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ProMosaik interviewt die Initiative Salaam Schalom


Liebe
Leserinnen und Leser,
Shalom
und Salam an alle,
wir freuen uns heute sehr,
Ihnen das Interview mit Herrn
Iddo Bet-Hallahmi von der Initiative
Salaam-Schalom aus Neukölln vorstellen zu dürfen.
Unsere
Fragen an Herrn Iddo Bet-Hallahmi betrafen die Möglichkeiten des Dialogs
zwischen Juden und Muslimen und die gemeinsame Arbeit im Widerstand gegen die
Diskriminierung der religiösen Minderheiten in Deutschland. Aber er hebt auch
die Unzulänglichkeiten eines interreligiösen Dialogs hervor, der nur das Ziel
verfolgt, Gemeinsamkeiten hervorzuheben, denn die Konflikte bleiben.  

Auf
der Seite beschreibt die Initiative ihre Ziele wie folgt:

Salaam-Schalom ist eine interkulturelle Initiative, die im Dezember 2013 von
Neuköllnern gegründet wurde – seitdem sind viele neue Mitglieder aus der ganzen
Stadt hinzugekommen. Sie steht für ein friedliches Zusammenleben und
Solidarität in Neukölln, Berlin und darüber hinaus, und fördert das mit
unterschiedlichen Aktionen und Projekten, die auf gesellschaftliche und
juristische Ausgrenzungen in der Gesellschaft aufmerksam machen.

Salaam-Schalom wurde von Neuköllnern, Muslimen, Juden und anderen errichtet
als Reaktion auf die öffentliche Statements von einem Rabbiner, die Neukölln
als „No-go-Area“ für Juden bezeichnet haben, wegen der hohen Anzahl von
Muslimen. Stigmatisierungen, die zu Misstrauen und Spannungen führen möchte
SaSha auflösen. Berlin und Neukölln sind eine No-Go-Area für Rassismus und
Xenophobie.

Sie ist gesellschaftspolitisch engagiert, aber parteiunabhängig.

Wir
freuen uns sehr auf Ihre Kommentare hierzu
Dankend
Dr.
phil. Milena Rampoldi
Redaktion
von ProMosaik e.V.
Nun
möchte ich Herrn
Iddo Bet-Hallahmi für seine Zeit danken und ihm das
Wort überlassen.

ProMosaik e.V.: Wie können Juden und Muslime gemeinsam in
Deutschland der Diskriminierung religiöser Minderheiten entgegenwirken?
Herr
Iddo Bet-Hallahmi: Die erste
Frage und schon eine sehr wichtige. Gemeinsam weiß ich nicht, wie diese zwei
Gruppen dagegen kooperieren sollten, aber lassen Sie mich mal vorab einen
kleinen, aber prinzipiellen Schritt vorschlagen. Ein gemeinsames Ziel, das man
sich mit Sicherheit setzen kann, besteht in der Erweiterung dieser Erkenntnis,
dass jede Diskriminierung, die sich gegen eine bestimmte Gruppe richtet, in der
Zukunft auch gegen die andere gerichtet werden könnte. Ich finde es auch
künstlich, die Frage nur auf die Diskriminierung religiöser Minderheiten zu
beschränken. Meiner Meinung nach soll diese Verantwortlichkeit weiter ausgedehnt
werden. Wenn jemand aus den genannten Gruppen die Diskriminierung der LGBT
erträgt, so rechtfertigt er auch seine eigene.

ProMosaik e.V.: Wie kann man im interreligiösen Dialog die
Gemeinsamkeiten betonen, um das Zusammenleben der Religionen zu fördern?
Herr
Iddo Bet-Hallahmi: Bei
einem interreligiösen Dialog werden normalerweise die Gemeinsamkeiten allen sehr
deutlich, und das gilt auch für den interreligiösen Dialog mit den Christen.
Das kann man sich auch leicht vorstellen, da diese drei Religionen alle zu
einem Stamm gehören und dieselbe monotheistische Wurzel aufweisen. Daraus
folgen für mich zwei weitere Fragen. Die erste lautet: wie kommt man dazu, dass
ein solcher Dialog überhaupt existiert? Für mich ist es schwer, diese Frage zu
beantworten, da es wahrscheinlich um einen Zusammenhang mehrerer Elemente geht.
Eines sind kleine interreligiöse Veranstaltungen in der Gemeinschaft, so wie
sie, die „Salaam Schalom“ Initiative ab und zu organisiert. Aber die Medien,
die eigentlich dazu aufgerufen wären, einen positiven Beitrag zu leisten,
entscheiden sich regelmäßig dafür, ein einseitiges Bild jeder Gruppe zu zeigen
und entfremden somit die jeweilige Gruppe. Dann kommt die zweite Frage: was
machen wir mit den Unterschieden? Denn Zusammenleben muss man letztendlich auch
mit dem Unterschiedlichen.

