Spiegel von Nir
Baram, einem in Jerusalem geborenen
Schriftsteller, mit dem Titel: „Das Gift hat gewirkt“.
Hier finden Sie auch ein Interview von Nir Baram:
http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/sonntag/sonntags‐interview/interview‐mit‐nir‐baram‐
israel‐ist‐die‐blase‐tel‐aviv‐ist‐authentisch/7791358.html
Ein Auszug des Artikels findet sich hier:
https://magazin.spiegel.de/digital/?utm_source=spon&utm_campaign=inhaltsverzeichnis#SP/2015/
13/132696545
Kurzum möchte ich zum Artikel von Baram Folgendes sagen:
Netanyahu hat die Wahl gewonnen,
weil er die Palästinenser unsichtbar gemacht hat. Die Hauptthemen waren wohl der Krieg um die Macht, die
verräterische Linke, Liebermans Hetze gegen die arabischen Israelis. Aber vor allem hat es Netanyahu
geschafft, die Israelis von ihrer Opferrolle zu überzeugen, ganz nach dem Motto: Die ganze  Welt ist gegen uns… Wir haben Angst, usw. 
Es gab sehr viele rassistische Ausfälle und sogar
Morddrohungen gegen unliebsame Journalisten wie Gideon Levy oder Amira Hass,
die z.B. den Krieg gegen Gaza kritisiert haben wie auch die
Menschenrechtsverletzungen gegenüber den Palästinensern. Das sollte wie die
absolute Rechtswendung der israelischen Gesellschaft auch uns beunruhigen.