General

Claus Folger: Religion und Wahnsinn im Abendland (Teil 1)


Oder: „Wehe denen, die ein Haus nach dem
anderen an sich bringen, die alle Äcker aufkaufen, bis gar kein Platz mehr für
andere da ist und sie allein die Besitzer des Landes sind.“ Jesaja 5,8

https://occupiedpalestine.files.wordpress.com/2013/06/israel-palestine_map_19225_2469.jpg
Einleitung: Jahrhundertelang
galten Juden in Europa als verworfenes Volk und
wurden von der
christlichen Gemeinschaft in Ghettos isoliert. Man warf ihnen vor, Schuld am
Tod Jesu Christi zu sein und ihn als den Messias abzulehnen. Ausschwitz
veränderte alles. Jesus Christus ist jetzt König der Juden und versammelt
zusammen mit dem Gott des Alten Testaments sein auserwähltes Volk in dem Land
Israel. Christentum und Judentum sind nun eins.
Menschen gibt es so allerdings nur in Währungspaaren. Ist eine
Menschengruppe auserwählt,  dann ist eine
andere automatisch verworfen. Ein bloßer Rollentausch für eine Gruppe verändert
also nichts an der Gesamtkonstellation. Die Spieler tauschen lediglich ihre
Trikots. Es läuft das gleiche Spiel, nur dass jetzt die anderen die Tore
kassieren, sprich: die neuen Fußabtreter der westlichen Wertegesellschaft sind.
Mein Text ist bei den Menschen, die seit Jahrzehnten in den Ghettos des
besetzten palästinensischen Landes als eingeschlossenes Volk dahinvegetieren.
Er entfaltet sich Abschnitt für Abschnitt und wechselt dabei zunehmend von der
lokalen auf die globale Ebene. Am Ende des zweiten Teils ist bei dem Leser
idealerweise ein rundes Bild entstanden.

Der Exodus 
Aus
der Angst heraus, nach der Staatsgründung zu einem Land ohne Volk zu werden,
beschloss der junge Staat Israel, Einwanderer aus islamischen Staaten zu
gewinnen.
„Mit dem Jemen schloss Israel ein Abkommen über die Auswanderung
der Juden. Sie wurden zum Exodus überredet, indem man in diesen sehr
ungebildeten Menschen messianische Hoffnungen weckte. So glaubten viele, dass
es sich bei Israel um ein neues Königreich Davids handele, weil der
Regierungschef David Ben Gurion heiße. Die jemenitischen Juden wurden mit einer
Luftbrücke nach Israel gebracht, wobei sie die weißen Flugzeuge für die ‚fliegenden
weißen Esel des Messias‘ hielten“, schreibt Buchautor Arn Strohmeyer auf dem Palästina Portal.
Gott ist tot