ProMosaik
e.V.:
Viele Rabbiner äußern sich zu den großen Gemeinsamkeiten zwischen
Judentum und Islam. Welche Gemeinsamkeiten zwischen den beiden monotheistischen
Religionen sehen Sie?
Herr
Iddo Bet-Hallahmi: Da wird die Frage schon etwas problematisch. Wenn man den
Islam mit dem Judentum vergleichen möchte, muss man sich zunächst fragen „Was
ist Islam?“ sowie „Was ist Judentum?“. Es gibt natürlich viele begriffliche und
konzeptuelle Gemeinsamkeiten, die ich sofort nennen kann und die wahrscheinlich
auch richtig sein können, zum Beispiel der Glaube an einen einzigen,
unfassbaren und transzendentalen Gott, der die Welt im Ganzen schuf. Die
arabische und hebräische Sprache sind verwandt. Es gibt auch ähnlich klingende
religiöse Begriffe. Ich sehe doch keinen Sinn darin, dass man diese
Gemeinsamkeiten aufzählt. Das ist offensichtlich sehr schön zu beobachten, aber
mehr ist das nicht. Denn es gab schon immer und es gibt immer noch ungeheuerlich
blutige Kämpfe zwischen Gruppen, die einem externen Beobachter fast ähnlich
aussehen, und zwar auch innerhalb einer selben Religion. Auch die Christen
würden das Christentum nicht als eine Wesenseinheit ansehen. Genau diesbezüglich
spricht man in der jüdischen Tradition von den „siebzig Gesichtern der Tora“.

ProMosaik e.V.: Welche Strategien finden sich, um den
Menschen den Unterschied zwischen Judentum und Zionismus zu erklären?
Herr
Iddo Bet-Hallahmi: Das Judentum ist eine Religion, die in ihrer heutigen Form
schon seit fast 2000 Jahren existiert. Den Zionismus gibt es hingegen seit
knapp mehr als einem Jahrhundert. Es stimmt schon, dass die jüdische Tradition
und Geschichte mit dem Land Israel verbunden sind, aber zur Zeit der
Tempelzerstörung hatten die Juden eine urwichtige Entscheidung getroffen, und
zwar die, sich aus der ortsabhängigen Praktik zu scheiden. Das ist auch der
Hauptgrund, wofür das Judentum immer noch existiert, und zwar unabhängig davon,
ob es ein Tempel gibt oder nicht und ob man im Land Israel lebt oder nicht. Und
denjenigen, die diesen Unterschied nicht erfassen, hilft keine mir bekannte Strategie.
Wir stehen vor der Herausforderung zweier Aspekte, die diese Verwirrung nur
noch intensivieren möchten: einerseits der Antisemitismus, der die Juden als
eine gefährlich bis tödliche Weltmacht ansieht. Und nun, wo die Juden einen
Staat haben, möchten die Antisemiten, dass Juden und Staat EINES werden. Und
auf diese Weise sieht es so aus, als hätten die Antisemiten ihren Beweis, immer
schon im Recht gewesen zu sein. Aber ein Staat ist letztendlich nichts anderes
als ein Machtapparat per Definition. Das zweite Problem ist die zionistische
Bewegung an sich. Seit der Gründung des Staates hat sich ihr Ziel verändert: anstatt
ein nationales Heim für das jüdische Volk im Lande Israel zu sein, strebt sie
nur mehr an, den Staat zu unterstützen. Der Zionismus ist daran interessiert,
so viele Juden wie möglich an diese Ideologie zu binden. Der Zionismus wird als
eine EINHEIT, als ein WESEN genutzt: so behauptet z.B. Netanjahu, er würde als
der Beschützer aller Juden sprechen. Und dann ist es egal, ob er eine Seite des
Zionismus repräsentiert oder eine andere. Erst nachdem man die Gründe dieser
Verwirrung verstanden hat, kann man sich auf die Suche nach Lösungsstrategien
machen.


Quelle:
veteranstoday.com
ProMosaik e.V.: Wie können sich beide Religionen gemeinsam
von der Gewalt distanzieren und für den Frieden im Nahen Osten arbeiten?
Herr
Iddo Bet-Hallahmi: Der Konflikt im Nahen Osten ist gar kein religiöser
Konflikt, sondern ein nationaler mit religiösen Elementen. Und die Religionen
haben deswegen keine Macht, um ihn zu lösen. Nicht unter dem Mantel der
Religion. Des Weiteren muss sich nicht die Religion von der Gewalt
distanzieren. Die Menschen müssen dies tun. Juden und Muslime haben
Jahrhunderte lang zusammengelebt, und in der Regel auch in Frieden. Die goldene
Zeit des Judentums war die unter der islamischen Herrschaft. Und keine der
beiden Religionen sieht die Gewalt als Pflicht oder als Ehre an.

ProMosaik e.V.: Welche Strategien eignen sich am besten, um
in Deutschland zu zeigen, dass Judentum und Islam zu Deutschland gehören?
 
Herr
Iddo Bet-Hallahmi: Ich entschuldige mich dafür, dass ich so pedantisch bin,
aber als Jude, der in Deutschland lebt, besteht mein Ziel nicht darin, irgendjemanden
davon zu überzeugen, dass das Judentum zu Deutschland gehört. Ich meine auch, dass
es nicht dazu gehört. Aber das Judentum existiert in Deutschland, und das ist
eine Tatsache. Die Juden, die hier leben, tun dies weder um die deutsche
Gesellschaft noch die deutsche Kultur zu bereichern. Dieses Land ist der
jüdischen Religion egal. Damit möchte ich sagen, dass das Judentum nicht dazugehört.
Die einzige Entscheidung, die man in diesem Rahmen treffen kann, besteht darin,
sich zu fragen, ob man selbst als Person zu Deutschland gehört oder nicht, und
dies geschieht unabhängig von der Religion. Und womit hängt das
Zugehörigkeitsgefühlt eines Menschen zu Deutschland zusammen? Es hängt von der
allgemeinen gesellschaftlichen Atmosphäre ab, vom subjektiven Gefühl, das diese
Zugehörigkeit definiert. Und wir arbeiten daran, um dieses Zugehörigkeitsgefühl
zu stärken.