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ProMosaik e.V. interviewt MuslimStern

Liebe Leserinnen und Leser,
vor einigen Tagen bin ich auf die Facebook-Seite Muslimstern
aufmerksam geworden, die sofort meine volle Aufmerksamkeit erhielt. Ich finde,
dass die Islamophobie bzw. Islam- und Muslimfeindlichkeit wie sie sich heute in
Europa manifestiert sehr große Ähnlichkeiten mit dem Antisemitismus aufweist.
Daher habe ich das Programm und die Ziele von Muslimstern sofort als genial
empfunden.
Antisemitismus, Stigmatisierung jüdischer Mitbürger,
Genozid…. All dies wird sich wiederholen, wenn wir nicht erkennen, wie schlimm
die Lage in einer demokratischen Rechtsordnung im Moment ist. Denn diese
demokratische Rechtsordnung kippt um, wenn religiöse Minderheiten Ziel von
Anschlägen sind… damals wie heute…
Im Sommer hatte ich schon mal 2 Fotos verglichen: die
verbrannte Synagoge in Hanau 1938 und die verbrannte Moschee in Berlin 2014…
Als Übersetzerin des Buches von Dr. Ineke van der Valk der
Universität Amsterdam über die Islamfeindlichkeit in Holland habe ich mich sehr
lange mit dem Phänomen der Islamophobie auseinandergesetzt, das jetzt nicht
mehr auf die Angst der Bürger, sondern auf einen wahren Hass gegen die
muslimischen Mitbürgerinnen und Bürger zurückzuführen ist.
Als konvertierte Muslimin und vor allem als Frau stehe ich
für die Religionsfreiheit nach Koran 2:256 und als überzeugte Monotheistin
bekämpfe ich auch jegliche Form von Antisemitismus, obwohl ich gleichzeitig und
gerade deshalb sehr Israel-kritisch bin, weil der Zionismus meiner Meinung nach
sehr stark den Antisemitismus fördern, den ich hingegen kategorisch als
Diskriminierung einer religiösen Minderheit bekämpfe.
Anbei finden Sie die Beschreibung von Muslimstern und dann
meine Fragen an die Betreiber dieser sehr hilfreichen Seite in so schwierigen
Zeiten voller PEGIDA und Anschlägen gegen Moscheen und gegen muslimische
Mitbürger. Ich denke seit 5 Jahren immer an Marwa, die sterben musste, weil sie
Muslimin war… Aber sie starb in einem deutschen Gericht, und das ist eine
Schande.
Und gegen diese Schande müssen wir alle gemeinsam ankämpfen…
Juden und Muslime gemeinsam, wie Dr. Schuster des Zentralrats der Juden so
schön sagte.
Wir freuen uns auf Ihr Feedback hierzu.
Dankend
Dr. phil. Milena Rampoldi
Redaktion von ProMosaik e.V.


 
Anbei die Selbst-Beschreibung von Muslimstern:
Muslimstern versucht auf die zunehmende Islam- und
Muslimfeindlichkeit in Deutschland aufmerksam zu machen.
Wer sich schon einmal in Bezug auf Holocaust an
Juden die Frage gestellt hat “Wie hat das damals alles angefangen?”,
der hat aktuell die einmalige Chance es live zu erleben.

Ähnliches passiert gerade einer anderen religiösen
Minderheit in Deutschland- den Muslimen. Große TV-Sender und Gazetten,
hochrangige Politiker, Künstler und Intellektuelle, rechtsradikale Fanatiker
und Hooligans, sie alle sind auf dem Zug der Islamfeindlichkeit gesprungen und
betreiben seit Jahren Propaganda und Hetze gegen die muslimische Minderheit.

Ausgrenzungen, Diskriminierungen, Beleidigungen und
sogar tätliche Angriffe auf Muslime gehören mittlerweile genauso zum Alltag wie
Terroranschläge auf Moscheen und muslimische Einrichtungen.

In Anbetracht der geschichtlichen Hintergründe
Deutschlands fühlen wir Muslime uns nicht mehr sicher in diesem Land.

Dies soll auch ein Aufruf an alle Nichtmuslime
sein, die sich gegen Rassismus, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und
Islamfeindlichkeit einsetzen.