Der Antichrist
Aber gibt es hier etwas zu lachen? Glauben heute nicht
sehr viele (evangelikale) Christen, dass mit der Errichtung des Staates Israel
die Endzeit angebrochen ist und die Rückkehr der Juden nach Israel das
unmittelbar bevorstehende Kommen Christi anzeigt?
In einer „normalen“ christlichen Buchhandlung in der
Innenstadt frage ich, ein Protestant, nach Büchern zu Israel und stelle mit
Schaudern fest, dass in diesen die Moslems im Nahen Osten grundsätzlich als
Antichristen dargestellt werden, die in einer Art endzeitlichen Kampf
niedergerungen werden müssen. Groß-Israel
als unverhandelbare Gottesgabe? Wenn man traditionelle Reiseliteratur außen vor
lässt, sind christliche Bücher zu Israel schlicht widerlich! 
Der Wunderprediger
Reinhard Bonnke, der afrikanische Wunder- und
Massenprediger, hat seinen großen Auftritt in der Frankfurter Festhalle. Die
Frankfurter rollen mit ihren Rollstühlen in die Festhalle rein und wieder raus.
In Frankfurt gibt es heute Abend keine Wunder! Reinhard Bonnke ist der Kopf des
Missionswerks von Christus für alle
Nationen
, das seinen Europasitz in dem Stadtteil Bornheim hat. Sein Ziel
ist es, Afrika zu erretten. Der CfaN-Website ist zu entnehmen, dass das
Missionswerk seit dem Jahr 2000 mehr als 58 Millionen Afrikaner zu Jesus
führte.
Auf der CfaN-Facebookseite vom 12.01.15 heißt es: „Les
die Bibel! Gott schuf die erste freie Nation, die es je auf der Erde gegeben
hat: Israel; Er möchte das Gefühl der Freiheit in deine Seele legen. Gott
widersteht der Tyrannei. Das Evangelium macht uns zu freien Söhnen Gottes. Gott
segne dich. REINHARD BONNKE.“
Die israelische Mauer/ Sperranlage, hinter der die
Palästinenser/Muslime wie Indianer in Reservate  zusammengepfercht werden, hat eine Länge von
ca. 760 km.
Quelle: bonnke.net
God’s own country
Das Haus Metanoia
im Stadtteil Nordend leistet als Einrichtung der Evangelischen Allianz Frankfurt Herausragendes für Drogenabhängige.
In einem Infobrief lässt die engagierte Drogenhilfe kurz nach der Gaza-Bombardierung
2014 – als der Besatzer Israel sich selbst verteidigte und 17000 Hektar
Agrarland der Besetzten verwüstete ­– überraschend die israelische Aktivistin
Christy Anastas zu Wort kommen. Sie verteidigt den Bau der Mauer/Sperranlage
und erklärt, „dass Gott das Land Israel seinem Volk als Zeichen seines ewigen
Bundes gegeben hat, und es wird Zeit, dies zu akzeptieren.“ Friedrich
Meisinger, der dem Zentrum für Suchttherapie vorsteht und es gleichzeitig als
Pfarrer begleitet, veranstaltet den Bibelkreis „Messianische Juden“. Seine kolossalen
Predigen über das „jüdische Volk“ kenne ich.
Der Endkampf
Aus dem Umfeld der Evangelischen
Allianz Frankfurt
, einem Zusammenschluss von aktuell ca. 50 (unabhängigen)
Gemeinden und Freikirchen in Frankfurt am Main, kommt auch die Frankfurter
Pediga-Organisatorin Heidi Mund. Nach eigener Aussage sprach Gott im Januar
2006 in Jerusalem zu ihr über Frankfurt. Ihr Auftrag ist es, in Zusammenarbeit
mit engagierten Christen im Rhein-Main-Gebiet „den Thron Gottes in Frankfurt
aufzurichten und die Stadt mit dem Wort Gottes zu füllen, damit Menschen zur
Erkenntnis der Wahrheit, die Jesus Christus selbst ist, kommen.“
Sehen Sie ein Video von der letzten Fragida-Demonstration
am 26.01.15. Ein Freund aus Israel hetzt gegen die Minderheit (ca. 5 % in
Deutschland) der Muslime. Heidi Mund ist kurz mit einer Israel-Deutschland-Fahne
zu sehen:
https://www.youtube.com/watch?v=90jcFnRYQRw

