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Nicole Kumfert von Die Linke über DDR, SED, Ramelow….

Liebe Leserinnen und Leser,

ProMosaik e.V. hat sich an Frau Kumfert von Die Linke Leverkusen gewendet, um von ihr eine persönliche Einschätzung der Frage rund um die DDR, die SED und Ramelow zu erhalten und finden diese großartig, weil sie nicht nur eine Auseinandersetzung mit der Geschichte beweist, sondern auch zukunftsweisend ist.

Ich finde persönlich, dass die Auseinandersetzung mit der SED-Vergangenheit eine gemeinsame Aufgabe aller Parteien sein sollte, ohne keine Partei zu diskreditieren. Ich bin der Meinung, dass diese die Kernaussage des folgenden Artikels ist.

Wir freuen uns auf Ihr Feedback hierzu. Bitte schreiben Sie an info@promosaik.com

dankend
Dr. phil. Milena Rampoldi
Redaktion von ProMosaik e.V.

Unrechtsstaat oder nicht, das ist hier die Frage…

In den letzten Wochen, mittlerweile kann man fast sagen in den letzten Monaten, geisterte immer wieder ein Begriff durch Presse, Funk, Fernsehen und soziale Netzwerke: Unrechtsstaat.
Bei der Gedenkstunde im Bundestag zur Wiedervereinigung vor 25 Jahren sorgte der Liedermacher Wolf Biermann im November mit einem denkwürdigen Auftritt dafür, dass viele Menschen darüber diskutierten, welche Rolle insbesondere die SED, deren Rechtsnachfolge die PDS, aus der über Zwischenschritte letztlich die heutige Partei DIE LINKE hervorgegangen ist, unbestritten angetreten hat, im DDR-Regime eingenommen hat.


 
Für mich steht fest, wenngleich ich mich dabei ausschließlich auf die mir zur Verfügung stehenden Quellen stützen muss, da ich selber noch nicht auf der Welt war, dass Wolf Biermann mit seiner Ausbürgerung während einer von der DDR-Regierung genehmigten Konzertreise in den Westen unentschuldbares Leid widerfahren ist.
Hier setzt meine Kritik an den DDR-Verhältnissen auch an.
Bei meinem ersten Besuch in Berlin im Jahr 2000 habe ich mir immer wieder die Frage gestellt, welche Schicksale die Teilung Deutschlands nach Einführung der restriktiven Reisepolitik verursacht hat.
Für mich war und ist es unvorstellbar, dass eine Mauer durch Berlin gebaut wurde – es macht mich jedes Mal betroffen, wenn ich entlang der East Side Gallery spazieren gehe oder die Mauersteine auf den Straßen sehe.

 Quelle: flickr.com

Wenn ich mich mit den Ereignissen rund um die Lebenswirklichkeit der Menschen in der DDR auseinandersetze, stelle ich mir immer wieder diese eine Frage: Wie kann man Menschen so etwas antun?
Wieso erteilt man Schießbefehle an einer deutsch-deutschen Grenze, die dazu führen, dass 138 Menschen allein dort ihr Leben lassen?
Wie treibt man Menschen derart in Verzweiflung, dass sie kilometerlange Tunnel bauen, um in den Westen entkommen zu können?
Wieso reißt man Familien scheinbar willkürlich auseinander?
Was rechtfertigt die ganzen Überwachungs-, Einschüchterungs- und Verhörmethoden, die zweifelsohne angewendet wurden und deren Grausamkeit sich nur erahnen lässt, wenn man beispielsweise historische Stätten wie das Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen besucht?

Quelle: Stasi-Gefaengnis.de

Ich fand meinen Besuch dort so beklemmend, dass ich es kaum aushalten konnte. Insbesondere in den Kellerräumen, wo sich die Zellentrakte befanden, kann man das Leid der Menschen noch heute spüren, wenn man sich nur ein bisschen mit der DDR-Historie auseinandergesetzt hat.
Als junges Mädchen war ich rund um die Zeit der Grenzöffnung und Wiedervereinigung genau wie in den ersten Jahren danach mehrfach im Osten Deutschlands – in der Nähe von Dresden genauso wie in und um Leipzig, da meine Mutter dorthin Brieffreundschaften über Jahre hinweg unterhalten hatte.
Meine persönlichen und vor allem auch nachhaltigen Eindrücke waren eher negativ.