Wir dürfen nicht zulassen, dass in Deutschland die
Geschichte sich wiederholt. Schon jetzt laufen gewalttätige Nationalisten aus
der rechtsextremistischen Szene auf den Straßen und wollen Muslime jagen.
Zahlreiche Foren und Blogs sind voll mit islam- und muslimfeindlichen
Beiträgen. Rechte Parteien sprießen wie Pilze aus dem Boden und gewinnen immer
mehr Zuspruch bei der Bevölkerung. Tausende Menschen versammeln sich, um gegen
eine vermeintliche “Islamisierung” Deutschlands zu demonstrieren.
Nicht selten werden sie dabei gewalttätig.

Wie soll das weiter gehen und wohin soll das alles
führen? Sind religiöse Minderheiten noch geschützt in diesem Land? Sind unsere
Kinder hier sicher? Was für eine Zukunft werden sie haben? Was ist mit unseren
Töchtern, die Kopftuch tragen, weil sie ihre Religion praktizieren wollen?
Werden sie eines Tages auch Opfer der Islamfeindlichkeit wie unsere verehrte
Schwester Marva el-Sherbini, die von einem Islamhasser brutal ermordet wurde,
während sie schwanger war und ihr fünfjähriger Sohn alles mit ansehen musste?

Möchte man etwa wieder Ghettos schaffen? Schärfere
Gesetze und Entrechtung? Boykott? Einen MuslimStern? Pogrome? Deportierung?
Oder gar Genozid?

Das soll ein Aufruf an alle Muslime und
Nichtmuslime sein sich uns anzuschließen auf das wir gemeinsam unsere Stimme
gegen Islamfeindlichkeit, Rassismus und Hass erheben und ein Zeichen setzen. Es
kann nicht sein, dass in Deutschland wieder einmal eine religiöse Minderheit
dermaßen diskriminiert und dämonisiert wird! Das ist blanker Hohn gegenüber all
den Opfern des Nationalsozialismus und eine Schande für Deutschland!

Nun möchte ich gerne Herrn
Azizullah von MuslimStern das Wort geben.

Quelle: bpb.de
ProMosaik e.V.:
Muslimstern sieht sich als eine Seite der Warnung, damit
sich die Geschichte nicht wiederholt. Wie würden Sie Ihre Ziele und Ihre
Bemühungen beschreiben?
Mansur Azizullah:
Unser Ziel ist es die Menschen darauf aufmerksam zu machen, dass in
Deutschland Diskriminierung, Diffamierung und Dämonisierung einer religiösen
Minderheit wieder salonfähig geworden ist. Heute sind es nicht nur
rechtsextreme Parteien wie NPD oder Pro-NRW, die gegen Islam und muslimische
Minderheit Hetze und Propaganda betreiben. Auch anerkannte Politiker, Vertreter
der Medien oder Intellektuelle nehmen mittlerweile kein Blatt vor dem Mund, um
gegen die muslimische Minderheit zu agitieren. Wir haben nichts gegen
Diskussionen oder Kritik, aber wenn kontinuierlich aus allen Seiten gegen eine
bestimmte Minderheit polemisiert wird, dann kann man zumindest davon sprechen,
dass hier die Meinungsfreiheit missbraucht wird, um gegen eine religiöse
Minderheit Hetze und Propaganda zu betreiben. Nehmen wir doch als Beispiel die
Debatte um „Burka-Verbot“. Es gibt in jüdischen Kreisen Frauen, die auch so was
wie eine „Burka“ tragen. Auch bekannt als „Frumka“. Kein Politiker in
Deutschland würde sich trauen hier von „Frumka-Verbot für jüdische Frauen”
zu sprechen. Ich habe in Deutschland keine jüdische Frau gesehen, die „Frumka“
trägt, aber ich habe auch keine muslimische Frau gesehen, die „Burka“ trägt.
Burka ist eine Bekleidungsart, die hauptsächlich Frauen in Afghanistan tragen.
Was soll also dieses Gequatsche von Burka-Verbot? Was will man damit erreichen?
Wenn so eine Hetzkampagne gegen Muslime betrieben wird, dann sollen sich die
Herrschaften auch nicht wundern, wenn wir sagen, dass hier wieder Zustände
herrschen wie wir sie schon aus der Vergangenheit kennen. Wir dokumentieren
fast täglich islamfeindliche Aktionen in Deutschland und im deutschsprachigen
Raum. Moscheen werden angezündet und muslimische Bürger werden auf offener
Straße attackiert. Was muss denn noch alles geschehen, damit man merkt, dass
hierzulande bewusst oder unbewusst eine anti-islamische und anti-muslimische
Kampagne betrieben wird?