Armageddon
Rudi Pinke leitete 14 Jahre als Pastor das Christliche
Zentrum Frankfurt (CZF) – eine junge Freikirche, die sich sehr für ihre
Mitmenschen engagiert –,bevor „ihm Gott den Startschuss für eine neue
geistliche Herausforderung gab“. Er gründete “Father’s House Ffm
e.V.”, um „durch geistliche Elternschaft Menschen in ihre Berufung hineinzuführen
und sie im Glauben des ‚geliebt seins‘ freizusetzen.“ Nur so sei das „in
Christus“ leben möglich. Um den Lesern seiner Website in der Nachfolge Jesu Christi
zu helfen, bietet er Texte an, in denen er sich unter anderem in geschichtstheologisch-biblischen
Endzeitprophetien ergeht. Aktuell ordnet er Israels 6-Tage-Krieg 1967 als
Befreiung ganz Jerusalems ein und stellt nach mehreren Blutmonden, Mond- und
Sonnenfinsternissen schließlich die Frage in den Raum, was uns Gott durch die
Ereignisse (Gazakrieg?) im Jahre 2014 sagen möchte. Früher besuchte ich einen
Haus/Gebetskreis unter seiner Leitung.
Beten für den
Untergang
Ich nahm auch oft am Gottesdienst des Christlichen Zentrums Frankfurts teil.
In Gesprächen mit Gemeindemitgliedern war es in keinster Weise vermittelbar,
dass Israel ein ausgeprägter Apartheidstaat, ein Relikt aus dem 19. Jahrhundert
ist, der Hochzeit europäischen Imperialismus und Kolonialismus. Im Gegenteil:
Die Gemeinde betet zweimal im Monat für Israel, „weil wir als Christen von Gott
dazu den Auftrag haben.“ Dieser selbst auferlegten Pflicht liegt die in
christlichen Kreisen weitverbreitete Vorstellung zu Grunde, dass das heutige
Jerusalem Zion ist. Der politische
Journalist Arn Strohmeyer schreibt hierzu auf dem Palästina Portal: „Der Begriff Israel ist religiös so mystifiziert,
dass in kirchlichen Kreisen immer noch der Glaube existiert, man könne eine
direkte Anknüpfung vom Alten Testament zum heutigen Israel herstellen. ‚Die
Juden sind ja das Volk Gottes!‘ hört man Christen oft argumentieren.“ Der
israelische Historiker Shlomo Sand formuliert hart, aber angemessen in seinem
Buch Die Erfindung des Landes Israel:
„Ungeachtet aller Sympathiebekundungen unterscheidet sich die unter
christlichen Zionisten vorherrschende Wahrnehmung der Juden nicht grundsätzlich
von der Haltung der Antisemiten. Zwar lassen sich viele feine Unterschiede
unter den Evangelikalen und sonstigen Protestanten erkennen, doch teilen sie
alle eine eindeutig essentialistische und ethnozentrische, von Vorurteilen nur
so strotzende Einstellung gegenüber den Juden und ihrer angeblichen
Machtstellung in der Welt.“
Der Armeedienst
Gottes
Das evangelische Frauenbegegnungszentrum am Römerberg hat
die palästinensische Christin Sumaya Farhat-Naser eingeladen. Die
Wissenschaftlerin arbeitet als Friedensvermittlerin im Westjordanland und
stellt ihr neues Buch „Unter dem Feigenbaum“ vor. Ich bewundere den Lebensmut
dieser Frau, die seit Jahrzehnten unter der israelischen Besatzung leidet. Am
schlimmsten seien die zionistischen Christen, sagt sie. Sie hätten allein in
Jerusalem sieben missionarische Zentren. Mit großem Erfolg würden sie den Menschen
beibringen, dass die Politik Israels – Landraub, Vertreibung und Entrechtung
der Araber – dem Willen Gottes entspricht.
Wie israelische Politiker das Alte Testament in die
Gegenwart zoomen, um die Geschichte Gottes mit „seinem Volk“ weiterzuführen,
darüber schreibt Shlomo Sand in Die
Erfindung des Landes Israel
: „In nicht allzu ferner Vergangenheit wurde
ausgerechnet das Buch Josua von breiten zionistischen Kreisen, deren
prominentester Vertreter sicherlich David Ben-Gurion war, allen anderen
biblischen Büchern vorgezogen, und das, obwohl viele Intellektuelle seit den
Tagen der Aufklärung sich wegen der in ihm geschilderten Vernichtungsaktion
(besser: „Vernichtungsgebot“, Anm. d. A.) vom Buch Josua distanziert haben. Die
Geschichte der Besiedlung und Rückkehr des „Volkes Israel“ in sein verheißenes
Land hauchte den Gründervätern des Staates Begeisterung und Tatendrang ein, sie
stürzten sich regelrecht auf die inspirierenden Analogien zwischen der
biblischen Vergangenheit und der nationalen Gegenwart.“ Der Autor verweist
anschließend auf die hohe Präsenz des Buches Josua in der heutigen
jüdisch-israelischen Gesellschaft.
Viele Juden in Israel leben in einer vormodernen
Glaubenswelt, wie es sie in Deutschland zuletzt vor Martin Luther gegeben hat. Sumaya
Farhat-Naser sagt in Bezug auf ihre alltäglichen Erfahrungen unter der
Besatzung: „Was früher der Kommunismus war, ist heute die Religion!“
Pflugscharen zu
Schwertern
Christliche Zionisten rennen in Israel offene Türen ein.
Laut der letzten Umfrage des Israelischen Demokratie-Instituts (IDI) von
Oktober 2013 (also vor dem Gazakrieg, Anm. d. A.) unterstützen 57,7 Prozent der
jungen jüdischen Israelis (Alter 18-24) eine „sanfte ethnische Säuberung“,
sprich eine Regierungspolitik, die arabische Israelis zur Auswanderung drängt.
Die Rechtsfaschisten in der Knesset lieben übrigens die Internationale Christliche Botschaft
Jerusalems (ICEJ)
, die für zionistische Christen die Funktion eines
Brückenkopfs hat. Hier bedankt sich der amtierende Ministerpräsident Benjamin
Netanjahu persönlich bei dem Missionszentrum für die „Freundschaft und
Großzügigkeit während der Militäroperation Fels in
der Brandung
“ im Sommer 2014: http://int.icej.org/sites/default/files/en/pdf/international_christian_embassy_jerusalem.pdf
Die
Staatsterroristen
Israelische Rechtsfaschisten und christliche Zionisten
verfolgen exakt die gleiche Ideologie: Sie nehmen das Alte Testament als
Grundbuch für den Staat Israel, was bedeutet, dass das heutige Israel die in
der Bibel beschriebenen Landesgrenzen einzunehmen hat. Es gibt in Israel praktisch
keinen einzigen Tag, an dem nicht israelische Panzer Häuser von Palästinensern/Muslimen
planieren.
Nach Amos Oz, einem israelischen Schriftsteller,
Journalisten und Mitbegründer der politischen Bewegung Peace Now, „sind die Wurzeln von Groß-Israel in der Likud-Partei und deren historischen Vorläufern
zu suchen – also unter säkularisierten jüdischen Nationalisten.“ Die
Likud-Partei ist in Israel so regelmäßig an der Macht wie Bayern München
Deutscher Meister wird, ohne die Idee von Eretz
Israel/Groß-Israel
ein einziges Mal wirklich aufgegeben zu haben. Unter Eretz Israel verstehen Zionisten im
Prinzip ganz Palästina. Auf offiziellen israelischen Landkarten gibt es das
besetzte Westjordanland  nicht mehr. Es
ist bereits als israelisches Staatsgebiet ausgewiesen.