Ich wunderte mich darüber, dass Wassereimer neben den Toiletten standen, weil es keine Klospülung gab. Ich ekelte mich vor riesigen Ratten, die nachts auch durch die Wohnung liefen. Ich konnte es nicht begreifen, dass die Kinder zwischen Müll und Schutt spielen (mussten). Es war für mich unverständlich, warum ich mit meinem Vater für Bananen anstehen musste.
Das Ost-Sandmännchen fand und finde ich allerdings sehr viel besser als das West-Sandmännchen.

Es kann also nicht alles schlecht gewesen sein in der DDR – und auch unsere Freunde, die offensichtlich nicht persönlich unter der Stasi gelitten haben, schienen fröhliche und lebensbejahende Menschen zu sein, die viel Gutes über ihr Leben in der DDR zu berichten hatten.
Eines steht klar fest: In der DDR ist Unrecht geschehen – großes Unrecht sogar!

Ob die DDR allerdings wirklich ein Unrechtsstaat war, wie viele konservative Politiker, DDR-Bürgerrechtler und auch andere Personen behaupten, vermag ich nicht zu beurteilen.
Die Einschätzung ist tatsächlich deshalb schwierig, da die DDR ein rechtmäßig aus der deutschen Teilung nach dem Zweiten Weltkrieg hervorgegangener Staat war, der sich sehr an der sowjetischen Besatzungsmacht ausgerichtet hat, um einen starken Gegenpol zum übermächtig erscheinenden Westen aufzubauen.
Dass allerdings Gesetze gebeugt wurden und zweifelhafte Methoden angewandt wurden, um unter anderem Republikflucht zu unterbinden, lässt an der Rechtsstaatlichkeit der DDR zweifeln.
Andererseits gibt es auch heutzutage in anderen Staaten ebenfalls Verhörmethoden und staatliche Überwachung – dennoch würde niemand auf die Idee kommen, diese Staaten als Unrechtsstaaten zu bezeichnen.
Auch ist es in diesem Zusammenhang kaum verständlich, dass ein LINKER Ministerpräsident in Thüringen – der im Übrigen aus dem Westen kommt – der Weltuntergang zu sein scheint und ehemalige Personen aus dem SED- und Stasi-Umfeld das Ende für unser Land sein sollen.

                                                       Quelle: Bodo Ramelow Twitter

Insbesondere die, die mit am lautesten schreien – hochrangige CDU-Politiker – haben selber Führungspositionen in DDR-Strukturen innegehabt. Zudem war die CDU selbst ein maßgeblicher Baustein der in der DDR üblichen Blockparteien – und hat die Rechtsnachfolge ohne Namenswechsel, Getöse und größere innere strukturelle und auch personelle Veränderungen angetreten.
Dass nunmehr dieser LINKE Ministerpräsident kurz nach seiner Wahl strafrechtlich dafür belangt werden soll, dass er sich einer rechten Demonstration entgegengesetzt hat, ist an Lächerlichkeit kaum mehr zu überbieten – dies wäre einem CDU-Politiker wohl kaum widerfahren.

Ein LINKER Ministerpräsident Ramelow in Thüringen ist ein heilbarer Schritt in dem längst noch nicht beendeten Prozess der deutschen Wiedervereinigung – in den Köpfen der Menschen ist noch nicht vollends angekommen, dass beispielsweise der überwiegende Teil der heutigen LINKEN Politiker entweder zu jung ist, um überhaupt maßgeblichen Anteil am Unrecht in der DDR gehabt zu haben, oder aber in anderen Strukturen groß geworden ist.
Die Aufarbeitung der deutsch-deutschen Geschichte müssen alle Deutschen betreiben – nicht nur die Partei DIE LINKE.
Vielleicht finden wir dann auch gemeinsam eine zufriedenstellende Antwort auf die Frage, ob die DDR nun ein Unrechtsstaat war oder nicht.
Denn das ist und bleibt nach wie vor die Frage.