ProMosaik e.V.:
Welche Ähnlichkeiten sehen Sie zwischen Antisemitismus und
Islamophobie und welche sind die Unterschiede?
Mansur Azizullah:
Den Begriff „Islamophobie“ benutzen wir ungerne, da wir der Meinung
sind, dass er die Wirklichkeit nicht richtig beschreibt. Wir sprechen von
 „Islam- und Muslimfeindlichkeit“ Wenn eine Gruppe von Nationalisten
versucht eine muslimische Frau auf offener Straße mit dem Auto zu überfahren
oder wenn Kinder in einer muslimischen Kindertagesstätte mit Pfeffer-Spray
angegriffen werden und sie deswegen keine Luft mehr bekommen und ohne
Behandlung sterben würden,  dann ist das nicht bloß eine Phobie, sondern
ganz klar Feindschaft und Hass, was diese Menschen in sich tragen. Und hier
kann man klare Ähnlichkeiten zum Antisemitismus erkennen. Worin sich
Antisemitismus von Muslimfeindlichkeit unterscheidet? Einige Menschen
relativieren die Muslimfeindlichkeit, indem sie behaupten, dass Muslime
Terroranschläge verüben und das sei der Grund, warum einige Menschen so
aggressiv reagieren. Nun, während der Zeit des Nationalsozialismus gab es auch
Juden die Terroranschläge verübt haben. Ich erinnere an den jüdischen
Attentäter Herschel Grynszpan, der am 7. November 1938 in Paris ein Anschlag
auf den deutschen Diplomaten Ernst vom Rath verübte. Dies nutzten damals die
Nazis dafür, um noch mehr Hetze und Propaganda gegen Juden zu betreiben. Auch
wurde damals behauptet “Juden seien eine Gefahr für Europa und für die
Welt”, man sprach von „Weltjudentum“, heute spricht man von „Islamisierung
des Abendlandes“. Den einzigen Unterschied zwischen Antisemitismus und
Islamfeindlichkeit sehe ich nur in der Religion. Damals waren es die Juden und
heute sind die Muslime. 
Näheres über Herschler Grynszpan finden Sie hier:


Quelle:
migazin.de
ProMosaik e.V.:
Wie können sich alle Monotheisten heute vereinen, um gegen
die Diskriminierung der Muslime in Deutschland anzukämpfen?
Mansur Azizullah:
Wissen Sie, als im Jahr 2000 einige Synagogen in Lübeck, Erfurt oder
in Berlin angegriffen wurden, da haben Vertreter der Kirchen, Vertreter der
Muslime, der Bundeskanzler Schröder persönlich, und viele andere Menschen zu
einer Kundgebung gegen Rassismus und Antisemitismus gerufen. Über 200.000
Menschen sind am 9.11.2000 auf die Straße gegangen und haben ein Zeichen
gesetzt. Heute gibt es fast täglich Angriffe gegen Muslime und muslimische
Einrichtungen. Die 200.000 Menschen sehen wir aber nicht auf der Straße.
Natürlich haben viele Vertreter der Kirche und der Zentralrat der Juden sich
klar positioniert, aber wir müssen verstehen, dass es allen voran unsere eigene
Aufgabe ist sich für unsere Interessen einzusetzen und für unser Recht zu
kämpfen. Als die Juden während des Nationalsozialismus entrechtet und verfolgt
wurden, gab es einige Vertreter der Kirche, die dies kritisiert haben, aber es
waren auch viele, die sich dem Diktat des Staates unterworfen haben.
Ein Beispiel wäre die Essener Erklärung gegen Antisemitismus und
Islamfeindlichkeit.