Kalifat des
Schreckens
Wie viele Millionen Christen und Juden gibt es wohl
weltweit, die ihren Glauben nicht religiös-spirituell begreifen, sondern
ethnozentrisch-territorial, indem sie aus Mitgliedern der jüdischen
Religionsgemeinschaft aus unterschiedlichen Nationen, bzw. aus sich selbst, ein
jüdisches Volk machen und es an einen bestimmten Landstrich auf dieser Erde
binden?
Das Douglas
E. Goldman Jewish Genealogy Center
http://www.bh.org.il/databases/jewish-genealogy/ in Tel Aviv gibt Besuchern „die
Möglichkeit ihre Abstammung zu erforschen, ihre eigenen Familienbäume für
zukünftige Generationen aufzuzeichnen und zu bewahren, indem sie ihren eigenen
Zweig dem Familienbaum des „jüdischen Volkes“ hinzufügen.“ Bereits 5 Millionen
Personen seien in der expandierenden Datenbank aufgenommen worden. Die
Vorstellung, dass es sich bei Juden um Religionsangehörige  und nicht um Stammesmitglieder handelt,
scheint in der jüdischen Welt nicht allzu weit verbreitet zu sein, wenn man
bedenkt, dass es weltweit nur ca. 14 Millionen Juden gibt. Und ich dachte
immer, die wesentliche Konsequenz aus der Zeit des Nationalsozialismus ist die für
alle verpflichtende Überzeugung, dass Juden nicht anders sind.
Israel wird zunehmend zu einem christlich-jüdischen
Terror-Kalifat! Ähnlich wie bei dem Islamischen
Staat
ergeht der Ruf an alle Gläubigen/Juden – über die Nationengrenzen
hinweg – zur wahren Religion/Judentum/Israel zurückzukehren.
Nach Einschätzung von Menschenrechtsorganisationen werden
in Israels Gefängnissen aktuell Tausende von Palästinensern/Muslimen gefoltert.