ProMosaik e.V.: Wie schwer sehen Sie die Diskriminierung der
muslimischen Frau in Deutschland und in welcher Hinsicht?
Mansur Azizullah:
Diskriminierung der muslimischen Frauen kann überall beobachtet
werden. Wenn eine muslimische Frau gezwungen wird in der Arbeit ihr Kopftuch
auszuziehen, oder wenn sie ihren Wunschberuf nicht ausüben darf, weil sie
Kopftuch trägt oder wenn sie indirekt als eine Sklavin bezeichnet wird, die
nicht eigenständig denken oder handeln kann oder wenn sie auf der Straße
attackiert wird, weil sie islamisch gekleidet ist, aber auch der psychische
Druck, der auf ihr lastet, weil die Gesellschaft sie ablehnt und ihr das Recht
auf Selbstverwirklichung verweigert, das sind alles Formen der Diskriminierung
und Diffamierung der muslimischen Frauen, die man hierzulande oft beobachten
kann.


ProMosaik e.V.: .     
Was
können wir Muslime heute konkret gegen PEGIDA machen?
Mansur Azizullah:
PEGIDA-Anhänger sind keine Menschen, die sich vom Gegenteil überzeugen
lassen wollen. Viele von ihnen sind aus dem Kern der rassistischen und
islamfeindlichen Szene in Deutschland und dabei denke ich unter anderem an
rechtsradikale Bewegungen und Parteien wie NPD oder Pro-NRW, den Anhängern des
islamfeindlichen Blogs Pi-News oder Anhängern des rassistischen und
fremdenfeindlichen Gruppe “Die Identitäre Bewegung”. Sie alle treten
in diesen Demonstrationen auf, und einige sind sogar deren Redner. Gegen solche
extremistische Bewegungen hilft nur Druck. Ganz Deutschland und insbesondere
die muslimische Community muss gegen solche Erscheinungen mobilisieren. In
Deutschland leben ca. 4,5 Millionen Muslime, die meistens sind Jugendliche.
Wenn alle Vertreter der muslimischen Community zu einem Demo aufrufen würden,
hätten wir über Nacht mindestens eine halbe Million Demonstranten auf der
Straße. Und genau hier muss noch viel getan werden.

ProMosaik e.V.: Wie können wir mit den anderen Monotheisten
zusammenarbeiten? Wie kann der interreligiöse Dialog dazu beitragen, jegliche
Diskriminierung religiöser Minderheiten in Deutschland zu bekämpfen?
Mansur Azizullah:
Sicherlich kann man eine Menge tun, um respektvoll und friedlich
miteinander leben zu können.  Und ich denke es wird da auch genug getan,
es gibt sehr viele ehrenamtliche Initiativen, die genau dazu dienen sich besser
zu verstehen und mehr miteinander zu reden, anstatt über einander. Aber wissen
Sie, die eigentliche Veränderung muss von “oben” kommen. Ein großer
Schritt wäre erstmal, dass man die Propagandamaschinerien gegen Islam und
Muslime stoppt. Und da können Politiker was dagegen tun, da können
Medienvertreter was dagegen tun, aber auch der einfache Redakteur kann etwas
dagegen tun, indem er sich weigert einen islamfeindlichen Artikel mit der
Überschrift „Mekka Deutschland – die stille Islamisierung des Abendlandes“ zu schreiben.
Solange diese Propaganda gegen Muslime nicht aufhören, wird es nicht viel
bringen, wenn einzelne Bürger sich ehrenamtlich engagieren und Initiativen
starten, was aber nicht bedeutet, dass die Arbeit umsonst wäre, das ist auch
alles richtig und man soll auch weiterhin solche Initiativen starten und das
alles noch ausweiten, aber um eine wirkliche und nachhaltige Veränderung
erzeugen zu können, muss man erstmal diese destruktive Elemente kenntlich
machen, sie bloßstellen stellen und letztendlich verbieten. Es ist eigentlich
ein Skandal, dass ein islamfeindlicher Blog wie Pi-News, der laut Wikipedia von
einer Terrororganisation namens “Jewish Defense League” unterstützt wird,
offen gegen Islam und Muslime Hetze und Propaganda betreiben kann und die
Politik sich weigert dagegen konsequent vorzugehen. Wäre dieser Blog heute noch
aktiv, wenn die Schreiber auf die gleiche Art und Weise gegen Juden Hetze und
Propaganda betreiben würden?  Private und ehrenamtliche Initiativen Ja,
Dialoge und Annäherung der Religionen Ja! , aber gleichzeitig müssen solche
Elemente, die das Zusammenleben der Menschen aus verschiedenen Kulturen
erschweren und für soziale Unruhen sorgen, konsequent bekämpft werden.


Wir freuen uns auf Ihr Feedback!!!!